Familienunternehmen, heimliche Börsenstars
Fast 90% aller Unternehmen in der Schweiz sind in Familienbesitz. Von den 20 grössten Firmen an der Börse sind 6 Familienunternehmen.
Ihre Trümpfe sind langfristige Strategien, die solide Finanzierung und die Stetigkeit der Gewinne, wie eine Studie zeigt.
Familienunternehmen würden als solide und träge gelten, so Urs Fueglistaller, Direktor des Instituts für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen.
Die Realität aber ist eine andere: Die Aktien dieser Unternehmen haben sich in den letzten 14 Jahren überdurchschnittlich entwickelt und den weiter gefassten Swiss Performance Index (SPI) geschlagen. Für informierte Anleger können diese Papiere also mindestens ebenso interessant sein wie die Blue Chips.
Das ist ein Resultat einer Studie, in der das Institut im Auftrag des Prüf- und Beratungsunternehmens Ernst & Young die Bedeutung, Eigenheiten und Performance von börsenkotierten Schweizer Familienunternehmen unter die Lupe genommen hat.
Über ein Drittel aller 268 an der Schweizer Börse (SWX) kotierten Unternehmen sind in Familienhand. Diese wurden in der Untersuchung in einem eigens kreierten «Family-Index» zusammengefasst.
Ein Drittel der Börsen-Titel
Dazu gehören auch rund ein Drittel der «Grossen»: Von den 20 grössten Blue Chips des enger gefassten Swiss Market Index (SMI) befinden sich sechs Unternehmen unter der Kontrolle einer Familie. Von den total 26 Titel des Swiss Market Index sind es neun Familien-Unternehmen.
So Julius Bär, Kudelski, Roche, Swatch oder Unaxis. Die Gründe für den Börsenerfolg der Unternehmen in Familienhand: Stabile Gewinne, solide Finanzierung mit höherem Eigenkapitalanteil, Engagement der Familie mit eigenen Werten und eine langfristige Geschäftspolitik.
Grosse Kurssprünge
Während sie in Wachstumsphasen der Börse überdurchschnittlich zulegten, gingen sie bei schrumpfenden Märkten aber auch «mindestens so stark» zurück wie der Durchschnitt, heisst es in der Studie.
Unerwartet hoch sei aber die Volatilität der Aktienkurse gewesen, was der festgestellten langfristigen Orientierung und Gewinnstabilität der Familienunternehmen eher widerspricht. Während sie in Wachstumsphasen der Börse überdurchschnittlich zulegten, gingen sie bei schrumpfenden Märkten «mindestens so stark» zurück wie der Durchschnitt.
Vor diesem Hintergrund sei verständlich, dass Familienunternehmen einer Öffnung gegenüber dem Kapitalmarkt und dem Ziel der Aktienkurssteigerung so kritisch gegenüberstehen.
Grundsätzlich stehen sie oft vor den gleichen Herausforderungen wie Unternehmen im Publikumsbesitz, kommt die Studie zum Schluss. Doch Familienunternehmen haben auch ganz spezifische Eigenheiten und Probleme, wie die Autoren aufzeigen.
Familienkonflikte als Risiko
Familienmitglieder, die sich als Manager in operativen Funktionen als unfähig erweisen, bleiben oft auf ihrem Posten. Im Gegensatz zu Manager-geführten Unternehmen, wie Peter Bühler, Geschäftsleitungsmitglied von Ernst & Young, ausführte.
Veränderungen in der Vermögenslage können zu Zwistigkeiten innerhalb der Familie führen, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass das Unternehmen handlungsunfähig wird. Und schliesslich ist die Nachfolgeplanung von grosser Bedeutung.
Die echten Prüfsteine für eine erfolgreiche Nachfolge sind laut Bühler dabei aber nicht Steuern, Recht oder Finanzierung, sondern die Beilegung von Konflikten innerhalb der Familie.
Positive EU-Erweiterung
«Die EU-Osterweiterung bedeutet für Schweizer Familienunternehmen eine Erweiterung des Marktes», beurteilt Peter Bühler die mittelfristigen Aussichten. Dadurch werde die Bedeutung von EU-Standards zunehmen.
Die Wirtschaft in der EU sei ebenfalls durch einen hohen Anteil an solchen Unternehmen gekennzeichnet. Besonders für Familienunternehmen mit Holdingstrukturen sei die Schweiz und mit ihrem Steuersystem ein attraktiver Standort, so der Experte weiter.
In den Kreis der Familienunternehmen wurden diejenigen aufgenommen, bei welchen 20% der Stimmrechte im Besitz einer Familie oder einer Einzelperson sind. Dies aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit, so Urs Fueglistaller.
swissinfo und Agenturen
An der Schweizer Börse sind 99 Familienunternehmen kotiert.
80% davon bestehen aus drei Gesellschaftern und rund zehn Aktionären.
In 63% der Fälle hält die Familie das ganze Aktienpaket.
Nur 2,7% aller Besitzer-Familien halten weniger als 50% des Kapitals.
Im Verwaltungsrat sitzen durchschnittlich 3,3 Personen, von denen 2,2 von der Unternehmerfamilie bestimmt wurden.
Bei zwei Dritteln der Familien-Unternehmen besteht der Verwaltungsrat ausschliesslich aus Familienmitgliedern.
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