Ein Schweizer für alles in Havanna
Wer Andreas Winkler, Berater von Syngenta und eines Finanzfonds, besucht, erlebt, dass die kubanische Wirtschaft im Umbruch ist. Winklers Büros sind in einem Appartementkomplex von Miramar, nahe des wichtigsten und modernsten Geschäftszentrums Havannas.
Die Klimaanlage summt, die Telefonverbindungen funktionieren, der kubanische Café ist aromatisch und die Internetverbindung ist untypisch schnell. Der Schweizer Geschäftsmann ist in einem Umfeld tätig, das wenig mit dem bröckelnden Altstadt-Groove des touristischen Kuba zu tun hat.
Andreas Winkler kam 1993 als Vertreter des Schweizer Handelshauses André & Cie. nach Kuba: «Das in Lausanne beheimatete Familienunternehmen gründete in Havanna eine Finanzgesellschaft und ermöglichte Tausch- und Kompensationsgeschäfte in harter Währung. Die Transaktionen waren zum Beispiel durch Zucker oder Fischereiprodukte abgesichert.»
Wo sich Risiko lohnte
André & Cie. finanzierte damals kurzfristige und risikovolle Geschäfte. Nach dem Zusammenbruch des Comecon musste Kuba im Jahr 1990 die Aussenwirtschaft auf harte Devisen umstellen. Nur wenige ausländische Firmen waren damals bereit, Ernten zu zahlbaren Konditionen vorzufinanzieren.
Andreas Winkler erinnert sich an Geschäfte, die heute unter den gewandelten Bedingungen auf dem Geld- und Kapitalmarkt kaum mehr möglich oder denkbar sind.
Kuba konnte 1996 den Auftritt der Olympiamannschaft für die Spiele in Atlanta nicht finanzieren. André & Cie. war für Kuba in kritischen Zeiten da, wie sich Andreas Winkler erinnert: «Wir sagten: Wenn Kuba die erwarteten zehn Medaillen erkämpft, bekommt das Land den Kredit von 1 Mio. US-Dollar für den günstigsten Libor-Zinssatz.
Wenn Kuba 11 Medaillen heimbringt, finanzieren wir einen Punkt unter Libor; bei 9 Goldauszeichnungen gibt es den Kredit allerdings für Libor plus einen Punkt». Kuba erreichte schliesslich 9 Medaillen. «Alle waren glücklich und André & Cie. machte dabei ein gutes Geschäft».
Finanzbereich professionalisiert
Wie zuverlässig ist Kuba als Geschäftspartner? Winkler attestiert Kuba im Allgemeinen eine gute Zahlungsmoral. «Selbst als André & Cie. sich im Jahr 2001 auflöste, erhielt das Unternehmen die ausstehenden 50 Millionen US-Dollar mit Zinsen von Kuba zurück.»
Kuba hat sich in den vergangenen fünfzehn Jahren stark gewandelt, Finanz- und Investitions-Geschäfte werden professioneller und bürokratischer abgewickelt.
«Die Zeit der Geschäfte per Handschlag mit Ministern ist vorbei. Heute entwerfen kubanische Firmen und deren Anwälte – wie überall auf der Welt – dicke Verträge mit zahllosen Klauseln. Der ausländische Partner muss verstehen, dass Kuba nur auf Win-Win-Geschäfte eingeht», meint Andreas Winkler.
Viele ausländische Investoren und Financiers haben Mühe zu verstehen, was die Strategie des übergeordneten Staatsinteresses in der Praxis bedeutet. Wer in Kuba erfolgreich sein will, braucht einen langen Atem.
«Ciba, eine der Vorgängerfirmen von Syngenta, die ich berate, ist seit 1956 in Kuba. Sie liess sich auch nicht durch das über 50 Jahre bestehende amerikanische Handelsembargo zum Rückzug bewegen», sagt Winkler.
Neue Prioritäten, neue Chancen
Die Beharrlichkeit hat sich gelohnt. Kaum je in den vergangenen zwanzig Jahren waren in Kuba die Bedingungen für einen Agrarkonzern so günstig wie heute, seit Comandante Raul Castro die Produktion von Agrarerzeugnissen zur höchsten Priorität erhoben hat.
Gemäss der FAO, der UNO-Organisation für Landwirtschaft, hat Kuba nach Mexiko die grössten landwirtschaftlichen Bodenreserve der Region; noch vor Venezuela und Kolumbien. Trotzdem importiert Kuba 80 Prozent der Güter, die auf den Tisch kommen. Kuba könnte, bei effizienter Bewirtschaftung, Agro-Produkte exportieren.
