Freihandel USA-Schweiz unter der Lupe

Ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA hätte für beide Länder grosse Vorteile, sagt ein unabhängiger Bericht.
Gleichzeitig zeigt dieser Report auch auf, dass ein solches Abkommen nur «unbedeutende» Auswirkungen auf das Wachstum der Schweizer Wirtschaft hätte.
Das Institut für internationale Wirtschaft, ein Forschungszentrum mit Sitz in Washington, hat die Resultate eines Berichtes präsentiert, der im Januar veröffentlicht wird. Dann werden Wirtschaftsminister Joseph Deiss und der US-Handelsbeauftragte Rob Portman die Entscheidungen ihrer Regierungen bekannt geben, ob ein Freihandelsabkommen abgeschlossen wird – oder nicht.
Ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA könnte das Bruttoinlandprodukt (BIP) beider Staate um jährlich 1,1 Mrd. Dollar steigern, was 0,5% des BIP der Schweiz entspricht,
Die von der Schweizer Regierung finanzierte 400-seitige Studie prognostiziert weiter eine mögliche Steigerung des Warenaustausches zwischen den beiden Ländern um 20% bis 100% und die Steigerung von US-Direktinvestitionen in der Schweiz um ungefähr 40%.
Die Wissenschafter kommen zum Schluss, dass ein Abkommen für beide Seiten Vorteile hätte.
Zugeständnisse auf beiden Seiten
Beide Seiten müssten aber auch grössere Zugeständnisse machen. «Die Schweiz wird einige Ergebnisse dieser Studie nicht besonders mögen», sagte der Direktor des IIE, Fred Bergsten.
Er sei aber zuversichtlich, dass der US-Handelsbeauftragte Robert Portman einiges bewirken könne. Portman ist zugleich Vorsitzender des Kongressausschusses «Freunde der Schweiz».
Die Studie in Washington entgegengenommen hat Jean-Daniel Gerber, Staatssekretär im Volkswirtschaftsdepartement in Bern. Er sagte, ein mögliches Freihandelsabkommen biete «die einzigartige Chance, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf den höchsten Stand der Zusammenarbeit der Geschichte» zu bringen.
Bauern könnten unter die Räder kommen
Als «kritische Punkte» bezeichnete Gerber in seiner Rede die Landwirtschaft und die Zusammenarbeit mit der Welthandelsorganisation (WTO). Dabei sei aber zu beachten, dass die Landwirtschaft in der Schweiz nur 2% des schweizerisch-amerikanischen Handels ausmache.
Ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Schweiz sei ergänzend zu den Abkommen des WTO und würde die Liberalisierung des Marktes zwischen den beiden Ländern beschleunigen. Die Experten vom IIE schlagen in ihrer Studie vor, 95% des Handels mit gewerblichen und industriellen Erzeugnissen zwischen beiden Staaten sofort zu liberalisieren.
Für andere Sektoren – namentlich die Landwirtschaft – schlagen sie dagegen Übergangsfristen vor, bevor der Agrarmarkt total geöffnet wird. Es müssten für «sensible Produkte» Mechanismen zu deren Rettung eingeführt werden. Für die Wissenschafter stellt die Landwirtschaft die eigentliche «Knacknuss» für ein Freihandelsabkommen dar.
Wichtige Handelspartner
Gerber wiederum verwies darauf, wie wichtig die Wirtschaftsbeziehungen für beide Staaten seien: «Die USA sind als Handelspartner für uns wichtiger als Frankreich oder Grossbritannien.»
Die Schweiz sei einer der grössten Direktinvestoren in den USA, die Amerikaner seien bei den Direktinvestitionen in der Schweiz sogar die Nummer eins. Für die Schweizer Exportwirtschaft seien die Vereinigten Staaten nach der EU der zweiwichtigste Markt, sagte Gerber.
Gerbers Chef, Bundesrat Joseph Deiss, hatte im April vom Gesamtbundesrat den Auftrag erhalten, mit den USA ein Freihandelsabkommen auszuloten. Konsumentenschützer und Bauern wehren sich gegen ein solches, auch weil sie fürchten, dass damit die Schweiz mit Gentech-Nahrungsmitteln überschwemmt werden könnte.
swissinfo, Marie–Christine Bonzom und Agenturen
Mit einem Anteil von 10% sind die Vereinigten Staaten hinter Deutschland (20,6%) der zweitwichtigste Exportmarkt für die Schweiz. Es folgen Frankreich und Italien.
2004 haben die Exporte von Schweizer Gütern und Dienstleistungen aus den USA 14,2 Mrd. Franken betragen.
Die Einfuhren hatten einen Wert von 5,7 Mrd. Franken.
Die Schweizer Uhrenindustrie sowie die pharmazeutische und chemische Industrie wären die grossen Gewinner bei einem Freihandelsabkommen USA-Schweiz.
Die Landwirtschaft wäre hingegen auf der Verlierer-Seite.
Die USA könnten Getreide und Rindfleisch auf den Schweizer Markt bringen zu Preisen, niedriger als die Schweizer Gestehungspreise.
Den Amerikanern sind die Schweizer Landwirtschafts-Subventionen ein Dorn im Auge.
2006 werden die USA und die Schweiz beschliessen, Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufzunehmen oder nicht.

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