«Es war ein kollektiver Schock»
Kein Schweizer Film der letzten Zeit ist mit so viel Spannung erwartet worden wie "Grounding", der am Donnerstag in die Schweizer Kinos kommt.
«Grounding – die letzten Tage der Swissair» beleuchtet den Niedergang der einst stolzen nationalen Fluggesellschaft.
Am 2. Oktober 2001 geschieht das Unfassbare: Die gesamte Flotte der einst zu den Besten der Welt gehörenden Schweizer Fluggesellschaft Swissair bleibt am Boden, die Bilder gehen um die Welt.
Der Schweizer Nationalstolz war buchstäblich am Boden. Denn dieser schwarze Tag läutete das Ende einer Ära ein. Kurz darauf wurden die Reste der Swissair von der kleinen Konkurrentin Crossair übernommen, um zusammen neu als «Swiss» zu starten.
Der Film des Schweizer Regisseurs Michael Steiner konzentriert sich denn auch auf diese letzten Monate vor dem endgültigen Ende, ohne jedoch die geschichtlichen Zusammenhänge und marktwirtschaftlichen Fehler zu vergessen, die den Kollaps erst möglich machten.
Matthias Mölleney, der damalige Personalchef der Swissair, erklärt im Gespräch mit swissinfo, der Film sei eine realistische Interpretation der Fakten. Mölleney, der damals tausende Angestellte entlassen musste, spielt im Film sich selber.
swissinfo: Wie realistisch ist der Film?
Matthias Mölleney: Was die wichtigen Persönlichkeiten gesagt haben und wie sie es gesagt haben, ist so realistisch, wie dies nur möglich ist.
Das Hauptproblem für den Regisseur war, dass er Millionen von Zetteln hatte, worauf stand, wer wann was zu wem gesagt hat. Doch er wusste nicht, ob all dies in einer aggressiven, deprimierten, positiven oder negativen Stimmungslage ausgedrückt wurde.
Ich konnte ihm über die Atmosphäre im Betrieb Auskunft geben. Wie er diese bedrückte Stimmung einfangen konnte, ist beachtenswert.
swissinfo: Wie haben diese Ereignisse Sie damals berührt?
M.M.: Meine persönliche Rolle beginnt, wenn der Film schon fast zu Ende ist, denn jemand musste alle 9000 Angestellten entlassen und die Überführung von der Swissair in die Crossair sicherstellen.
Es war sehr hart, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Es gibt nichts Schlimmeres, als vor Leuten zu sitzen, die man kennt und die eine Familie haben, und ihnen sagen zu müssen: «Ich muss Dich entlassen».
Diese emotionale Zerrissenheit wird immer ein Teil meiner persönlichen Geschichte bleiben.
swissinfo: Wie war die Schweiz damals betroffen?
M.M.: Das Grounding der Swissair verletzte den Nationalstolz der Schweiz. Es war ein kollektiver Schock.
Wenn Sie die Leute drei Wochen vor dem Grounding gefragt hätten, ob die Swissair zusammenbrechen würde, hätten sie gesagt: «Auf keinen Fall, sie wird nie sterben. Man wird eine Lösung finden».
swissinfo: Wie kamen Sie zu der Rolle im Film?
M.M.: Die Filmemacher haben im Rahmen ihrer Recherchen alle betroffenen Persönlichkeiten kontaktiert. Ich war froh, helfen zu können, denn für mich war das Erlebnis nicht so schlimm, dass ich nicht darüber sprechen könnte.
Ich wurde auf das Filmset eingeladen, um zu schauen, ob die Atmosphäre richtig eingefangen wurde. Dort bot mir der Regisseur dann eine Rolle an. Zuerst sagte ich Nein, doch später konnte er mich überzeugen.
swissinfo: Wie gefiel Ihnen die Arbeit als Schauspieler?
M.M.: Es war unterhaltsam, doch Filmemachen kann zum Teil auch sehr langweilig sein, weil es enorm viel Zeit in Anspruch nimmt. Meine Szene dauert zwei Minuten, wir brauchten jedoch ganze zwei Wochenenden, bis sie im Kasten war.
Ich werde auf keinen Fall eine zweite Karriere als Schauspieler beginnen.
swissinfo: Was machten Sie, nachdem Sie sich bei Swissair selber entlassen hatten?
M.M.: Ich hatte einen Job beim Medizinal-Unternehmen Centerpulse, das zwei Jahre später von einer anderen Firma übernommen wurde und dessen Führungs-Etage komplett ausgetauscht wurde.
Dann war ich bei Unaxis, die letztes Jahr aufgekauft wurde. So wurde ich erneut zusammen mit der gesamten Führung entlassen.
In sieben Jahren habe ich für drei Firmen gearbeitet, für neun Konzernchefs und sieben Verwaltungsrats-Präsidenten, und habe dreimal den Job verloren. Wenn das kein Pech ist?
Nun mache ich mich selbständig und will mein eigenes Beratungs- und Ausbildungs-Unternehmen eröffnen.
swissinfo-Interview: Matthew Allen, Zürich
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
«Grounding – die letzten Tage der Swissair» wurde vom Regisseur Michael Steiner und dem Produzenten Peter-Christian Fueter realisiert.
Der Film zeigt die letzten Monate der Swissair, nachdem der frühere Nestlé-Finanzchef Mario Corti im März 2001 das Zepter übernommen hatte.
Der Film beruft sich auf die Fakten, einige Ereignisse sind jedoch zugespitzt und einige Charaktere fiktiv.
Das Duo Steiner/Fueter war letztes Jahr bereits für den Publikumserfolg «Mein Name ist Eugen» verantwortlich, der am Mittwoch an den Solothurner Filmtagen 2006 den Preis für den besten Schweizer Spielfilm gewonnen hat.
Am 2. Oktober 2001 blieben alle Flugzeuge der nationalen Schweizer Fluggesellschaft Swissair am Boden, nach 71 Jahren ununterbrochenem Flugbetrieb.
Das letzte Swissair-Flugzeug landete am 1. April 2002 aus Buenos Aires kommend in Zürich, trotz einem zur Rettung des Unternehmens gesprochenen Überbrückungskredit der Eidgenossenschaft von 450 Mio. Fr. im Oktober 2001.
Die Fluggesellschaft war unter anderem wegen dem Kauf unzähliger Anteile an verlustreichen Airlines, mit denen sie eine Allianz aufbauen wollte, zusammengebrochen.
Die Konkurrentin Crossair übernahm, was von der Swissair übrigblieb und setzte damit den Grundstein für die neue Fluggesellschaft «Swiss», die 2005 von der Lufthansa übernommen wurde.
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