Erneutes Hickhack um Stromversorgung
Wie vor einigen Jahren bereits wiederholt sich dieser Tage die Debatte um die Öffnung des Schweizer Strommarktes. Der Grabenkampf geht weiter.
Vom Dienstag bis Donnerstag widmet sich der Nationalrat, die Grosse Kammer der Volksvertreter, dem Thema Elektrizität und Stromversorgung.
Das Seilziehen um die Öffnung des Schweizer Strommarktes geht in die nächste Runde. Nach der Ablehnung des Elektrizitätsmarktgesetzes (EMG) im September 2002 durch das Stimmvolk (52,6% Nein) haben die Behörden ein neues Gesetz ausgearbeitet, das nun ins Parlament kommt.
Doch bevor die Beratungen überhaupt angefangen haben, zeichnet sich bereits ein handfester Streit um das Thema Stromversorgung und Marktöffnung ab.
Während die vorberatende Kommission des Nationalrats den Strommarkt entgegen der Meinung der Landesregierung (Bundesrat) in einem Schritt öffnen will, haben die Gewerkschaften auch gegen diese Vorlage das Referendum angekündigt, mit dem sie bereits 2002 erfolgreich waren.
Monopolistisch organisiert
Das Stromversorgungs-Gesetz (StromVG) soll die Leitplanken zur Öffnung des Schweizer Elektrizitätsmarkts setzen. Dieser ist nach wie vor monopolistisch organisiert, jede Region hat einen eigenen, zum Teil noch staatlich kontrollierten Stromanbieter, der ein so genanntes Versorgungsmonopol besitzt.
Ab 2007 sollen alle Konsumenten ihren Anbieter frei wählen können, wie das beispielsweise heute in der Telefonie bereits der Fall ist. Damit soll sich die Schweizer Gesetzgebung jener der EU annähern, welche die freie Wahl ebenfalls einführen will.
Neue Rahmenbedingungen
Laut der Regierung haben sich die Rahmenbedingungen für die Elektrizitätsversorgung in der Schweiz seit der Ablehnung des EMG verändert. Einerseits habe das Bundesgericht im Juni 2003 das Recht auf Netzzugang durch Dritte anerkannt – gestützt auf das Kartellgesetz. Zweitens nehme die Bedeutung des grenzüberschreitenden Stromhandels zu.
Und drittens sei die Einrichtung eines EU-Strombinnenmarkts konkretisiert und beschleunigt worden. Bis 2007 könnten alle Endverbraucher in der EU ihren Stromlieferanten frei wählen. Die Schweiz als europäische Stromdrehscheibe könne daher bei dieser Entwicklung nicht abseits stehen.
Bürgerliche dafür
Unterstützt wird die Idee einer sofortigen Öffnung von den drei bürgerlichen Parteien in der Regierung. Einzig die Sozialdemokraten sind für eine schrittweise Marktöffnung.
Schützenhilfe erhalten diese von etlichen kleineren städtischen Versorgungswerken und dem Städteverband. Der Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmungen (VSE) ist in dieser Frage gespalten.
Symbol gegen Abbau des Service Public
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen, der bereits das EMG zu Fall gebracht hatte, wertet den damaligen Sieg als Bekenntnis dafür, dass die Bevölkerung einen Abbau des Service Public nicht hinnehmen will.
Die bürgerlichen Parteien würden sich über die Mehrheit eines Volksentscheides hinwegsetzen, ärgern sich die Gewerkschafter. In der Schweiz funktioniere die Stromversorgung gut und die Preise seien im internationalen Vergleich günstig, so der SGB.
Der Gewerkschaftsbund setze sich für eine behutsamere, zweistufige Liberalisierung ein, bei der sich zuerst nur die grossen Strombezüger auf dem freien Markt eindecken dürften. Dies sei das Maximum, das die Gewerkschaften noch tolerieren könnten.
Umstrittene Förderung erneuerbarer Energien
Die Befürworter kontern, die Vorlage aus dem Jahr 2002 sei wesentlich verbessert worden, vor allem für kleine Strombezüger. Zudem seien mit der Förderung von erneuerbaren Energien auch Interessen der Linken ins Gesetz eingeflossen.
So sollen erneuerbare Energien aus inländischer Produktion jährlich mit bis zu 165 Mio. Franken gefördert werden. Diese Stromproduktion soll bis 2030 auf rund 10% des heutigen Elektrizitätsverbrauchs gesteigert werden.
Wirtschaft will schnellere Öffnung
Doch gerade wegen diesen Punkten sind namhafte Stromproduzenten sowie der Wirtschaftsdachverband economiesuisse ebenfalls gegen die Vorlage in der Form, wie sie nun ins Parlament gelangt.
Daher hat economiesuisse kürzlich einen Gegenvorschlag ins Spiel gebracht, der die Liberalisierung noch schneller und tiefgreifender vorantreiben will.
Bereits kursieren Gerüchte, dass economiesuisse und Swisselectric, die Vertreterin der grössten Schweizer Stromanbieter, das Paket bewusst überladen hätten. Sie wollten damit das Referendum provozieren, heisst es in der Presse. Die Verbände weisen den Verdacht von sich.
swissinfo, Christian Raaflaub
Die Vorlage zur Öffnung des Energiemarktes wurde in drei Teile aufgetrennt.
Im Stromversorgungs-Gesetz (StromVG) sollen die Leitplanken für die Öffnung des Strommarktes gesetzt werden.
Mit dem Elektrizitäts-Gesetz (EleG) soll der internationale Strom-Transport an die EU-Vorgaben angepasst werden.
Zudem sollen im Energie-Gesetz (EnG) Massnahmen zur Förderung von erneuerbaren Energien festgelegt werden.
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