Entscheidende Tage für die Swiss
Drei Jahre nach dem Start könnte die Swiss schon bald in deutschen Besitz kommen.
Am Montagabend wurden die 29 Grossaktionäre der Swiss über den Deal mit der Lufthansa unterrichtet. Sie halten 86,1% des Aktienkapitals. Grösster Aktionär ist der Bund mit rund 20%.
Die beiden Gesellschaften bestätigten über das Wochenende in gleichlautenden Communiqués, dass sie «konstruktive Verhandlungen über eine Übernahme und Integration der Swiss in den Lufthansa-Konzernverbund» führen.
Am Montag kamen Vertreter von Lufthansa und Swiss mit den Grossaktionären der Swiss zusammen, um das Angebot zu erörtern. Nach dem Treffen hielten sich die Grossaktionäre bedeckt und machten keine Angaben. «Kein Kommentar» lautete die Standardantwort zu Fragen über den Verlauf des Treffens.
Dass sich die Grossaktionäre gegen die Übernahme aussprechen, galt nach Ansicht von Beobachtern als unwahrscheinlich. Die Swiss selbst will die Verhandlungen möglichst zügig abschliessen.
Experte: der einzige Weg
Für den Aviatik-Experten Sepp Moser ist die Übernahme der einzig gangbare Weg für die Swiss. Die Fluggesellschaft sei im Prinzip mittellos, auch wenn es kein technischer Bankrott sei.
«Die Swiss verliert Marktanteile, fast jeder Angestellte schaut sich nach einem andern Job um.» Wenn nichts geschehe, werde die Swiss innert kürzester Zeit zusammenbrechen, sagte Moser gegenüber swissinfo.
Ein Sprecher der Schweizer Regierung hatte am Sonntag erklärt, der Bundesrat habe am Freitag über die Situation bei der Swiss und mögliche strategische Optionen für das Unternehmen gesprochen. Die Eidgenossenschaft ist die grösste Einzelaktionärin der Swiss.
Entscheidungen seien bei dieser Sitzung allerdings nicht gefallen, hiess es weiter. Die Regierung hatte allerdings vor kurzem erklärt, eine Übernahme der Swiss durch die Lufthansa zu unterstützen.
Über die Übernahme der Swiss durch die Lufthansa war schon mehr als ein Jahr spekuliert worden. In einem ersten Anlauf hatte die Swiss das Lufthansa-Angebot abgelehnt und stattdessen versucht, sich dem Bündnis um die British Airways anzuschliessen; die Verhandlungen scheiterten.
Symbolischer Preis?
Lediglich 14% der Swiss-Aktien befinden sich in Streubesitz. Der Rest liegt in den Händen der Schweizer Regierung (20,4%), der Kantone (+2,1%) sowie institutionellen Investoren, darunter die Grossbanken UBS AG (10,4%) und Credit Suisse Group (10%), AMAG (6,8%). Weitere Investoren sind Nestlé, Novartis, Roche oder Kudelski. Insgesamt gibt es 29 institutionelle Investoren.
Wie sich die Grossaktionäre verhalten und wie diese entschädigt werden sollen, bleibt offen. Es kann sein, dass sich die Grossaktionäre mit einem symbolischen Preis zufrieden geben. Im Gegenzug würde die Lufthansa laut den Gerüchten auf eine Kapitalerhöhung der bisherigen Aktionäre verzichten. Bestätigt wurde nichts.
Tatsache ist, dass viele Grossaktionäre ihre Beteiligungen an der Swiss bereits weitgehend abgeschrieben haben.
Die Kleinaktionäre der Swiss, die rund 7,5 Mio. Aktien oder 14% am Flugkonzern halten, sollen von der Lufthansa einen Preis «in Höhe des Durchschnittskurses der letzten Wochen» erhalten. Das wären derzeit insgesamt rund 65 Mio. Franken.
Am Montagmorgen war die Swiss-Aktie mit 11,90 Franken bewertet, 14,4% höher als am Freitag. Die Lufthansa-Aktie startete am Montagmorgen in einem schwächeren Gesamtmarkt mit einem deutlichen Plus von 1,52%.
Kampf um Marke Swiss und Anschluss der Schweiz
Die Swiss solle «ihre Eigenständigkeit weitestgehend behalten». Eckpfeiler seien, dass die Luftverkehrsverbindungen der Schweiz und die Marke Swiss aufrechterhalten würden. Die Swiss wollte sich nicht zum weiteren Vorgehen äussern. Es werde aber Sitzungen mit allen Stakeholders geben.
Die Swiss-Aktie werde am Montag normal gehandelt, sagte eine Konzernsprecherin. Dass gleichentags ein Treffen der Swiss-Spitze mit den Grossaktionären stattfinden soll, kommentierte sie nicht.
Die Aktien von Lufthansa und Swiss hatte von entsprechenden Spekulationen bereits am Freitag zeitweise deutlich profitiert. Lufthansa-Aktien verteuerten sich am Morgen im vorbörslichen Handel beim Broker Lang & Schwarz um 1,6%.
Gewerkschaften fühlen sich verschaukelt
Die Gewerkschaften reagierten verärgert auf die Meldungen: Es gehe nicht an, dass sie über die Übernahmeverhandlungen aus den Medien erfahren müssten. Wie die Swiss mit dem Personal umspringe, sei eine Katastrophe, sagte Urs Eicher, Präsident der Kabinenpersonalgewerkschaft Kapers.
Für Daniel Vischer von der Gewerkschaft VPOD ist es nun wichtig, dass die Arbeitsplätze in der Schweiz langfristig gesichert werden. Es müsse verhindert werden, dass Dienstleistungen nach Frankfurt gezügelt würden, betonte auch Philipp Hadorn, Präsident der Bodenpersonal-Gewerkschaft SEV-GATA.
Ein Zusammengehen mit der Lufthansa könnte nach Angaben aller Gewerkschafter aber auch Chancen bieten. Auch die Parteien sorgen sich vorab um Arbeitsplätze und Direktverbindungen. SP, CVP und FDP äusserten sich aber vorsichtig positiv zur geplanten Übernahme. Von der SVP war keine Stellungnahme erhältlich.
Markt nicht Politik entscheidet
Die Kommentare der Schweizer Presse reichen vom «Ende der Träumereien» bis zu «nur nichts überstürzen». Der Kommentar der Basler Zeitung bringt die Stimmung so auf den Punkt. Die Motive für die Rettung der alten Swissair unter neuem Namen seien edel gewesen. Doch die Realität sehe anders aus:
«4 Mrd. Franken verschlang das Projekt. Von den 10’000 Swissair-Stellen hat die Swiss bloss 6600 gerettet. Das Streckennetz wurde redimensioniert. Die banale Erkenntnis aus dem ganzen Abenteuer: Der Markt weiss es besser als die Politik.»
swissinfo und Agenturen
Lufthansa-Umsatz 2003: fast 16 Mrd. Euro (24,8 Mrd. Fr.)
Lufthansa-Jahresgewinn 2004: rund 400 Mio. Euro (620 Mio. Fr.)
Lufthansa-Passagiere 2003: 45 Mio.
Lufthansa-Beschäftigte: 90’000
Swiss-Reinverlust 2004: 140 Mio. Fr. (2003: 687 Mio. Fr.; 2002: 980 Mio. Fr.)
Swiss-Umsatz 2004: 3,6 Mrd. Fr.
Swiss-Passagiere 2004: 9,2 Mio.
Swiss-Beschäftigte: 6625
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