Ein Symbol geht in die Knie
Martin Ebner, der die Shareholder-Value-Ideologie in der Schweiz wie kein zweiter verkörpert, geht vor der Aktienbaisse in die Knie. Der freie Markt hat ihn eingeholt - vorläufig.
Einen Tag vor dem Nationalfeiertag der Schweiz musste Martin Ebner, Shareholder-Nationalheld und knallharter Börsenliberalist, seine vier börsenkotierten «Visionen» verkaufen – und das noch an ein staatlich garantiertes Institut, die Zürcher Kantonalbank (BK Vision, Pharma Vision, Spezialitäten Vision und Stillhalter Vision).
Wünschte er sich doch 1995, dass die Schweizer «ein einig Volk von Aktionären» würden. Es geht um Aktienwerte in der Höhe von drei Milliarden Franken (net asset value).
«Finanzplatz-Thatcherismus»
Ebner, der ehemalige Vontobel-Banker, der 1985 seine eigene BZ-Bank gründete, beherrschte in der Schweiz und teils auch in den internationalen Finanzpresse jahrelang die Schlagzeilen: Als «Corporate Raider» störte der Mann mit der Fliege seit Mitte der achtziger Jahre das Konkordanz-Gleichgewicht der Macht in den Verwaltungsräten vieler Schweizer Unternehmen (siehe Link-Story).
Seine Methode: Rasch und systematisch baute er strategische Beteiligungen in den von ihm fokussierten Unternehmen auf, um dann plötzlich als Stakeholder im Rampenlicht einen Verwaltungsratssitz zu beanspruchen.
Seine jahrelangen vergeblichen Bemühungen um einen VR-Sitz in der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) zeigten dem Schweizer Publikum sowohl seine unhelvetische Kompromisslosigkeit wie auch die abweisende Arroganz der etablierten Banker-Riege ihm gegenüber auf. Er kämpfte für mehr Transparenz – und setzte sich zumindest rund um den Einheitsaktien-Disput durch.
Tandem Blocher – Ebner
Ebner machte auf dem Finanzplatz vor, was die Schweizerische Volkspartei (SVP) und ihr Vordenker Christoph Blocher auf der innenpolitischen Ebene umsetzten: Liberalisierungen und Entstaatlichung unter dem populistischen Label der Entfilzung. Oft waren seine Kleinanleger auch verdrossene SVP-Wähler.
Als Schweizer «Finanzpionier» popularisierte er als erster das Aktiensparen beim kleinen Mann. Zur Erinnerung: Noch Anfang der 90er Jahre ging es um bessere Renditen als Alternative zum tiefen Zins, den das Banksparbüchlein dem kleinen Investor bieten wollte.
So manche Finanzkonstruktion heckten die beiden finanziell Hochbegabten in guten Zeiten gemeinsam aus. Ebner war auch einer der ersten, welcher der Wirtschaftspresse in der Schweiz in den achtziger Jahren zusteckte, was alles in den Führungsetagen der Bahnhofstrasse so wirklich abging.
Nicht nur die jüngste Aktienbaisse
Asset Manager und Börsenbeobachter Lorenz Burkhalter, Bern, betonte gegenüber swissinfo, dass die kürzlich erfolgte Börsenbaisse allein nicht der Grund für den Verkauf sei. Ebner habe etwas hoch spekuliert, was das Instrumentarium betrifft: «Ebners Finanzstrategie lag risikomässig ziemlich hoch. Aber eigentlich begannen seine Probleme vor zwei Jahren als die Märkte drehten.»
Keine industrielle Führerschaft
Das «Paket» der vier Visionen umfasst einen Net Asset Value von rund 3 Mrd. Franken. Dies habe nichts mit dem Verkaufspreis zu tun, präzisierte ZKB-Sprecher Urs Ackermann gegenüber swissinfo. «Die Gelder werden jetzt nach ZKB-Richtlinien vermögensverwaltet. Das heisst, es wird sicher keine industrielle Führerschaft mehr angestrebt wie das Ebner gern tut.»
Als einen der Gründe, weshalb der Deal so schnell abging, führt Ackermann die Person von Hans F. Vögeli von der ZKB-Geschäftsleitung an. «Vögeli und Ebner kennen sich noch aus den Zeiten bei Vontobel, wo sie beide ebenfalls in der Geschäftsleitung sassen.» Ob Ebner seine vier Visionen vorher der UBS oder CSG anbot, weiss man nicht.
Gesetzlicher Anlegerschutz?
Der Ruf nach vermehrter staatlicher Kontrolle der Finanzplätze wird jetzt noch stärker: Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) sehe sich in ihren Forderungen durch Ebners Verkauf nur bestätigt, betont SPS-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat.
Beteiligungs-Gesellschaften sollten künftig aufgrund der Fonds-Gesetze besser unter die Lupe genommen werden. Momentan sei die Kontrolle nur sehr eng gefasst. Dies käme einem besserem Schutz der Sparer zugute, indem Exzesse unterbunden würden.
Ebner setzte sich immer für ein Interventions-Minimum seitens des Staates ein. Private hätten immer eine bessere «Performance» als staatliche Institutionen ausgewiesen. Nun muss er zugeben, dass diese Politik langfristig nicht aufging.
De- oder Reregulierung?
Die privaten Finanzangelegenheiten gingen die politischen Parteien nichts an, meint im Gegensatz dazu Gregor Rutz von der SVP. Ebner habe ja nie Politik gemacht. Die Angelegenheit sei eine Sache des Privatrechts. Die Verfassung und eine liberaler Gesetzesrahmen genügten.
Und während sich die Politiker noch um den Anlegerschutz Gedanken machen, zählt Martin Ebner schon das Geld, das er für seine vier Visionen erhalten hat. Er wird wohl die eine oder andere seiner direkten Investitionen damit aufstocken und damit als Turbo-Stakeholder bald wieder für Schlagzeilen sorgen. Sicher ist nur: Kassenobligationen wird er mit diesem Geld kaum kaufen.
Einfluss geschwächt
Mittlerweile dürfte sich sein Vermögen massiv reduziert haben. Ebner hält mit seiner Frau Rosemarie 46% an der BZ-Gruppe.
Sein Einfluss auf die Unternehmenswelt sei durch den Verkauf drastisch geschwächt wurden, meint die Fiancial Times Deutschland vom 1.August 02. In der Schweizer Finanzwelt mache sich nun Schadenfreude breit. Denn Ebner sei immer ein Aussenseiter gewesen, zitiert sie einen ranghohen Banker.
Kein Wunder, schliesslich sei er immer ein Störenfried gewesen, der bei seinen Beteiligungen Veränderungen in Strategie und Management forderte. Zum Beispiel wetterte er gegen die Namensaktie, die den Zugang ausländischer Investoren beschränkte.
Die Frankfurter Rundschau schliesslich meint, dass die BZ-Gruppe «damit selbst das Opfer jener Kräfte geworden sei, deren freies Spiel Ebner stets befürwortet und gefordert hatte».
swissinfo
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