Eine Schweizer Uhr steht für Schweizer Werte
Die Schweizer Uhrenexporte haben 2006 einen neuen Rekordwert erreicht: Sie nahmen im Vergleich zum Vorjahr um rund 11% auf knapp 14 Milliarden Franken zu.
Wie erklärt sich der Erfolg? swissinfo hat mit dem Tissot-Präsidenten François Thiébaud gesprochen.
swissinfo: Wie erklärt sich die Abfolge von Rekordjahren?
François Thiébaud: Die Luxusgüterbranche, zu der die Uhrenindustrie gehört, profitiert von dem weltweiten konjunkturellen Aufschwung.
Einerseits geht es der amerikanischen Wirtschaft sehr gut. Und auf dem dortigen Markt finden sich unsere Hauptabnehmer. Ausserdem spüren wir eine steigende Nachfrage aus Schwellenländern wie China, Indien und Staaten des ehemaligen Ostblocks.
Als Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs decken die Leute in diesen Ländern zuerst ihre materiellen Grundbedürfnisse ab. Doch Personen, die es sich erlauben können, kaufen Kunstgegenstände oder eben unsere Luxusuhren.
Zudem muss man die gewaltigen Dimensionen dieser Länder bedenken. Wenn auch nur ein Prozent reich ist, entspricht dies gleichwohl einem riesigen Markt. Es handelt sich um Millionen potentieller Kunden.
swissinfo: Warum verkaufen sich Schweizer Uhren so gut? Liegt es tatsächlich an der Qualität oder eher am Image?
F.T.: Es ist beides – ganz analog zur französischen Mode oder dem italienischen Design. Die Schweiz verfügt über eine lange Tradition und grosses Know-how in diesem Sektor. In der Uhrenbranche zählt jedes Detail. Und die Schweiz ist nun einmal bekannt für ihre Präzision.
Die Schweiz verfügt über eine Tugend, die ich als stille und friedliche Kraft bezeichnen würde. Wer eine Schweizer Uhr erwirbt, schätzt diese Gelassenheit. Die Zeit lässt sich nicht unserem Willen unterwerfen. Die Uhrmacherkunst beschränkt sich darauf, die Zeit zu zeigen und zu regulieren.
Schauen Sie zudem unsere Landschaft an. Berge, Seen, saubere Städte. Die Schönheit der Schweizer Landschaft trägt ihren Teil zum Erfolg der Schweizer Uhren bei.
swissinfo: Geht die Assoziation mit der Schweiz nicht durch die zunehmende Auslagerung der Uhrenproduktion verloren? Immer mehr Schweizer Hersteller kaufen ihre Komponenten im Ausland ein.
F.T.: Effektiv könnte diese Entwicklung dem Image der Schweizer Produkte schaden. Wir sind gleichwohl die einzige Branche, in der eine Bundesverordnung festlegt, was als Schweizer Produkt – Swiss made – geführt werden darf.
Aber wir operieren in einer globalen Wirtschaft und leben nicht in einer Autarkie. Wenn wir unsere Produkte exportieren wollen, müssen wir auf die Produktionskosten achten und, wenn nötig, auf Importe von Komponenten zurückgreifen.
Dasselbe machen auch andere Länder. Glauben Sie etwa, dass bei einem deutschen Auto alle Komponenten aus Deutschland stammen? Sicherlich nicht! Unsere Uhren werden in der Schweiz entworfen, zusammengesetzt und kontrolliert. Die Marke garantiert für das Produkt auf der ganzen Welt. Die Beziehung zum Ursprungsland ist auf alle Fälle gegeben.
swissinfo: Was bedeutet es, in der Uhrenindustrie gute Ideen zu haben? Geht es um Innovationen im Bereich der Technik oder des Marketings?
F.T.: Bis vor einigen Jahrzehnten bezog sich Innovation immer nur auf die mechanischen Komponenten. Die durch Swatch bewirkte Revolution hat alles verändert. Heute ist umfassende Kreativität gefragt. Technische Qualität ist nötig, reicht aber alleine nicht mehr. Am besten ist ein Vergleich mit der Autoindustrie: Ein guter Motor für ein Auto ist nötig, aber noch besser ist es, wenn auch die Karosserie schön ist.
Es braucht in allen Bereichen Originalität: In der Technik, im Zifferblatt, in der Form des Gehäuses, bei den Materialen, dem Armband oder der Form der Zeiger. Es gibt keine Tabus mehr. Auch asymmetrische Formen sind erlaubt.
Auch die Art und Weise, eine Uhr zu tragen, hat sich stark verändert. Uhren haben eine eigene Identität. Sie sind lebendige Accessoires, die zum Eigentümer und zum Ambiente passen müssen.
Das einzige Element unserer Welt, das präzise definiert und begrenzt ist, ist die Zeit: in Stunden, Minuten und Sekunden. Aber die Darstellungsformen der Zeit sind eben grenzenlos.
swissinfo-Interview: Marzio Pescia
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Die Schweizer Uhrenexporte haben 2006 einen neuen Rekordwert erreicht.
Gemäss Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) wurden für 13,7 Mrd. Fr. Uhren exportiert, 10,9% mehr als 2005.
Allein im Dezember 2006 stiegen die Exporte um 3,3% auf 1,259 Mrd. Fr. an.
Die Vergabe des Labels «Swiss made» ist in einer Bundesverordnung aus dem Jahr 1972 geregelt.
Eine Uhr wird als Schweizer Uhr bezeichnet, wenn das Uhrwerk aus der Schweiz stammt und das fertige Produkt in der Schweiz zusammengebaut und kontrolliert wurde.
Das Uhrwerk, das Herzstück einer Uhr, wird als schweizerisch bezeichnet, wenn es in der Schweiz hergestellt und kontrolliert wurde und mindestens 50% seiner Komponenten in der Schweiz gefertigt wurden.
In Anbetracht der Globalisierung und ihrer Folgen werden Stimmen lauter, die eine Revision der Bundesordnung mit schärferen Regeln für «Swiss made» fordern. Viele Komponenten von Schweizer Uhren werden im Ausland gefertigt, insbesondere in asiatischen Ländern.
Ende der 1970er-Jahre schien die Schweizer Uhrenindustrie den Anschluss an die Konkurrenz verloren zu haben. Insbesondere die Japaner waren den Eidgenossen um Längen voraus.
Die Branche hat in dieser Phase eine tief greifende Umstrukturierung durchgemacht. Die Zahl der Angestellten ging von 90’000 im Jahr 1970 auf 30’000 im Jahr 1984 zurück.
Dann kam der bahnbrechende Erfolg von Swatch.
Die Swatch-Gruppe entwickelte sich in Kürze zum Weltmarktleader mit 18 Marken (darunter Tissot) und 20’000 Angestellten in 50 Ländern.
Inzwischen gibt das Hochpreissegment den Ton an. Die Schweizer Uhrenindustrie ist vor allem auf Luxus ausgerichtet.
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