Friedman auf fünf, Goethe auf acht Seiten
Die Luzerner Firma Getabstract fasst Bücher auf wenige Seiten zusammen und verkauft diese per Internet an gestresste Manager in internationalen Firmen.
Der Schwerpunkt liegt bei ökonomischer Fachliteratur, am meisten heruntergeladen wird aber die Bibel auf fünf Seiten.
Bei der Gründung 1998 hiess die Firma noch Getabstract.com. «Das Dotcom haben wir schon nach einem Jahr aus dem Firmennamen gestrichen, noch bevor die Internet-Blase platzte», lacht Thomas Bergen, Mitgründer der Firma, im Gespräch mit swissinfo.
Das Ende der New Economy hat der Firma nicht den Schlag versetzt, den viele andere Internet-Business-Modelle in den Ruin trieb. Die Geschäftsidee ist denn auch grundsolid: Die Firma fasst Bücher zusammen und verschickt die Zusammenfassungen – neudeutsch «Abstracts» genannt – an die Kunden.
Erstellt werden die Zusammenfassungen auf Deutsch, Englisch – die laufen am besten – sowie auf Spanisch und Chinesisch.
Topmanager im Visier
«Unser Zielpublikum war zuerst mittleres und oberes Kader», sagt Bergen, «aber unterdessen lesen auch KV-Angestellte der Firmen unsere Abstracts.»
Gerade Menschen, die selten Bücher lesen, hätten weniger Berührungsängste mit Zusammenfassungen. «Viele Nutzer sehen das als Weiterbildung», sagt Bergen. Jedes Abstract kann in weniger als zehn Minuten gelesen werden.
Man kann das Abstract auf einen Handheld-Computer herunterladen oder als PDF-File. Nach dem Drucken hält man fünf Seiten in den Händen. Ergänzt werden die Zusammenfassungen mit einigen Worten zu Autor oder Autorin.
Globalisierung und anderes für Manager
Angeboten werden mittlerweile Zusammenfassungen von über 2300 Büchern. Die Themen umfassen Führung, Strategie, Marketing, Finanzen, Personalwesen, Technologie, KMU und Branchen.
Besonders beliebt seien, so Bergen, Titel wie Naomi Kleins «No Logo» oder Milton Friedmans «Kapitalismus und Freiheit».
«Unsere Kunden wollen die Argumente der Globalisierungskritiker kennen», sagt Bergen. «Am meisten heruntergeladen wurde aber bis jetzt die Bibel.»
Grosse Firmen als Kunden
Zu den Lesern gehört beispielsweise Armin Fehr, Leiter des Migros-Kundendienstes. «Dieser Service erlaubt mir, mich sehr effizient in ein Thema einzuarbeiten», sagt er gegenüber swissinfo.
Auf Grund der rund 30 Abstracts, die Fehr gelesen hat, kaufte er bereits fünf Bücher. «Dieser erste Eindruck genügt, um zu entscheiden, ob sich ein Buch lohnt oder nicht.»
Der grösste Schweizer Detailhändler ist nur einer von vielen bekannten Namen auf der Kundenliste von Getabstract: Die Walldorfer Softwareschmiede SAP, die Revisoren Ernst & Young, die Versicherung Swiss Re, die Deutsche Post, Daimler Chrysler und die beiden Schweizer Grossbanken UBS und CS stehen ebenfalls darauf.
Rund ein Viertel der Kunden sind Privatpersonen, die für den Zugang pro Jahr 159 Euro bezahlen.
Auch die ETH Zürich bietet den Studentinnen und Studenten seit letztem Herbst die Luzerner Abstracts an. «Eine Zusammenfassung hat grosse Vorteile», sagt Hanspeter Schwarz, Leiter der Bibliothek des Betriebswissenschaftlichen Instituts der ETH.
Aber: «Die ETH-Bibliothek ist nur Vermittler der Information von Getabstract. Was für die Studierenden der Nutzen ist, wissen wir nicht.» Damit unterscheiden sich die Abstracts jedoch nicht von der herkömmlichen Buchausleihe: «Ob jemand ein Buch ganz liest, nur daraus zitiert oder es nicht anrührt, das wissen wir nie», sagt Schwarz.
250’000 Downloads pro Monat
Sammlungen von jeweils vier Abstracts gibt es sogar auf CD als Hörbuch – produziert zusammen mit Schweizer Radio DRS1.
Auch sonst hat Getabstract keine Berührungsängste mit andern Firmen und Medien: Die Firma schreibt Buchbesprechungen für mehrere Zeitungen und bestreitet Sendungen auf zwei deutschen Fernsehkanälen. Das Engagement im TV-Bereich müsse allerdings vorerst noch quersubventioniert werden, gesteht Bergen ein.
Wie viel Geld die Luzerner Firma erwirtschaftet, will er nicht verraten. Nur soviel: «Der Breakeven ist seit Längerem erreicht.»
Die Nutzerzahlen lassen ihn zuversichtlich in die Zukunft blicken. Jeden Monat würden über 250’000 Abstracts heruntergeladen, «Tendenz stark steigend».
Copyright-Lösung und freie Mitarbeiter
Neuerscheinungen werden von Bergen und seinen Mitarbeitern nach einem Ranking-System begutachtet. Soll ein Buch zusammengefasst werden, kauft Getabstract die Rechte beim Verlag. 120 freie Mitarbeiter, fast alles Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten, fassen pro Jahr um die 500 bis 600 neue Bücher zusammen.
Neuerdings wagt sich die Firma auch an die grossen Literatur-Klassiker: Einige Dutzend wurden bereits zusammengefasst und sollen im März veröffentlicht werden.
Schriften von Plato, David Humes, Charles Darwin, Sigmund Freud oder Johann Wolfgang Goehtes «Werther» gibt es dann als Zusammenfassung.
«Allerdings», sagt Bergen, «nicht auf fünf Seiten wie die andern Abstracts, sondern auf acht Seiten.»
swissinfo, Philippe Kropf
Zusammenfassungen von bisher 2300 Büchern
Wirtschaftsbücher auf 5 Seiten, Literatur-Klassiker auf 8 Seiten
Lieferung per Mail als PDF oder für Handheld
Die Luzerner Firma Getabstract fasst Wirtschaftsbücher auf fünf Seiten zusammen und verkauft diese Zusammenfassungen übers Internet.
Zielgruppen sind gestresste Manager und Studierende, aber auch normale Angestellte, die sich weiterbilden wollen.
Die Kunden erhalten gemäss ihren Interessen ein Abstract pro Woche per Mail. Weitere Titel können heruntergeladen werden.
Rund 120 freie Mitarbeiter, meist Wirtschafts-Journalisten, fassen jährlich um die 50 Bücher zusammen.
Im März sollen auch Zusammenfassungen von deutschsprachigen Klassikern erscheinen.
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