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Fairer Handel: Erfolg trotz Spitzenplatz bescheiden

Keystone

Konsumenten, Firmen und Gastronomie sind trotz Rezession weiterhin bereit, für Fairtrade-Produkte einen Aufpreis zu Gunsten von Kleinbauern im Süden zu bezahlen. Die Label-Organisation Max Havelaar vermeldet auch in Europa kleine Erfolge.

Max-Havelaar-Geschäftsleiter Martin Rohner äussert sich moderat zufrieden zum Jahresergebnis 2008. Der Umsatz mit Max Havelaar-zertifizierten Artikeln hat um 3,1 Prozent auf 267,6 Mio. Franken zugenommen.

Das ist weniger als im Vorjahr (16%), doch sei das Engagement der über 160 Schweizer Handelspartner gross und der Trend zu Nachhaltigkeit steigend. Hersteller von Markenartikeln hätten das Potenzial noch nicht erkannt, räumt Rohner ein.

Im Detailhandel verkaufen sich Bananen nach wie vor am besten – mehr als jede zweite stammt aus fairem Handel. Hohen Umsatz bringen Rosen und neuerdings Fruchtsäfte auf Grund der Zusammenarbeit mit Firmen wie Michel und Rivella. Personalrestaurants von namhaften Unternehmen beziehen Fairtrade-Artikel, Gastronomie-Lokale machen mit, und bei McDonald’s wird ebenso Max-Halevaar-Kaffee eingeschenkt wie bei den Sunstar-Hotels.

«Ausserhaus-Kaffee»

Es ist diese Masse des Ausserhaus-Konsums, dank der Max Havelaar den Umsatz mit Kaffee halten kann – der Fairtrade-Marktanteil beträgt hier nur knapp 5 Prozent (4,6%). Im Detailhandel ist Bohnenkaffee allgemein rückläufig, denn in Privathaushalten boomt Kapselkaffee, und der stammt grösstenteils nicht aus Fairtrade-Produktion.

«Kaffee verbinden die meisten Konsumenten mit Marken, deshalb haben die Max Havelaar-Sorten einen schweren Stand», kommentiert Martin Rohner. Doch die Gastronomie-Strategie greife: Über 60 Röstereien belieferten die Grossbetriebe mit Fairtrade-Kaffee, und Ziel sei es, «einen Marktanteil von 10 Prozent zu schaffen». Bei Honig und Zucker beträgt der Anteil 15 Prozent, während er bei Kakao und Schokolade mit 0,5 Prozent kaum ins Gewicht fällt.

Internationaler Vergleich

Anders in Grossbritannien: Cadbury etwa bezieht neuerdings für seinen Schokoriegel fairen Kakao aus Ghana. Überhaupt erzielte Grossbritannien 2008 den grössten Fairtrade-Umsatz (880 Mio. Euro), gefolgt von den USA, Frankreich und Deutschland. Dass der Markt rasant wächst, zeigen die letzten drei Jahre: 2008 wurden weltweit zertifizierte Fairtrade-Produkte im Wert von 2,89 Mrd. Euro verkauft (Zunahme von 22%), 2006 waren es 1,6 Mrd. Euro.

Max Havelaar zu Folge bleibt die Schweiz das Land mit dem höchsten Fairtrade-Pro-Kopf-Konsum. Mit 38 Franken pro Jahr ist er aber bescheiden.

Für Bauernorganisationen in armen Ländern zahlt sich das trotzdem aus: Produzenten, die Max Havelaar-zertifizierte Waren in die Schweiz verkauften, erzielten 2008 Direkteinnahmen von 61 Mio. Franken, rund 14 Prozent mehr als sie im konventionellen Handel erhalten hätten. Prämien von 5,7 Mio. Franken flossen in Projekte wie Ausbildung, medizinische Versorgung und Infrastruktur.

Krisensicherer

«Fairer Handel ist gerade in der Wirtschafts- und Ernährungskrise für die Kleinbauern und Arbeiterinnen im Süden von enormer Bedeutung», betont Rohner. Hohe Lebensmittelpreise hätten die Lage massiv verschlechtert, zudem ging in Folge des Klimawandels mancherorts die Produktivität zurück.

Bauernorganisationen im Fairtrade-System würden jedoch etwas abgefedert, denn Fairtrade-Kanäle seien durch langjährige Handelsbeziehungen stabiler, vor allem seien Mindestpreise garantiert. Überlebenswichtig ist dies, wenn die Verkaufszahlen von Baumwolle oder Reis einbrechen.

Die meisten Kleinbauern im Süden können die strengen Kriterien für eine zertifizierte Produktion jedoch nicht erreichen, sagt Geert van Dok, Leiter der Fachstelle Entwicklungspolitik bei Caritas und Präsident von Max Havelaar Schweiz: «Wir können nur in Ländern tätig sein, in denen gewisse Strukturen und Organisationen bestehen, aber kaum in den ärmsten.»

Viera Malach, InfoSüd/swissinfo.ch

Trotz des weltweiten Booms ist der Fairtrade-Anteil im totalen Welthandel marginal: 0,03 Prozent, im Agrargütermarkt mit 0,4 Prozent etwas mehr. Geert van Dok von Caritas und Max Havelaar Schweiz fordert generell mehr Fairness auf den lokalen regionalen Märkten im Süden und Osten, die auch staatlich sowie von Entwicklungsagenturen gefördert werden soll.

Bei Max Havelaar plädieren van Dok und Martin Rohner von Max Havelaar für ein nachhaltiges Beschaffungswesen: Die öffentliche Hand in der Schweiz sei im Gegensatz zu Konsumenten und Firmen wie auch zum Ausland sehr zurückhaltend.

Van Dok möchte eine Verordnung «à la bio suisse»: Sie solle die vielen «Light-Labels» von der kontrollierten Fairtrade-Produktion trennen. Die Max-Havelaar-Stiftung, 1992 von Brot für alle, Caritas, Fastenopfer, Helvetas, Heks und Swissaid gegründet, betreibt selbst keinen Handel, sie vergibt ihr Gütesiegel nach strengen Kriterien.

Rund 750 Produktionsgruppen sind in der internationalen Fairtrade-Dachorganisation FLO vereinigt.

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