Ein Supercomputer kommt nach Lausanne
Die Eidg. Technische Hochschule Lausanne (EPFL) hofft, ihre Forschungs-Aktivitäten mit einem der weltweit schnellsten Supercomputer zu steigern.
Der «Blue Gene» von IBM soll in erster Linie für Hirnforschung genutzt werden. Doch viele weitere Forscher stehen Schlange, um ihn ebenfalls einsetzen zu können.
Der «Blue Gene»-Computertypus gilt zur Zeit weltweit als stärkster Super-Rechner. Laut Experten soll sein modulares Design ihn dazu befähigen, die Mängel einiger seiner Konkurrenten auszustechen.
«Unser erstes Ziel lautete, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne einen grossen Vorsprung zu ermöglichen, vor allem im Bereich der Teams, die numerische Simulationen bewerkstelligen», sagt François Avellan, Leiter des Lenkungsausschusses, der dieses Projekt überwacht.
Der Typus, der in der EPFL installiert wird, soll ungefähr die Fläche von vier Kühlschränken beanspruchen. Die maximale Prozess-Geschwindigkeit soll mindestens 22.8 Trillionen betragen, was aus diesem «Blue Gene»-Typ auch einen der schnellsten Computer Europas macht.
Als bester Computer überhaupt gilt ein weiterer Prototyp der Reihe «Blue Gene», der in den USA im März rund neun Mal schneller lief als jener in Lausanne. Ein durchschnittlicher Heim-PC bringt es auf etwa eine Milliarde Operationen pro Sekunde.
In erster Linie Biowissenschaften
Laut Avellan war mit dem Projekt in erster Linie beabsichtigt, mit IBM eine Zusammenarbeit im Bereich der Biowissenschaften (Life Sciences )anzustreben. «IBM kam mit ihrem Prototyp zu uns und bot uns die Möglichkeit, Simulationen zu entwickeln», sagt er gegenüber swissinfo.
«Dieses ‹Blue Brain Projekt› konzentriert sich auf neurowissenschaftliche Anwendungen. Wissenschafter des Instituts möchten ein umfassendes Modell des Neocortex simulieren. So nennt sich der grösste und komplexeste Teil des Hirns von Säugetieren.»
Die Wissenschafter hoffen, ihre Arbeit auf den Rest des Hirns ausweiten zu können – im zellulären Bereich ist ein derartiger Anlauf noch nie unternommen worden. Beabsichtigt ist das bessere Verstehen von Denk-, Erkenntnis- und Erinnerungsprozessen und das Ergründen von gewissen psychiatrischen Funktionsstörungen.
«Das Modellieren des Hirns auf zellulärer Stufe ist ein riesiges Unternehmen, wegen den Hunderten von Tausenden von Einflussgrössen, die beachtet werden müssen», sagt Henry Markram, der Professor, der das ganze Projekt verantwortet.
«Wir erwarten, dass bisher ganztägige Laboruntersuchungen bei einigen Simulationen neu auf ‹Blue Gene› in einigen Sekunden ablaufen.»
Rund die Hälfte des Kapazität des Supercomputers soll für die Hirnforschung reserviert bleiben. Die andere Hälfte wird für Vorhaben wie molekulare Simuationen, Strömungsdynamik, Plasma-Physik und Internet-Reproduktionen genutzt.
Einsatz im Halbleiter-Bereich
Ein weiterer Teil der Untersuchungen betrifft die Zusammenarbeit mit IBM-Forschern in Zürich, in der Halbleiter-Technologie, einem Baustein heutiger Elektronik-Forschung.
Das Abkommen mit dem Computer-Hersteller IBM bringt dem Forschungsinstitut finanzielle Vorteile, obschon auch Risiken damit verbunden sind.
«Hätten wir einfach irgendwo einen Supercomputer gekauft, wäre uns das viel teuer gekommen», gibt Avellan zu bedenken. «Die Zusammenarbeit mit IBM und seinen Prototypen birgt zwar gewisse Schwierigkeiten. Doch wir sind überzeugt, dass das Institut von dieser Zusammenarbeit nur profitieren kann.»
«Blue Gene» Server kosten vergleichsweise rund 10 Mio. Franken. Dank der Zusammenarbeit mit IBM kommt so ein Server das Lausanner Institut jedoch viel weniger teuer zu stehen.
«Schwierig zu sagen, ob der «Blue Gene» uns Geld einsparen wird», meint Avellan. «Andererseits wird uns «Blue Gene» ermöglichen, Dinge zu tun, von denen wir nie gedacht hätten, dass sie möglich sind.»
swissinfo, Scott Capper
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Als IBM 1999 den «Blue Gene»-Computertypus lancierte, sollte es ein Computer-System werden, das komplexe biomolekulare Phänomene wie die Protein-Faltung untersucht.
Heute laufen auf «Blue Gene» Anwendungen für Biowissenschaften, Finanzmodelle, Wasserdynamik, Quantenchemie, molekulare Simulationen, Astronomie, Raumforschung und Klima-Modelle.
«Blue Gene»-Systeme sind installiert im Lawrence Livermore National Laboratory, San Diego Supercomputer Center, im Argonne National Laboratory, USA, und in der Universität von Edinburgh.
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