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Exklusive Bierverträge: Kleinbrauer schäumen

Ein Bier nach Feierabend. Wieviel freie Wahl soll es geben? Keystone

Kleine Bierbrauer laufen Sturm gegen Exklusivverträge von Grossbrauereien mit den Wirten.

Die Wettbewerbskommission untersucht nun, ob wettbewerbshemmende Missbräuche vorliegen.

Die Praktiken der grossen Brauereien, die Wirte finanziell langfristig an ihre Biermarken zu binden, sind momentan Gegenstand einer Untersuchung der Wettbewerbs-Kommission. Dies bestätigt deren Sprecher Patrick Ducrey.

Allein beim grössten Schweizer Brauhaus Feldschlösschen, das seit 2000 der dänischen Carlsberg gehört, soll die Summe dieser Verträge die Höhe von mehreren hundert Millionen Franken erreicht haben.

Kartellpraktiken wie in alten Zeiten?

Die kleinen Brauereien werfen den Grossen vor, die Wirte mit Exklusivverträgen an sich zu binden. «Solche Verträge sind ein echter Skandal», ereifert sich Jérôme Rebetez von der «Brasserie des Franches-Montagnes». Seine Kleinbrauerei in Saignelégier im Kanton Jura stellt seit 1997 Bier her.

Eigentlich wurde das langjährige inländische Bierkartell schon 1991 aufgelöst. «Theoretisch hätte jeder Brauer sein eigenes Bier verkaufen sollen. Aber die Praxis zeigt, dass die Grossen den Markt mit Verträgen abriegeln», sagt Rebetez.

Neues Kartellgesetz greift nicht

Das alte Kartellgesetz sah für solche Fälle keine Sanktionen sondern nur Hinweise auf bestehende Missstände vor. Das Gesetz ist in der Zwischenzeit revidiert worden und wird Anfang April 2004 in Kraft gesetzt.

Laut dem Sprecher der Wettbewerbskommision Patrick Ducrey heisst das, dass die neu vorgesehenen Sanktionen ab April 2005 anwendbar wären. Im ersten Jahr nach der Inkraftsetzung wird den Akteuren noch Zeit gelassen, ihr Verhalten dem neuen gesetzlichen Rahmen anzupassen.

Stefan Kaspar, Sprecher von Feldschlösschen, sagt, dass die Bedingungen in den Verträgen mit den Wirten von Fall zu Fall variierten. Doch das Prinzip bleibe stets dasselbe: Die Grossbrauerei gibt dem Wirt Kredite oder stellt ihm Material zur Verfügung.

Immer gehts ums Platzieren der eigenen Biermarken

«Im Gegenzug dazu verpflichtet sich der Wirt, nur unsere Marken auszuschenken», sagt Kaspar. Aushandelbar seien dabei die abgenommene Biermenge und die Laufzeit des Vertrags.

Zu Zeiten des ehemaligen inländischen Bierkartells konnte die Brauerei, die oft die Immobilie besass, in der das Restaurant lag, dem Pächter im Pachtvertrag vorschreiben, exklusiv die eigenen Biermarken zu bevorzugen. Bei der Breite der Immobilien-Portefeuilles der Brauereien zum Beispiel in Stadtzentren wurde damit das Angebot fremder Biere während langer Jahre unterbunden.

«Inzwischen hat sich das Bierkartell unter der internationalen Haube neu konstituiert», ärgert sich Dominique Suchet, der seit 2003 «la Belle de Genève» produziert, ein gewerblich gebrautes Bier. Er spielt damit auf den Aufkauf von Feldschlösschen durch den internationalen Braukonzern Carlsberg an.

Die Vertriebsmöglichkeit des eigenen Biers in der Gastronomie ist überlebenswichtig für die kleinen Brauereien. «Die Wirte wären oft interessiert an unserem Bier, doch ihnen sind wegen der Exklusivverträge mit den Grossen die Hände gebunden», sagt Suchet.

Brauer oder Banker?

«Wir zwingen ja niemanden, den Vertrag zu unterzeichnen», wendet Feldschlösschen-Sprecher Kaspar ein.

Auch die Wirteverbände relativieren die Kritik der Kleinbrauer. Die Verträge kämen einem Bedürfnis entgegen, schätzen der Präsident von Gastrovaud, Frédéric Haenni, und Laurent Terlinchamp, Präsident des Genfer Wirteverbandes.

Denn es sei nicht einfach, eine Finanzierung für die Eröffnung eines Restaurants zu finden. Die Banken machten oft nicht mit, weil sie die Gastronomie als Risikobranche einstuften, so Terlinchamp. So müssten sich die Wirte nach anderen Geldkanälen umschauen, was Exklusivklauseln mit sich bringe.

Die Grossbrauereien ersetzen auf diese Weise die Banken. «Nur: Kann das wirklich ihre Rolle sein?», fragt sich der gewerbliche Brauer Suchet.

Brauer-Zinssatz bleibt ein Geheimnis

«Es würde uns schlecht anstehen, die Grossbrauereien hier zu kritisieren», sagt Terlinchamp. «Sie helfen einer Branche, die Support nötig hat», doppelt Haenni nach. Beide führen aus, die von den Grossbrauern verlangten Zinssätze lägen nicht im Wucherbereich. Doch weder die Wirte noch die Brauer wollen die Kreditkonditionen offen auf den Tisch legen.

Der Wirt halte nach Finanzierungs-Möglichkeiten Ausschau. Und im Gegenzug dazu müsse auch die Grossbrauerei einen Vorteil davon haben, sagt Terlinchamp.

Nur empfinden die Kleinbrauer dies als Zurücksetzung. Die Wettbewerbs-Kommission hat ihr Anliegen aufgenommen. Sie hat eine Untersuchung eröffnet und sollte bis Ende Jahr entscheiden, ob missbräuchliches Verhalten aus einer dominanten Position vorliegt.

swissinfo und Agenturen

Europäische Bierproduktion (jährlich): 320 Mio. Hektoliter (entspricht einem Viertel der Weltproduktion)
Schweizer Bierproduktion: 4,3 Mio. Hektoliter
Schweizer Bierkonsum pro Kopf: 58 Liter 2003 (56 Liter 2002)
Zum Vergleich: Schweizer Weinkonsum pro Kopf: 41 Liter

Marktanteile Schweiz: Feldschlösschen (Carlsberg) 45%, Calanda, Haldengut (Heineken) 20%, Eichhof 8-10%, Kronenbourg Suisse 4-5%

Es gibt in der Schweiz insgesamt 105 Brauereien (grosse, regionale und lokale).

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