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Ein Zentrum zur Behandlung neuer Suchtformen

Gemäss Studien sind bis zu zehn Prozent aller Internet-User süchtig. (Imagepoint)

Internet-, Spiel- und Drogensüchtige werden in Genf künftig in einer spezialisierten Klinik therapiert. Es ist das erste Zentrum für so genannt neue Suchtformen in der Schweiz.

Die Betreiberin, das Universitätsspital Genf, rechnet mit rund 60 Behandlungsfällen pro Woche.

Für Daniele Zullino, Leiter der Abteilung Suchtprävention am Genfer Spital, füllt das neue Zentrum eine Lücke in der Therapie von Süchtigen, wie er gegenüber swissinfo sagt.

Die bisher existierenden Behandlungen und Programme für klassische Suchtpatienten wie Heroin- und Alkohol-Abhängige eigneten sich nicht für Internet-, Spiel- und Designer-Drogensüchtige.

Unterschiedliche Suchtarten

Spiel- und Internet-Sucht unterscheiden sich laut Zullino von herkömmlichen Suchtarten darin, dass die Süchtigen sozial eigentlich meist integriert sind. Für ihre Sucht vernachlässigten sie dann aber alle anderen Aktivitäten.

«Wenn ein Heroin-Süchtiger zu uns kommt, müssen wir zuerst Infektionen behandeln und seine soziale Lage stabilisieren. Erst nach mehreren Monaten können wir beginnen, über den zentralen Punkt des Problems zu sprechen: das Suchtverhalten an und für sich», so Zullino.

Kürzere Sucht-Therapien

Die Programme der neuen Suchtbehandlungs-Klinik, die im Genfer Eaux-Vives-Quartier angesiedelt ist, werden zeitlich kürzer sein als traditionelle Sucht-Therapien.

Die meisten Therapien der neuen Klinik werden sich voraussichtlich mit Internet-Sucht und Cannabis-Konsum befassen. Bereits gab es auch schon mehrere Anfragen im Zusammenhang mit Kokain-Konsum.

Internet-Sucht

Laut Schweizer und internationalen Untersuchungen sind zwischen drei und zehn Prozent aller Internet-User süchtig. In der Schweiz gibt es etwa fünf Millionen Internet-Benutzer.

Zürich hat im August letzten Jahres als erster Schweizer Kanton eine Kampagne gegen die Internet-Sucht lanciert. Laut Daniele Zullino sind 15- bis 25-jährige Männer am meisten gefährdet.

«Internet-Sucht äussert sich nicht so sehr durch die Anzahl Stunden, die man vor dem Computer verbracht hat, sondern durch die negativen Folgen davon.» Und diese äusserten sich durch problematisches Verhalten gegenüber der Frau oder am Arbeitsplatz. «Man könnte das Suchtverhalten nennen, weil der Süchtige nicht fähig ist, seine Sucht unter Kontrolle zu behalten», so Zullino.

Motivierende Gespräche

Das Team von Psychiatern, Psychologen, Krankenschwestern und Sozialarbeitern der neuen Genfer Klinik wird nach den Worten Zullinos eine Therapie des «motivierenden Gesprächs» anwenden. Man werde die positiven und negativen Seiten sowohl des Suchtverhaltens als auch eines alternativen Verhaltens erörtern.

«Das scheint ziemlich einfach zu sein, aber nicht für die Patienten», sagt Zullino. «Man gibt ihnen die Möglichkeit, Entscheide zu fällen, was sie während ihres Suchtverhaltens nicht wirklich tun – sie handeln nämlich automatisch.»

swissinfo, Adam Beaumont, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)

Die Zahl der Internet-Süchtigen nimmt laut Schweizer und internationalen Studien stark zu.

Die spezialisierte Klinik des Universitätsspitals Genf bietet nicht nur Therapien gegen diese neue Suchtform an, sondern auch gegen Spielsucht sowie Designer-Drogensucht wie Ecstasy, Kokain, Cannabis und andere Drogen.

Das Genfer Zentrum rechnet mit rund 60 Therapiefällen pro Woche.

Bisher sind die «neuen Suchtarten» in herkömmlichen Kliniken behandelt worden. In Lausanne existiert bereits ein spezielles Angebot für Spielsüchtige.

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