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Doris Leuthard sondiert im Emmentaler-Streit

Doris Leuthard (rechts) und die norwegische Finanzministerin Kristin Halvorsen in Brüssel. Keystone

Bei ihrem ersten Besuch in Brüssel kümmerte sich die Schweizer Wirtschaftsministerin Doris Leuthard vor allem um Agrardossiers.

Neben dem Freihandel lag der Bundesrätin auch der Schutz traditioneller regionaler Produkte aus der Schweiz am Herzen. Beim Emmentaler Käse dürfte sie aber auf Granit beissen.

Zwei offene Agrardossiers standen am Dienstag im Zentrum der Antrittsvisite von Bundesrätin Doris Leuthard anlässlich eines Ministertreffens der Staaten der EU (Europäische Union) und der EFTA (Europäischen Freihandels-Assoziation) in Brüssel.

Das eine ist ein mögliches Agrarfreihandels-Abkommen mit der EU. Dieses Dossier ist noch nicht reif, weil die Schweizer Regierung erst im Frühling 2007 entscheiden wird, ob sie darüber überhaupt mit der EU verhandeln will.

Das andere Dossier ist klein, aber überreif: Es geht um die so genannten geschützten Ursprungsbezeichnungen für regionale Agrarprodukte. Bekannt ist etwa das Label AOC (Appellations d’origine contrôlée).

Heiss umkämpfte Käsenamen

In der Schweiz sind zum Beispiel Emmentaler und Greyerzer Käse als AOC registriert, das Label wird jedoch nicht von der EU anerkannt. Deshalb sind die Produkte vor Nachahmung nicht geschützt. Bereits seit 1999 diskutieren die Schweiz und die EU ergebnislos über die gegenseitige Anerkennung solcher Traditionsprodukte.

Nach ihrem Gespräch mit der EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel zeigte sich Bundesrätin Leuthard optimistisch. “Der gegenseitige Wille, dieses Problem zu lösen, ist gross”, sagte sie. Sie erwarte, dass die EU-Kommission in den nächsten Monaten ein Mandat für Verhandlungen mit der Schweiz erhalte.

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EFTA

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Europäische Freihandels-Assoziation (EFTA), bei der die Schweiz Mitglied ist, ist eine zwischenstaatliche Organisation, die sich für den freien Handel und die Stärkung von wirtschaftlichen Beziehungen einsetzt. Seit Beginn der Europäischen Union (EU) sind viele Mitgliedstaaten aus der EFTA ausgetreten. Neben der Schweiz verblieben sind Norwegen, Island und Liechtenstein, die jedoch alle auch zum Europäischen…

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Unklare Absichten

“Wir bereiten ein Verhandlungsmandat vor”, bestätigte der Sprecher von EU-Kommissarin Fischer Boel auf Anfrage. Allerdings blieb offen, ob die EU mit der Schweiz wirklich über die gegenseitige Anerkennung der Register verhandeln will. Möglicherweise will sie Schweizer Produzenten auch bloss ermuntern, sich im EU-Register einzutragen.

“Wir suchen nach einer Lösung”, sagte der Sprecher von Fischer Boel, “aber gegenwärtig ist noch offen, wie sie aussehen könnte.” Die Frage drängt, weil die Schweiz und die EU ab Sommer 2007 den Käsehandel liberalisieren werden. Käsesorten machen einen grossen Teil der Schweizer AOC-Produkte aus.

Bereits heute ist allerdings klar, dass Brüssel zumindest den Emmentaler Käse kaum als AOC-Produkt akzeptieren will. “Das Emmentaler-Problem existiert”, bestätigte denn auch Leuthard. Emmentaler wird seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt produziert, weshalb die EU ihn nicht als regionale Spezialität anerkennt.

Positive Zeichen

Sehr freundliche Worte fand die EU-Agrarkommissarin natürlich für ein mögliches Agrarfreihandels-Abkommen mit der Schweiz. “Dem stehen wir sehr positiv gegenüber”, erklärte ihr Sprecher. Allerdings gehen auch hier die Vorstellungen auseinander. Brüssel möchte am liebsten einfach die Agrarzölle abbauen.

Die Schweiz hingegen will, dass auch die Branchen rund um die Landwirtschaft liberalisiert werden. Nur so könnten die Schweizer Bauern ihre Produktionskosten senken. Zudem müssten ähnliche Vorschriften gelten, etwa für Dünger, Pestizide oder die Sicherheit von Traktoren.

Damit aber käme die heikle Frage ins Spiel, ob die Schweiz entsprechende EU-Vorschriften anerkennen müsste. Falls je Verhandlungen über den Agrarfreihandel geführt werden, dürften sie deshalb lange dauern.

Bald mit Japan?

Mit Japan will die Schweiz schon möglichst bald Verhandlungen über ein bilaterales Freihandels-Abkommen aufnehmen. Dies hat Leuthard an einem darauffolgenden Treffen am Dienstag mit dem japanischen Landwirtschaftminister Toshikatsu Matsuoka in Bern bekräftigt.

“Es zeichnet sich ab, dass einem solchen Abkommen wenig entgegenstünde”, schrieb das Eidgenössische Volkswirtschafts-Departement in einer Mitteilung. Die Schweiz und Japan nähmen nämlich traditionell ähnliche Positionen in Landwirtschaftsfragen ein.

swissinfo, Simon Thönen, Brüssel

Geschützte Ursprungsbezeichnungen bestätigen, dass ein Agrarprodukt eine regionale Spezialität ist. Es kann so besser vermarktet werden.

Die Bezeichnung “Appellation d’origine contrôlée” (AOC) verlangt, dass ein AOC-Produkt in einer bestimmten Region und mit lokalen Rohstoffen produziert wird. Beispiele sind Greyerzer Käse oder Walliser Aprikosenschnaps.

Weniger streng ist die Bezeichnung “Geschützte geographische Angabe” (GGA). Der Rohstoff kann auch aus dem Ausland kommen. Ein Beispiel ist Bündnerfleisch.

In der Schweiz sind bisher 21 Spezialitäten als AOC oder GGA ins Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen eingetragen. Diese gelten nur in der Schweiz, die internationale Anerkennung dafür ist nur sehr schwach.

Die Europäische Union (EU) führt ein eigenes Register. Die Schweiz und die EU streben Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung der Register an.

2005 wurden in der Schweiz knapp 168’000 Tonnen Käse hergestellt, davon 32’181 Tonnen Emmentaler.
Seit Jahren ist der Emmentaler der beliebteste Exportkäse: 2005 wurden knapp 24’000 Tonnen im Ausland verkauft.
Der Käse ist nach der Herkunftsregion benannt, dem Emmental im Kanton Bern.
Heute wird er aber in verschiedenen Regionen der Schweiz produziert, und sogar in anderen europäischen Ländern, vor allem in Deutschland und Frankreich.

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