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Freihandels-Abkommen der EFTA am Pranger

Laut NGO profitieren Bauern in Asien keineswegs von Freihandels-Abkommen. Keystone

Die Erklärung von Bern sowie Forscher aus Indonesien und Thailand kritisieren Abkommen der Europäischen Freihandels-Assoziation, der die Schweiz angehört, mit Entwicklungsländern.

Speziell die Klausel über das geistige Eigentum wird angeprangert.

Auf Einladung der Nichtregierungs-Organisation (NGO) Erklärung von Bern (EvB) weilten Vertreterinnen und Vertreter aus Indonesien und Thailand in der Schweiz, um vor den ihrer Meinung nach negativen Auswirkungen der zukünftigen Abkommen der Europäischen Freihandels-Assoziation (EFTA) für diese Länder zu warnen.

Die EFTA-Länder müssten ihre Forderungen gegenüber Thailand und Indonesien überdenken und dabei die elementaren Menschenrechte höher gewichten als den eigenen wirtschaftlichen Vorteil, forderte die Delegation.

EFTA-Abkommen zu früh für Indonesien

Alexander C. Chandra vom Institute for Global Justice (IGJ) in Indonesien betonte an einer Pressekonferenz in Bern, dass ein Freihandels-Abkommen zwischen der EFTA und Indonesien, welches zur Zeit geprüft wird, für sein Land zu früh komme.

Bevor man in Indonesien weiter liberalisiere, sollten zuerst die Auswirkungen des Freihandels-Abkommen mit den Staaten der Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN), welches erst 2008 richtig in Kraft gesetzt wird, abgewartet und analysiert werden.

Es bestehe sonst die Gefahr, dass viele Sektoren der indonesischen Wirtschaft in einen internationalen Wettbewerb treten müssten, den sie nur verlieren könnten. Der Verlust von unzähligen Arbeitsplätzen wäre die Folge.

Gefährliche Liberalisierung der Finanzmärkte

«Eine spezielle Gefahr geht von der Liberalisierung der Finanzmärkte aus», sagte Revrisond Baswir von der Gadjah Mada Universität in Yogyakarta, Indonesien. «Die Lehren der Asienkrise sollten in diesem Bereich zu besonderer Vorsicht mahnen.»

Die Verhandlungen über ein EFTA-Freihandels-Abkommen mit Indonesien laufen seit 2004. Vertreter indonesischer Organisationen haben gefordert, dass die Behörden von Jakarta ein solches Abkommen ablehnen.

Aids-Patienten als mögliche Verlierer

Die Verhandlungen über ein Freihandels-Abkommen zwischen den EFTA-Staaten und Thailand sind bereits im Gang. Zu den Verlierern eines solchen Abkommens könnten laut Jiraporn Limpananont von der Chulalongkorn Universität in Bangkok insbesondere die Aidspatienten in Thailand gehören, deren Zugang zu billigeren Medikamenten erschwert wird.

Zu Problemen führten insbesondere die EFTA-Forderungen für eine Verlängerung des Patentschutzes sowie den exklusiven Schutz der Daten, die für die Registrierung eines Medikamentes eingereicht werden müssen.

«Ein Staat mit 560’000 Menschen, welche durch den HIV-Virus infiziert sind, darf in seinen Möglichkeiten, billige Medikamente abzugeben, nicht eingeschränkt werden», so Limpananont.

Kritik an Landwirtschafts-Bestimmungen

Witoon Lianchamroon, Direktor der thailändischen NGO Biothai, wies darauf hin, dass mögliche EFTA-Forderungen nach einem Patentschutz für Pflanzen und Tiere den Zugang zu Saatgut und Lebensmittel erschweren und die Macht der transnationalen Konzerne stärken würden.

Zum Glück gebe es aber Hinweise, dass die EFTA von früheren Forderungen im Biotech- und Saatgutbereich nun abgerückt sei.

Über die WTO hinaus

Laut der EvB versuchen die EFTA-Staaten, auf bilateraler Ebene Abkommen abzuschliessen, die über diejenigen der Welthandels-Organisation (WTO) hinausgingen. Insbesondere mit Thailand dürften aber Bestimmungen beim geistigen Eigentum nicht über das TRIPS-Abkommen der WTO hinausgehen (TRIPS-Plus), fordert die EvB. TRIPS-Plus regelt beispielsweise den Schutz von Testdaten oder die Verlängerung der Patentschutzdauer.

Die Vorwürfe der EvB weist das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) zurück. Die EFTA-Freihandels-Abkommen seien für Ausgewogenheit zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Bevölkerung. Zudem bestreitet Christian Etter, im seco zuständig für die EFTA, dass die EFTA-Abkommen über jene der WTO hinausgingen.

Dazu Marianne Hochuli von der EvB gegenüber swissinfo: «Wenn dem so wäre, müsste man sich fragen, wieso die EFTA-Staaaten dann überhaupt an solchen Abkommen interessiert sind. Dann könnte man das ja innerhalb der WTO tun.» Das Problem dabei sei, dass die Abkommens-Texte nicht offengelegt würden.

Lobbyarbeit

Nachdem die Vertreterinnen und Vertreter aus Indonesien und Thailand Schweizer Parlamentariern und Vertretern der Bundesverwaltung ihre Anliegen vorbringen konnten, reisten sie nach Liechtenstein weiter. Später besuchen sie noch Norwegen.

«Wir hoffen, dass die kontaktierten Personen in der Schweiz sensibilisiert worden sind und die Verhandlungen nun aus der Nähe verfolgen können.» Wahrscheinlich werde es aber kaum gelingen, im Fall von Indonesien ein Freihandels-Abkommen zu verhindern. «Ein Abkommen, das der Bevölkerung nicht schadet, wäre aber schon ein Erfolg.»

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Ursprüngliches Ziel der 1960 gegründeten und in Genf domizilierten Europäischen Freihandels-Assoziation (EFTA) war es, im Handel unter den Mitgliedstaaten die Zölle auf Industrie-Erzeugnisse und später für den Dienstleistungssektor zu beseitigen.

Im Unterschied zur Europäischen Union (EU) ist die EFTA keine Zollunion. Das heisst, dass die einzelnen EFTA-Staaten ihre Zolltarife und andere aussenhandelspolitische Massnahmen grundsätzlich gegenüber Nicht-EFTA-Staaten selbst festlegen können.

Seit den 90er-Jahren dient die EFTA ihren Mitgliedstaaten als Plattform für die gemeinsame Aushandlung von Freihandels-Abkommen mit Drittstaaten.

EFTA-Mitglieder sind heute die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein.

Im EFTA-Raum leben 12,4 Mio. Menschen.

Die durchschnittliche Arbeitslosenrate beträgt 4,2%.

Das Gesamt-Bruttoinlandprodukt der EFTA beträgt 620 Mrd. Dollar (756,4 Mrd. Fr.)

Die EFTA ist der neuntgrösste Wirtschaftsraum.

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