Druck auf Bankgeheimnis steigt
Paris, London, Berlin und Madrid setzen Liechtenstein unter Druck, die Normen der OECD für den Informationsaustausch zu übernehmen. Der Druck auf das Schweizer Bankgeheimnis wächst.
Vier Schwergewichte der EU – Frankreich, Deutschland, Grossbritannien und Spanien – starten eine neue Offensive gegen das Bankgeheimnis. Ziel ist Liechtenstein. Doch die Schweiz und Luxemburg könnten schnell in den gleichen Sog geraten.
Nach dem Skandal um Liechtensteinische Anlagestiftungen – Hunderte Deutscher schleusten im «Ländle» Vermögen an der Steuer vorbei – verlangt die Europäische Kommission vom Fürstentum ein Abkommen über die Bekämpfung von Steuerbetrug.
Kampflustig
Zusätzlichen Druck setzten Frankreich, Grossbritannien, Spanien, Dänemark und Deutschland auf. Sie verlangten von Liechtenstein, den EU-Ländern im Fällen von Steuerbetrug Informationen zu liefern, wie dies in den Richtlinien der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) über die Zinsbesteuerung vorgesehen ist.
Die Länder berufen sich dabei auch auf ein Abkommen von 2002, das die Herausgabe von Informationen auf Verlangen verankert. Der Vertrag soll verhindern, dass sich ein Land hinter dem Bankgeheimnis verstecken kann. Alle OECD-Mitglieder haben ihn unterzeichnet, ausgenommen Luxemburg und die Schweiz.
Bumerang befürchtet
Luxemburg lehnte am Dienstag die Demarche gegen Liechtenstein ab. Damit ist die EU-Kommission vorerst gebremst, denn die Länder müssen sich einstimmig für ein Brüsseler Verhandlungsmandat aussprechen.
In Luxemburg herrscht die Befürchtung, dass sich das Pochen auf die OECD-Richtlinien gegen das Grossherzogtum selbst wenden könnte, nämlich bei der Revision der europäischen Bestimmungen zur Vermögensbesteuerung. Hier drücken Berlin und Paris aufs Gaspedal.
Auskünfte auf Verlangen
Luxemburg ist mit Belgien und Österreich das einzige EU-Land, das Vermögen von Ausländern via Quellensteuer besteuert. Dadurch bleibt das Bankgeheimnis gewahrt.
Die EU toleriert dies aber bloss als Übergangslösung. Die drei Länder müssen dann zum automatischen Informationsaustausch übergehen, wenn die Schweiz, Liechtenstein, Andorra, San Marino und Monaco das System der Bankauskünfte auf Verlangen einführen. Diese fünf Länder erheben aktuell ebenfalls eine Quellensteuer aus ausländischen Vermögen.
Wie Dominosteine?
«Die Liechtensteiner Affäre ist ein gefährliches Anzeichen dafür, was noch kommt», sagt ein Beobachter. «Die Schwergewichte innerhalb der EU werden das Bankgeheimnis in all seinen Formen angreifen.» Diesem Druck könnten Luxemburg und die Schweiz nur schwerlich standhalten. «Vor allem, wenn Liechtenstein dem enormen Druck nachgibt», sagt der Experte.
Mit einer Lockerung des Griffes auf das Bankgeheimnis können die Länder nicht rechnen. Frankreich, das am 1. Juli die EU-Präsidentschaft übernimmt, hat den Kampf gegen Steuerflucht zur Priorität seiner sechsmonatigen Führungsposition erklärt.
Deutschland seinerseits bereitet innerhalb der OECD eine neue Offensive vor. Diese ist für das nächste Ministertreffen Anfang Juni traktandiert.
swissinfo, Tanguy Verhoosel, Bruxelles
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
In der Schweiz sind Bankkonten nicht anonym, die Bank muss die Identität des Kontoinhabers kennen.
Diese Information jedoch unterliegt dem Bankgeheimnis.
Das Bankgeheimnis kann nur auf Antrag einer Strafuntersuchungsbehörde aufgehoben werden, falls Verdacht auf kriminelle Aktivitäten besteht. Steuerflucht zählt ausdrücklich nicht als solche.
Neben der Schweiz kennen auch Luxemburg und Österreich das Bankgeheimnis.
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