EU bläst zum Angriff im Steuerstreit mit der Schweiz
Die EU-Kommission bezeichnet die Steuerprivilegien für Unternehmen in Schweizer Kantonen wie Zug und Schwyz offiziell als illegal. Die Schweiz verletze das Freihandelsabkommen von 1972.
Der EU-Ministerrat solle deshalb bald Verhandlungen mit der Schweiz aufnehmen. Das sei inakzeptabel, meint der Wirtschaftsverband economiesuisse.
«Die Schweiz profitiert vom erleichterten Zugang zu den internationalen Märkten und muss auch die damit verbundene Verantwortung wahrnehmen», sagte EU-Aussenkommissarin Benita-Ferrero Waldner.
Bei dem von der Kommission gefassten Beschluss gehe es nicht um Steuerwettbewerb, sondern um das Unterlaufen der Spielregeln durch einen Staat. Dem EU-Ministerrat wurde deshalb beantragt, Verhandlungen mit der Schweiz aufzunehmen.
Dieser müsste einstimmig zustimmen. Der für Aussenbeziehungen zuständige Generaldirektor der EU-Kommission, Eneko Landaburu, hatte bereits am vergangenen Wochenende angekündigt, für den nächsten Sommer ein EU-Verhandlungsmandat mit der Schweiz anzustreben.
Die EU stellt sich auf den Standpunkt, dass die Fiskalpraxis einzelner Kantone wie Zug und Schwyz eine ungerechte Wettbewerbsverzerrung durch staatliche Beihilfe darstellt, die den Handel beeinträchtigt.
Das Steuerharmonisierungsgesetz befreit Gewinne aus ausländischen Quellen von Holdings, Verwaltungs- und Gemischten Gesellschaften von der kantonalen Gewinnsteuer. Brüssel sieht darin eine Verletzung des bilateralen Freihandelsabkommens (FHA) von 1972.
Hinweis auf kantonale Steuerhoheit
Es gehe nicht an, dass ausländische Unternehmen ihren Sitz in die Schweiz verlegten, um Steuern zu sparen. Dies sei weder mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 1972 noch mit dem Geist der bilateralen Zusammenarbeit vereinbar.
Die Praktiken gewisser Kantone müssten deshalb aufgehoben werden.
Die Schweiz hat bisher Verhandlungen mit dem Hinweis auf die kantonale Steuerhoheit als juristisch unbegründet zurückgewiesen.
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Bilaterale Abkommen
Finanzminister Merz gibt nicht nach
Bundesrat Hans-Rudolf Merz, Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD), sprach sich gegen jede Konzession aus, da sonst die Schweiz einen Teil ihrer Souveränität preisgebe.
Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse verurteilte den Beschluss der EU-Kommission als unhaltbaren Angriff auf die Schweizer Steuersouveränität.
Das der EU-Kommission im vergangenen März überreichte Rechtsgutachten des Bundesrats zeige klar, dass die kritisierten kantonalen Steuerregimes nicht unter den Geltungsbereich des Freihandelsabkommens fielen.
Sie hätten keinen Einfluss auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr.
Die kantonalen Steuerregimes seien zudem für aus- und inländische Firmen gleichermassen gültig. Sie hätten bereits vor 1972 bestanden und seien bislang nie bemängelt worden.
Nicht Handels-, sondern Steuer-Wettbewerb
Der Verband SwissHoldings, dem 40 grosse Konzerne mit Sitz in der Schweiz und Tochtergesellschaften im Ausland angehören, wirft der EU-Kommission vor, «handfeste Standortinteressen» zu verfolgen.
Es gehe ihr nicht darum, Verzerrungen des bilateralen Warenverkehrs zu beseitigen, sondern um eine Einschränkung des Steuerwettbewerbs.
SwissHoldings erinnert daran, dass die Schweiz mit fast allen EU-Staaten bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen habe. Darin werde geregelt, unter welchen Bedingungen ein Staat die Einkünfte aus dem anderen Staat besteuern dürfe.
Diese Abkommen zeigten, dass nicht so sehr die einzelnen EU-Staaten als die EU-Kommission mit der Schweiz Probleme hätten.
swissinfo und Agenturen
Die Schweiz ist überzeugt, dass die Steuervergünstigungen, welche die Kantone auf Auslandgeschäften von Holdings, Verwaltungs-Gesellschaften und gemischten Gesellschaften gewähren, nicht unter das Freihandelsabkommen mir der EU aus dem Jahr 1972 fallen.
Das Abkommen regelt ausschliesslich den Handel von industriell und landwirtschaftlich gefertigten Gütern.
Die Schweiz hat Verhandlungen im Steuerstreit bisher mit dem Hinweis auf die kantonale Steuerhoheit abgelehnt.
Bern stellt sich auf den Standpunkt, dass bei der Unterzeichnung des Abkommens nicht die Absicht bestanden habe, die Gesetze zu harmonisieren, weder im Bereich Handel, Wettbewerb, noch bei den staatlichen Subventionen.
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