Ein Raucher geht nach Indien
Der Schweizer Tabakunternehmer Heinrich Villiger erschliesst sich in Ostasien neue Märkte. Die Tabakverbote vermiesen dem Tabakbaron im Inland das Geschäft.
Indien hat zurzeit einen klitzekleinen Zigarrenmarkt. Die Perspektiven seien jedoch grandios, meint Heinrich Villiger.
«Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu», heisst es dick und fett auf allen Zigarren-Schachteln, welche der Schweizer Tabak-Baron Heinrich Villiger in alle Welt exportiert.
Auf anderen Zigarren-Behältnissen ist die Botschaft noch drastischer: «Rauchen ist tödlich.»
Die markanten Hinweise auf Raucherprodukten werden aufgrund der Vorgaben der Framework Convention on Tabacco Control (FCTC) der Weltgesundheits-Organisation (WHO) im nationalen Recht umgesetzt. Auch die Schweiz hat diese Konvention unterzeichnet.
Wenn Tabakverbote anstacheln
Die Anti-Raucherkampagnen stacheln den Tabakbaron aus dem Luzerner Hinterland an, mit neuen Geschäftsideen die aromatischen Raucherstangen auf lukrativen aussereuropäischen Märkten zu platzieren.
Heinrich Villiger, Inhaber der Villiger-Gruppe, hat soeben damit begonnen, den indischen Markt mit seinen Stumpen zu erobern.
Bereits ist eine Million Zigarren aus der Schweiz im Schwellenland in den Läden. Als Partner steht Villiger in Indien die Godfrey Phillips India, die Nummer Zwei des Landes, zur Seite.
«Indien hat zwar rund 1,3 Milliarden Einwohner. Der Markt für Zigarren ist mit vier Millionen kaufkräftigen Konsumenten aber noch sehr klein», sagt Heinrich Villiger gegenüber swissinfo.
Zukünftiges Marktpotenzial
Attraktiv für die Schweizer Tabakexporte nach Indien ist nicht das aktuelle, sondern das zukünftige Marktpotential.
«Die Perspektiven für Zigarren sind mit Zuwächsen von 50 bis 100 Prozent pro Jahr phänomenal», erklärt Chris Pfister, Chef für aussereuropäische Märkte der Villiger-Gruppe.
Tabakunternehmer Villiger macht keinen Hehl daraus, dass dem Tabakkonsum in Indien mit Kampagnen nachgeholfen werden soll.
Indien weltweit Nummer 2
Inderinnen und Inder rauchten bisher wenig Zigarren und Cigarillos. Das heisst jedoch nicht, dass die Tabakindustrie in Indien eine kleine Rolle spielt. Indien ist mit einem Produktionsvolumen von mehr als 600 Millionen Kilogramm Tabak pro Jahr nach China der zweitgrösste Tabakproduzent der Erde.
Der Tabak wird in Indien jedoch hauptsächlich als Kau-Tabak, als Bidi und als weitere Billigprodukte konsumiert.
Auch Indien ist Signaturstaat der Framework Convention on Tabacco Control. Wird die FCTC und die damit verbundene Raucherfeindlichkeit den Schweizer Tabakexporteur früher oder später auch in Indien ausbremsen?
Zigarrenunternehmer Heinrich Villiger macht sich vorderhand keine Sorgen. «Indien kann es sich nicht leisten, Luxusprobleme zu wälzen, wie wir das in Europa tun.»
30 Millionen Beschäftigte
Auch wenn in Indien erst eine hauchdünne Mittelschicht auf den Zigarrengeschmack gekommen ist, ist die Tabakindustrie in diesem riesigen Land von grosser Bedeutung.
Sie beschäftigt im Anbau, in der Ernte, dem Handel und in der Verarbeitung direkt und indirekt mehr als 30 Millionen Menschen, wie der Partner von Heinrich Villiger in Indien, die Godfrey Philips India, im Firmenporträt berichtet.
Kaum ein Produkt wird in der Öffentlichkeit mit so viel Ambivalenz aufgenommen wie Tabak, und damit auch die Zigarren der Villiger-Gruppe.
Einerseits ist Tabak für jeden Staat über die Tabaksteuer eine formidable «Cash-Cow». Gleichzeitig wird der Tabakkonsum jährlich für Millionen von raucherbedingten Krankheiten und Todesfällen verantwortlich gemacht.
Exportieren statt differenzieren?
Heinrich Villiger fordert eine differenzierte Betrachtungsweise. «Zigarren machen weniger als zwei Prozent des weltweiten Tabakkonsums aus», meint Villiger.
«Alle Studien, welche die tödliche Wirkung des Tabakkonsums untersuchen, beziehen sich ausschliesslich auf Zigaretten. Der Zigarrenmarkt scheint für beweiskräftige Untersuchungen zu klein.»
Die Villiger-Gruppe baut nicht nur aktiv und massiv den indischen Markt auf. Längst ist der nach Dannemann zweitgrösste Tabakproduzent der Schweiz auch in China, in Taiwan, in Malaysia, Japan, Korea, Neuseeland, Australien und anderen südostasiatischen und pazifischen Staaten präsent.
Mit grossem Interesse bearbeitet die Villiger-Gruppe den Markt der Volksrepublik China. «Der Gesamtmarkt der VRC beträgt rund 200 Millionen Zigarren und Cigarillos pro Jahr. Villiger hält rund 40 Prozent davon», erklärt der regionale Villiger-Exportchef Chris Pfister.
Auch in China ist nicht die aktuelle Exportmenge entscheidend, sondern der jährliche Zuwachs von 30 bis 40%.
Rauchverbote wirken in der Schweiz
Gegenläufig ist der Trend in der Schweiz. Verkaufte Villiger auf dem Binnenmarkt im Jahr 1990 noch 213 Millionen Zigarren, waren es im Jahr 2006 noch 154 Millionen.
Die Antiraucher-Strategie basiert in der Schweiz auf vier Pfeilern: Hohe Steuern, explizite Warnaufdrucke, Raucherverbote und Jugendschutz.
«Gegen die Antiraucher-Bewegung kommen wir in Europa nicht an. Sie geht jedoch mit der Beschneidung der persönlichen Freiheitsrechte einher», sagt Villiger.
swissinfo, Erwin Dettling
Die Villigers sind in vierter Generation im Tabakgeschäft tätig.
1888 gründet Jean Villiger im luzernischen Pfeffikon die Villiger Söhne AG Cigarrenfabriken.
Nach dem Tod des Gründers (1902) führt seine Frau Louise die Geschäfte weiter und gründet acht Jahre später im deutschen Waldshut-Tiengen ein Tochterunternehmen. Die beherzte Frau erkennt, dass der Markt im Nachbarland grössere Möglichkeiten bietet.
Heinrich Villiger tritt 1950 in das Familienunternehmen ein. Nach dem Tod (1966) seines Vaters Max Villiger tritt Bruder Kaspar Villiger in das Unternehmen ein und übernimmt die Leitung des schweizerischen Stammhauses. Die beiden Brüder sind mit je 50% am Gesamtunternehmen beteiligt.
1989 wird Kaspar Villiger in den schweizerischen Bundesrat (Landesregierung) gewählt. Heinrich Villiger übernimmt die 50 Prozent-Beteiligungen seines Bruders.
Die Villiger Gruppe produziert heute rund 500 Millionen Zigarren und Cigarillos pro Jahr.
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