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Einspruch gegen post-kolonialistischen Diebstahl

Das Medikament und sein Ursprung: Umckaloabo (Flasche) und Pelargonium. arco

Die Erklärung von Bern (EvB) hat Einspruch gegen zwei Patente eines deutschen Arzneimittel-Herstellers erhoben. Damit unterstützt die Nichtregierungs-Organisation den Kampf lokaler Gemeinschaften in Südafrika gegen Biopiraterie.

«Die Leute in meinem Dorf sind arm. Sie haben keine andere Wahl, als die geschützten Pflanzen zu ernten», sagt die Südafrikanerin Funeka Nhayi im Gespräch mit swissinfo. «Die Erntearbeiter werden sehr schlecht entlöhnt, aber sie finden keine andere Arbeit.»

Bei den geschützten Pflanzen handelt es sich um wild wachsende Pelargonien. Das ist eine Geranium-Art, die ausschliesslich in Südafrika und in Lesotho vorkommt.

Seit Jahrhunderten verwenden die Einheimischen den Sud aus den Wurzeln gegen Erkrankungen der Atemwege. In den 1920er-Jahren brachte der Genfer Missionsarzt Adrien Sechehaye das Wundermittel nach Europa.

Nach verschiedenen Tests an der Berliner Charité, begann eine deutsche Firma damit, einen Pelargonien-Extrakt zu vermarkten. Unter dem Namen Umckaloabo erreicht das Medikament mittlerweile in Deutschland einen Jahresumsatz von 80 Millionen Euro.

In der Schweiz, wo Umckaloabo seit 2007 zugelassen ist, sind es laut der EvB sechs Millionen Franken. Die Ursprungsländer der Pflanzen hingegen gingen praktisch leer aus, kritisiert die EvB.

Ausbeutung und Raubbau

«Basis für das Medikament sind gestohlene Wurzeln und gestohlenes traditionelles Wissen der lokalen Bevölkerung», kritisiert der Patentrechtsexperte Fritz Dolder von der Universität Basel. Dolder hat im Auftrag der EvB gegen zwei Patente der Schwabe Arzneimittel beim europäischen Patentamt München Einspruch erhoben.

Eine Klage richtet sich gegen das Extraktionsverfahren zur Herstellung von Umckaloabo, die andere gegen die Benützung der Pelargonie als Aids-Medikament.

Die EvB wirft der Schwabe Arzneimittel, vor, sie stehle traditionelles Wissen, beute die lokalen Arbeitskräfte aus und betreibe Raubbau an geschützten Pflanzen.

«Rohstoff und Wissen geklaut»

«Die Patente verstossen gegen die UNO-Konvention zur biologischen Vielfalt», so Dolder. Zwar wurde die Konvention sowohl von Südafrika wie auch von Deutschland und der Schweiz ratifiziert. Bei der Umsetzung herrsche jedoch ein «Vollzugsnotstand».

Dolder und die EvB rechnen damit, dass sie mit ihren Einsprüchen Recht bekommen werden. «Das kann mit allen Einsprachemöglichkeiten zwischen fünf und zehn Jahre dauern», prophezeit Dolder.

Patentrechtlich ist für Dolder der Fall jedoch klar: «Die Patente beinhalten weder ein neues Verfahren. Sie sind weder erfinderisch und haben zuwenig intellektuellen Pep. Der Rohstoff und das Wissen sind beide geklaut», behauptet er.

Wenn das Patent nicht annulliert werde, erhalte die Schwabe Arzneimittel während der nächsten 20 Jahre ein Monopol für die Herstellung, den Verkauf und den Export. Dies in allen Ländern, die der europäischen Patentekonvention angehören.

«Wirksame Hilfe aus der Savanne»

Die lokalen Behörden in Südafrika versuchen erfolglos den Schutz der Pflanzen durchzusetzen. «In den Provinzen, wo die Pelargonien wachsen, sind sie geschützt, in den andern aber nicht», erklärt Funeka Nhayi.

«Die Pflanzen werden in riesige Lastwagen verfrachtet und dorthin gebracht, wo sie nicht geschützt sind. Dort werden die Wurzeln vorbehandelt und anschliessend nach Deutschland gebracht, wo sie zu Medikamenten verarbeitet werden.»

Versuche, Pelargonien anzupflanzen seien bisher wenig vielversprechend verlaufen. «Der Anbau ist zudem sehr aufwendig. Es dauert fünf Jahre, bis die Wurzeln verwendet werden können», sagt François Meienberg von der EvB.

Der Hersteller lobt die wilden Pflanzen in höchsten Tönen: «Wirksame Hilfe kommt erstaunlicherweise nicht aus den Forschungslabors der Chemieriesen, sondern aus der Savanne Südafrikas», steht auf der Homepage.

swissinfo, Andreas Keiser, Zürich

Grosse weltweit agierende Konzerne melden immer häufiger Patente auf genetische Ressourcen an, um sie als Rohmaterial industriell zu nutzen.

Dabei bedienen sie sich der biologischen und kulturellen Vielfalt in den Ländern des Südens.

So sammeln Pharmamultis in Entwicklungsländern mit grosser Artenvielfalt Heilpflanzen, um sich die Verwertungsrechte an den Wirkstoffen zu sichern.

Die dort lebenden Menschen, denen die Forscher ihre Erkenntnisse verdanken, gehen oft leer aus.

Biopiraterie bedeutet, dass genetische oder biologische Ressourcen patentiert und genutzt werden, ohne Zustimmung des Herkunftslandes oder der lokalen Gemeinschaften und indigenen Völker, die die Ressourcen bisher züchteten und nutzten.

Vom 19. bis 30. Mai findet in Bonn die 9. Vertragsstaaten-Konferenz der Biodiversitäts-Konvention statt.

Es werden rund 5000 Teilnehmer aus 190 Vertragsstaaten erwartet.

Eine grosse politische Bedeutung hat die Konferenz durch das so genannte 2010-Ziel, das auf dem «Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung» in Johannesburg 2002 festgelegt wurde: Der Verlust der Biodiversität soll bis 2010 deutlich verringert werden.

Die Schweiz hat die Konvention 1994 ratifiziert.

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