Die Ärzte der Pflanzen
Kuba hat in den vergangenen fünf Jahren viel Land privatisiert und an Kooperativen abgegeben, ohne dass die Hektarerträge wesentlich gestiegen sind. Andreas Winkler denkt an Lösungen.
«Die Produktivität könnte durch kürzere und dynamischere Prozesse gesteigert werden. Es ist vorgesehen, dass Bauern und Kooperativen in Zukunft direkt bei kubanischen Verteilern einkaufen: Stiefel, Spitzhacken, Saatgut und Crop Protection.»
Die tiefe Produktivität der kubanischen Landwirtschaft bietet Unternehmen wie Syngenta die Möglichkeit zu wachsen: «Wir sind die Ärzte der Pflanzen», schwärmt Andreas Winkler.
«Wenn wir unser Know-how und das bereits hervorragende Wissen der kubanischen Agro-Institute zusammenführen, wird dies zum Erfolg beitragen.»
Schweizer als Vermittler
Andreas Winkler ist an vielen Fronten tätig. Er hat im Jahr 2003 die Schweizerisch-Kubanische-Handels- und Industriekammer (SwissCubanCham) mitbegründet.
«Im Juni dieses Jahres fand in Luzern die 7. Generalversammlung statt. Wir versuchen, für Schweizer Unternehmen mit kritischer Grösse, die unseres Erachtens einen Platz in der kubanischen Wirtschaft haben, den Markteintritt zu erleichtern.»
Das SwissCubanCham warnt vor Euphorie. Schweizer Firmen sind am kubanischen Markt interessiert, müssen jedoch oft einsehen, dass das lokale Potential noch klein ist.
Kein Land für schnelles Geld
Laut Winkler haben multinationale Firmen vermutlich die besten Voraussetzungen, erfolgreich in Kuba zu arbeiten. «Unter den 35 Mitgliedern der SwissCubanCham gibt es jedoch auch mehrere KMU mit spezifischen Produkten für die kubanische Wirtschaft.»
Der Auslandschweizer denkt optimistisch über die kubanische Wirtschaft. «Kuba wird kaum rasch von der sozialistischen Planwirtschaft den Weg in die totale Marktwirtschaft gehen. Kubas Weg liegt dazwischen».
Kuba war einst einer der grossen Zucker-Produzenten der Welt, mit einem Ausstoss von bis zu 8 Millionen Tonnen pro Jahr.
In den letzten Jahren wurde die Hälfte der Zuckerfabriken wegen zu tiefen Hektarerträgen und wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit geschlossen und die Anbaufläche für Zucker massiv verkleinert.
Auf den brachliegenden Flächen werden jedoch nach wie vor zu wenige Agrarerzeugnisse für den Binnenmarkt erzeugt.
Die Produktivitäts-Steigerung in der Landwirtschaft gilt heute als eines der strategischen Ziele der kubanischen Regierung.
Diese Priorisierung der Landwirtschaft erhöht auch die Marktchancen in Kuba von Agrar- und Chemie-Multis aus der Schweiz.
Die Schweizerisch-Kubanische Handels- und Industriekammer (SwissCubanCham) hat ihren Sitz in Luzern und ein Büro in Havanna. Sie zählt zurzeit rund 35 Mitglieder.
Sie fördert den Informations-Austausch in Wirtschaftsfragen, hilft und berät Schweizer Unternehmen beim Markteintritt in Kuba, veranstaltet Informationstreffen in der Schweiz und in Kuba.
SwissCubanCham berät auch kubanische Firmen, die sich für ein Engagement in der Schweiz interessieren.
Sie macht Marktstudien, verbindet in beiden Ländern Geschäftspartner und verfügt über umfassende Informationen über Zoll- Handels– und juristische Fragen.
Er ist seit 18 Jahren im Geschäft mit Kuba tätig.
Am Anfang arbeitete er für das Schweizer Handelshaus André & Cie.
Seit dessen Liquidation im Jahre 2001 berät er den Agro-Multi Syngenta und weitere Europäische Firmen und Finanzinstitutionen.
Die wichtigste Erkenntnis von Andreas Winkler für gute Geschäfte:
«In Kuba hat Erfolg, wer die strategischen Ziele und Möglichkeiten der kubanischen Wirtschaftplanung frühzeitig erkennt. Auf dieser Basis muss er taktisch richtige Geschäftsmodelle entwickeln.»
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