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Ein richtiger Tiger im Tank

Die Ölvorkommen sind nicht unendlich, neue Energiequellen sind notwendig. Keystone

Die knappen Ölvorräte und die Klimaveränderung erfordern neue Energiequellen. In der Schweiz soll Diesel mit Mehl und Tierfetten entwickelt werden.

Die Vorstellung, dass das eigene Haustier im Autotank enden könnte, löst Fragen und Debatten in der Bevölkerung aus.

Der weltweit wachsende Energiebedarf, das unausweichliche Versiegen der Ölvorkommen und die Gefahren der Klimaveränderung beschleunigen die Forschung nach neuen Energiequellen.

Einige Länder wollen unter anderem biologisches Benzin auf pflanzlicher Basis (Raps Getreide, etc.) fördern. In der Schweiz gibt es Projekte für Treibstoff aus Tierkadavern, die in der Bearbeitungs- oder Realisierungsphase sind.

Das grösste Projekt soll bald von der Centravo-GZM lanciert werden, der Firma, die über die Hälfte der Tierkadaver in der Schweiz verwertet.

Früher für Dünger und Tierfutter verwendet

«Bei uns treffen jedes Jahr über 100’000 Tonnen Tiergerippe und Tierkadaver aus Metzgereien und regionalen Tierkadaver-Sammelstellen ein», sagt Centravo-GZM-Sprecher Georg Herriger gegenüber swissinfo. «Daraus werden zwei Produkte verwertet: Tierfette und Tiermehl.»

Bis vor zehn Jahren wurden diese Produkte vollständig wiederverwertet. Die Tiermehle zum Beispiel wurden zur Produktion von Dünger oder als Futter zur Viehzucht verwendet.

Die Rinderwahnsinn-Krise hat in den 90er-Jahren dem Zwangskannibalismus für Rinder und Schafe ein Ende bereitet. Die Tiermehle, welche die Erreger der Seuche enthalten können, wurden verbannt.

Seither werden die Tierkadaver gemäss Hygienevorschriften einfach verbrannt. Die Tierasche wird generell für die Zementproduktion verwendet.

Hoher Energiewert

«Als man den hohen Energiewert dieser Produkte erkannte, wollte man sie nützlicher und vernünftiger verwenden», erklärt Herriger. So hat die Firma TMF in Bazenheid, Kanton St. Gallen, bereits ein Pilotprojekt lanciert für die Verwertung von Tiermehl zur Produktion von Diesel für niedertourige Motoren, zum Beispiel Schiffsmotoren.

Die Centravo-GZM strebt sogar die Produktion eines alternativen Treibstoffs für Automobile an. Die Firma will in Lyss, Kanton Bern, eine Fabrik erstellen zur Extraktion von Diesel aus Tierfetten.

Ähnlich wie das Bio-Diesel aus pflanzlichen Materialien soll auch der neue Treibstoff, Bio-Diesel plus genannt, zu 5% dem Diesel fossiler Herkunft beigemischt werden.

Offene Debatte

Vom Bau dieser Fabrik zur Produktion von biologischem Treibstoff erhofft sich die Centravo-GZM vom Parlament Steuererleichterungen. Aus ökologischer Sicht übertrifft das Bio-Diesel aus Tiermehl jenes aus pflanzlichen Materialien.

«Zur Produktion von Bio-Diesel müssen Felder für Raps oder andere Landwirtschaftsprodukte erstellt werden. Für das Bio-Diesel plus werden tierische Substanzen verwendet, die bereits vorhanden sind», betont Herriger.

Das Projekt der Centravo-GZM hat in einigen Schweizer Zeitungen eine Debatte ausgelöst. Zur Produktion von Bio-Diesel plus werden auch Kadaver von Haustieren aus den regionalen Sammelstellen verwendet.

Die Vorstellung, die eigene Katze oder der eigene Hund könnte im Autotank enden, hat bei einigen Leserinnen und Lesern Abscheu und Empörung ausgelöst. Dazu Centravo-GZM-Sprecher Herriger: «Niemand muss sein Haustier opfern. Wenn dieses weniger als zehn Kilo wiegt, kann es begraben oder in speziellen Krematorien verbrannt werden.»

Ethische Vorbehalte

Die Tierschutzorganisationen ihrerseits haben zwar gewisse Vorbehalte ethischer Natur, werden sich aber voraussichtlich nicht gegen die laufenden Projekte wehren.

«Die Gesellschaft soll nach ethischen Gesichtspunkten entscheiden, ob Tieren – wie den Menschen – das Recht auf den ewigen Frieden gegeben werden soll», sagt der Ethiker Bernhard Trachsel gegenüber swissinfo. Trachsel ist Geschäftsführer der Organisation Zürcher Tierschutz.

«Wenn man dieses Recht für Tiere nicht anerkennt, dann kann man die verschiedenen Verwendungs-Methoden von Tierkadavern nicht verurteilen. Schliesslich spielt es dann keine Rolle, ob die toten Tiere zur Produktion von Dünger, Zement oder Treibstoff verwendet werden.»

Tierschützer müssten vor allem dafür kämpfen, dass diese Kreaturen wenigstens während ihrer Lebzeit «human» behandelt werden, so Trachsel. «Persönlich kann ich mir aber nicht vorstellen, einen Hund oder eine Katze, die während Jahren zur Familie gehört haben, in Treibstoff oder ein anderes Produkt zu verwandeln.»

swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

Angesichts des Versiegens der Erdölquellen und um den CO2-Ausstoss zu verringern, suchen diverse Länder nach neuen Energiequellen.

Die EU hat beschlossen, bis 2010 so viel Bio-Treibstoff zu produzieren, dass 5,75% des Gesamtverbrauchs von Benzin und Diesel ersetzt werden können.

Deutschland und Österreich haben bereits Massnahmen ergriffen, um die Herstellung von Bio-Diesel und Bio-Diesel plus zu fördern.

Die Schweiz hat noch keine eigene Strategie definiert. Das Parlament wird sich in diesem Jahr mit einer Vorlage befassen, welche die Verwendung von Bio-Treibstoff steuerlich begünstigt.

Energieverbrauch in der Schweiz (2004): Erdöl 57%, Elektrizität 23,1%, Gas 12,1%, andere, wie Kohle oder Holz, 7,8%.

Quellen zur alternativen Energiegewinnung: Sonne, Wind, Biomasse, etc. Sie decken zur Zeit lediglich 1% des Energiebedarfs der Schweiz.

Gemäss einem vom Parlament verabschiedeten Gesetz müssen die CO2-Emissionen bis 2012 im Schnitt um 10% verringert werden, resp. auf das Niveau von 1990 zurückgeführt werden.

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