Für den Tank statt für den Teller produzieren?
Der Trend zu Biotreibstoffen könnte auch für die Schweiz Folgen haben. Laut dem Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft ist es jedoch unwahrscheinlich, dass es zu einer Verdrängung der Nahrungsmittel-Produktion kommt.
Noch vor kurzem als Zaubermittel im Kampf gegen den Klimawandel bejubelt, geraten die Biotreibstoffe wegen der Preisexplosion von Grundnahrungsmitteln zunehmend in die Kritik.
Immer mehr Pflanzen werden für die Produktion von Biotreibstoffen statt Nahrungsmitteln verwendet. Zwar stossen die Autos so weniger CO2 aus, ein schlechtes Gewissen müssen die Leute beim Volltanken jedoch trotzdem haben. Denn der Trend zum Biotreibstoff sorgt für leere Teller.
Im Moment stehen Länder wie Haiti und Ägypten in den Schlagzeilen, wo die hohen Lebensmittelpreise zu Protesten geführt haben. Die Schweiz versorgt sich zu rund 60 Prozent selbst. Inwiefern könnte sich der wachsende Trend zur Produktion von Treibstoffen aus Biomasse auf die Lebensmittelversorgung der Schweiz auswirken? Könnten auch in der Schweiz immer mehr Bauern von der Nahrungsmittel- auf die Energieproduktion umsteigen?
«Unwahrscheinliches Szenario»
Steigen die Dieselpreise über 2.30 und die Benzinpreise über 2.70 Franken pro Liter, so könnte die Produktion von Biodiesel und Bioethanol aus Schweizer Raps oder Mais flächenmässig relevant werden. Voraussetzung wäre allerdings, dass der Import billigerer Bio-Enenergie verhindert würde, was derzeit nicht der Fall ist.
Dies geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie hervor, welche die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft (BWL) erstellte.
Bei Treibstoffpreisen von 3.70 Franken würde die Bioenergieproduktion rund 80 Prozent der schweizerischen Ackerfläche beanspruchen. Aber selbst bei dieser Anbaufläche wäre der Anteil am Gesamtverbrauch von Treibstoff unbedeutend, nämlich nur 8 Prozent.
Hohe fossile Energiepreise könnten die Nahrungsmittelproduktion verdrängen, heisst es in der Medienmitteilung des (BWL).
«Es handelt sich bei dieser Studie um ein Szenario», sagt Eduard Hofer, Vizedirektor des BLW. «Es ist aber unwahrscheinlich, dass dieses eintritt.» Denn wenn sich eine solche Entwicklung abzeichnen würde, kämen Zoll- und Steuermassnahmen zum Zug.
Wenn die Energiepreise steigen, nehmen auch die Nahrungsmittelpreise zu, so Hofer. «Für die Bauern wären damit die Energie- und die Nahrungsmittelindustrie gleich interessant.»
Produktion steht in den Anfängen
«Würden in der Schweiz in grossem Massstab Energiepflanzen angebaut, würde dies einen negativen Einfluss auf den Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Nahrung nach sich ziehen respektive durch eine allfällige Intensivierung des Nahrungsanbaus zusätzliche Umweltbelastungen hervorrufen», schreibt die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt (Empa) in ihrer Ökobilanz zu Energieprodukten. Die Empa rät davon ab, aus einheimischem Raps Biodiesel zu produzieren. Die Ökobilanz falle zu schlecht aus.
Im Moment steht die Produktion von Biotreibstoffen in der Schweiz noch in den Anfängen. Gesamtschweizerisch wurden im Jahr 2006 etwa 9000 Tonnen Biodiesel produziert. «Im Moment läuft noch alles auf Versuchsbasis», sagt Jürg Jordi, Pressesprecher beim BWL.
Lediglich rund 4000 Autos tanken heute hierzulande Biotreibstoffe. Von einem flächendeckenden Tankstellennetz für Biodiesel, Biogas oder Bioethanol wie etwa in den USA oder Australien ist man hier noch meilenweit entfernt.
Biotreibstoffe fördern
Doch der Bund will Biotreibstoffe fördern und konkurrenzfähig machen. Auf Antrag des Bundesrats hatte das Parlament im Frühling 2007 entschieden, die Steuern für Erd- und Flüssiggas zu ermässigen und für Biotreibstoffe vollständig zu erlassen. Das Parlament forderte, die einheimische Produktion von Biotreibstoffen vorzuziehen und Importe erst dann zuzulassen, wenn die schweizerische Produktion nicht mehr ausreicht.
Der Bundesrat lehnte dies jedoch ab. Die Bevorzugung inländischer Treibstoffe verletze internationale Handelsbestimmungen, unter anderem die Bestimmungen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO, sagte Bundesrat Hans-Rudolf Merz.
In den Ausführungsbestimmungen, die Mitte 2008 in Kraft treten, hat der Bundesrat auf die Importbeschränkung von Biotreibstoffen verzichtet.
swissinfo, Corinne Buchser
In der Schweiz fahren 65% der Motor-Fahrzeuge mit Benzin, 34% mit Diesel und 1% mit anderen Treibstoffen.
2003 betrug der Anteil von Bio-Treibstoffen in der Europäischen Union rund 0,3%.
Bis 2005 stieg er auf 2% und bis Ende 2010 sollte er 5,75% betragen.
Die USA haben angekündigt, dass bis 2010 Bioethanol 10% des für Motor-Fahrzeuge verwendeten Treibstoffs ausmachen soll.
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