Fallen die Auto-Preise?
Der Kauf eines Autos soll in der Schweiz billiger werden. Die Wettbewerbs-Kommission verpflichtet die Autohändler, Parallelimporte von Fahrzeugen aus dem EWR-Raum künftig zuzulassen.
Die Auto-Importeure dämpfen die Hoffnungen auf Preissenkungen.
Mit der Öffnung des Automarktes will die Wettbewerbs-Kommission (Weko) dem Umstand entgegenwirken, dass Fahrzeuge des gleichen Typs wegen exklusiven Absprachen zwischen Produzenten und Importeuren in der Schweiz beträchtlich teurer verkauft werden als in anderen europäischen Ländern.
Druck auf Preise
Vom Verbot, Parallelimporte mittels Absprachen zu verhindern, erhofft sich Weko-Vizedirektor Patrick Krauskopf tendenziell niedrigere Auto-Preise in der Schweiz. «Der Schweizer Endkonsument soll ohne Probleme, ohne Behinderungen Autos im Ausland, im europäischen Wirtschaftsraum kaufen können», sagt Krauskopf gegenüber swissinfo.
Aber auch der Schweizer Garagist, der sogenannte Wiederverkäufer, soll aus dem Ausland Autos importieren können. Er muss also die Autos nicht mehr wie bisher beim Generalimporteur für die Schweiz beziehen.
«Durch den Parallelimport von Autos im Ausland, wo möglicherweise die Marchen niedriger sind als in der Schweiz, sollte ein gewisser Druck auf die Endkonsumenten-Preise hier bei uns ausgeübt werden», sagt Krauskopf.
Die Weko verpflichtet zudem die Automobilindustrie, den Mehrmarken-Vertrieb zuzulassen. So dürfen die Händler fortan mehrere Marken in den gleichen Verkaufsräumen anbieten.
Verkäufer muss nicht mehr reparieren
Neu wird die Kraftfahrzeugindustrie auch verpflichtet, den Verkauf und den Kundendienst zu trennen. Damit sind Autoverkäufer nicht mehr länger verpflichtet, Serviceleistungen nach dem Verkauf selber anzubieten.
«Der Autoverkäufer soll freiwillig entscheiden können, ob er Garagist spielen möchte betreffend dieser Autos. Wenn er nicht will, kann er diese Aufgaben Dritten delegieren», so Krauskopf zu swissinfo.
Und diese Dritten, unabhängige Garagisten, sollen an Ersatzteile, an das technische Know how herankommen können, um selbstständig, auch als Konkurrent zu den zugelassenen Werkstätten, auf dem Markt möglicherweise billigere, innovativere Reparaturen vorzunehmen.
Neue Vertriebskanäle
Durch die Trennung von Verkauf und Kundendienst eröffnen sich neue Möglichkeiten im Vertrieb, wie zum Beispiel über Internet oder im Supermarkt. Solche Anbieter können Fahrzeuge anpreisen und verkaufen, obwohl sie keine Reparaturen anbieten.
Alles in allem hofft Weko-Vizepräsident Krauskopf, dass sich die Schweiz von der sogenannten Hochpreisinsel zu einem Durchschnittsland in Sachen Automobil-Preise entwickelt.
Bei Verstössen wird die Weko ein Verfahren eröffnen und dann eine entsprechende Verfügung erlassen, wie Krauskopf sagt. Die Regelungen gelten ab 1. November 2002, gewähren dem Autogewerbe aber eine Übergangsfrist bis Anfang 2005. Sie stünden in Harmonie mit den entsprechenden Verordnungen der EU, die Ende September in Kraft traten.
Keine Umwälzung des Sektors
Der Präsident des Verbandes der Schweizer Automobil-Imoporteure (Auto-Schweiz), Tony Wohlgensinger, relativierte die Auswirkungen der neuen Richtlinien. Die von der Weko vorgeschlagenen Regeln seien «nichts Verrücktes». Vieles darin sei heute schon Praxis.
Wohlgensinger dämpft die Erwartungen nach grossen Preissenkungen. In der EU hätten entsprechende Massnahmen auch keine wesentlichen Preisschwankungen zur Folge gehabt. Er erinnert daran, dass im Schnitt 40% eines Auto-Preises Schweizer Wertschöpfung seien.
Ähnlich tönt es beim Autogewerbe-Verband der Schweiz (AGVS). Für Präsident Roland Ayer hat sich die Weko an den EU-Richtlinien orientiert und ist nicht darüber hinaus gegangen.
«Mit dem Entscheid der Weko können wir leben», sagt Ayer gegenüber swissinfo. Allerdings geht er davon aus, dass die Veränderungen den Konkurrenzdruck in der Schweiz weiter erhöhen.
Kein Garage-Sterben
Von einem «Garage-Sterben», das im Vorfeld des Weko-Entscheides von Seiten des AGVS zu hören war, will Ayer heute nichts mehr wissen.
«Jeder Betrieb, der heute finanziell und strukturell gesund ist, hat alle Chancen, zu überleben.» Lediglich jene, «die heute ganz schwach sind», würden natürlich noch mehr Schwierigkeiten haben.
Positiv auf die Weko-Bekanntmachung reagiert der Schweizerische Carosserieverband (VSCI). Er begrüsst die Liberalisierung und Öffnung des Marktes vor allem deshalb, «weil der Schweizer Automarkt horizontal und vertikal kartellistisch organisiert ist».
Die im Reparaturmarkt tätigen VSCI-Mitgliedsbetriebe erwarten positive Auswirkungen auf ihr Geschäft. Sie wollen mit erweiterten Service-Angeboten für Endkunden Marktanteile gewinnen.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Zentrale Punkte:
Verpflichtung der Kraftfahrzeug-Industrie, Parallelimporte von Autos aus dem EWR-Raum zuzulassen
Trennung von Verkauf und Kundendienst
Vereinfachung des Verkaufs und der Parallelimporte von Ersatzteilen
Verpflichtung der Auto-Industrie, Mehrmarken-Vertrieb zuzulassen
Die Wettbewerbs-Kommission (Weko) hat ihre im August angekündigte Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung von vertikalen Absprachen im Automobilhandel nach einer Vernehmlassung bei den betroffenen Verbänden und Unternehmen verabschiedet und auf Anfang November in Kraft gesetzt.
Damit wird unter den vertikalen Absatzsystemen zwischen Lieferanten und Händlern eine der vom Handelsvolumen und den Konsumenten-Preisen her gewichtigsten Branchen so ins Kartellrecht gefasst, dass deutlich mehr Wettbewerb entstehen soll.
Die Weko erhofft sich tendenziell niedrigere Auto-Preise. Die Auto-Importeure ihrerseits dämpfen diese Hoffnungen.
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