Elektrizitätsmarktgesetz abgelehnt
Ein Dämpfer für die Liberalisierung: Der Schweizer Energiemarkt wird nicht geöffnet.
Bei der Abstimmung über das Elektrizitätsmarkt-Gesetz sagt das Stimmvolk mit 52,6 Prozent Nein.
Die Regierung und das Parlament wollten den Strommarkt schrittweise öffnen, um die inländische Rechtslage gegenüber der EU anzupassen. Daraus wird wohl nichts.
Die Westschweiz und das Tessin stimmten geschlossen dagegen. Aber auch in den Ostschweizer Kantonen überwog die Skepsis gegen die Liberalisierung des Strommarktes.
SP-Vizepräsidentin Christine Goll äusserte sich in einer ersten Reaktion zufrieden: «Der Widerstand hat sich gelohnt. Die Bevölkerung hat genug von Liberalisierungen und Privatisierungen.»
Laut Goll soll der Staat weiterhin eine «öffentlich-demokratische Kontrolle über die Stromversorgung» behalten. Ziel sollten eine Stromsparpolitik und die Förderung erneuerbarer Energien sein. Dies sei mit dem EMG nicht gewährleistet.
Gesetz wollte Leitplanken setzen
Rund um die Schweiz öffnen sich die Märkte für Strom. Um bei dieser Entwicklung nicht abseits zu stehen, hatte der Bundesrat das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) ausarbeiten lassen. Das Gesetz sollte einen wettbewerbsorientierten Elektrizitätsmarkt schaffen. Regierung und Parlamentsmehrheit hatten diesen Vorschlag befürwortet.
Vor allem aus linken und gewerkschaftlichen Kreisen war dem EMG Widerstand erwachsen. Die grossen drei Schweizer Gewerkschaften und die Grünen hatten darum gegen das Gesetz das Referendum ergriffen. Ein Gesetz sei zwar nötig, doch nicht dieses, so der Tenor.
Auflösung der Monopole
Die Schweizer Elektrizitätswirtschaft kennt zu Zeit regionale Monopole. Konsumentinnen und Konsumenten, ob Firmen oder kleine Haushalte, können den Strom nur bei einem Anbieter beziehen, dem Betreiber ihres lokalen Verteilnetzes.
Insgesamt gibt es im ganzen Land rund 900 Elektrizitätslieferanten, jeder mit eigenen Tarifen und Konditionen. Es herrscht also Unübersichtlichkeit und zum Teil auch Ungerechtigkeit.
Das EMG wollte den Markt schrittweise öffnen. Sechs Jahre nach Inkrafttreten wäre geplant gewesen, dass der Energiemarkt für alle Stromkonsumenten liberalisiert gewesen wäre.
Eigentlich sollten mit einer Liberalisierung die Strompreise auch für die Verbraucher fallen. Doch als Stimmbürger blieben Konsumentinnen und Konsumenten skeptisch.
Zurück an die Politiker
Nun ist wieder die Politik gefragt. Denn auch für die siegreichen Gegner ist klar: Es braucht ein Gesetz. Dieses muss aber wieder neu ausgehandelt werden.
Anzuknüpfen wäre dabei möglicherweise an das neue Kartellrecht, welches monopolistische Missbräuche von Unternehmen strenger bestrafen möchte.
Deregulierung im Ausland
Rund um die Schweiz haben viele Länder ihre Strommärkte schon geöffnet. Doch die Erfahrungen sind durchzogen. Als schlechtes Beispiel dafür wird oft die kalifornische Energiekrise erwähnt.
In der EU ist die Liberalisierung ins Stocken geraten; die Liberalisierung lief nicht immer mit der Privatisierung überein. Lateinamerika hingegen gilt als Vorreiter – mit positiven Erfahrungen. In den Ländern, welche ihre Märkte früh deregulierten, fliesst der Strom heute in genügender, und die Preise sind gesunken.
Vor der Liberalisierung wurden mehrere Länder Lateinamerikas von massiven Stromkrisen und Versorgungsengpässen durchgeschüttelt.
swissinfo, Christian Raaflaub
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