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Für die EU bleiben im Steuerstreit Fragen offen

Die Schweizer Delegation in Brüssel. Keystone

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüsste beim Bundesratsbesuch in Brüssel die Schweizer Vorschläge zur Lösung des Steuerstreits. Er machte aber auch deutlich, dass sie der EU nicht weit genug gehen.

Gleich drei Bundesratsmitglieder trafen sich am Montag in Brüssel mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und zwei weiteren EU-Kommissaren zu einem kurzen Arbeitsessen.

Neben Bundespräsident Pascal Couchepin waren auf Schweizer Seite Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf und Finanzminister Hans-Rudolf Merz mit von der Partie. Auch wenn beide Seiten die breiten und intensiven bilateralen Beziehungen lobten, stand doch eindeutig das Thema Steuerstreit im Vordergrund.

Finanzminister Merz hatte am 10. Dezember im Windschatten der Bundesratswahl die Vorschläge für eine neue, dritte Unternehmenssteuerreform auf den Tisch gelegt. Deren Hauptzweck war es, den Steuerstreit mit der EU über gewisse kantonale Steuerregime für Firmen vor dem Besuch in Brüssel zu entschärfen.

«Noch gewisse Zweifel»

Geglückt ist dies nur teilweise. «Es ist ein Schritt in die richtige Richtung», lobte zwar EU-Kommissionspräsident Barroso. Er machte aber auch klar, dass Brüssel mit den Vorschlägen kaum schon zufrieden sein wird.

«Wir werden sie nun im Detail analysieren», sagte er. Er liess keinen Zweifel daran, dass Brüssel den «Dialog» mit Bern über dieses Steuerthema weiterführen will. Ein nächstes Treffen soll dem Vernehmen nach noch im Januar stattfinden.

Konkret lobte Barroso, dass der Bundesrat das Statut der Briefkastenfirma abschaffen will. Bei den anderen zwei kritisierten Steuerregime, jenen für Holdings und für die so genannten gemischten Gesellschaften, bestünden jedoch für die EU-Kommission noch «gewisse Zweifel». Die EU fordert, dass die inländischen und ausländischen Einnahmen dieser Firmenkonstrukte gleich besteuert werden.

Ende der Briefkastenfirmen

Zwar hatte der Bundesrat erklärt, dass er dies mit der Firmensteuerreform anstreben will. Er ging aber, abgesehen von den Briefkastenfirmen, bisher nicht in die Einzelheiten.

Merz bezweifelte zu Beginn seines Besuchs in Brüssel, dass die EU damit zufrieden sein wird. Er werde Barroso mitteilen, dass eine Reform aufgegleist sei, «in der Elemente drin sind, welche die EU moniert. Aber dass eine Reform à la façon der EU nicht möglich ist», sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Nach dem Treffen trat nur noch Bundespräsident Couchepin vor die Medien. Er unterstrich, dass mit der Abschaffung der Briefkastenfirmen über zehntausend Unternehmen ihren Rechtsstatus verlieren würden, «um ein Einvernehmen mit der EU zu finden».

Vorläufig sanfte Töne

Aus EU-Kommissionskreisen verlautete nach dem Treffen, dass man die Vorschläge des Bundesrats sehr sorgfältig auf mögliche Steuerschlupflöcher hin analysieren werde. Klar ist, dass die EU-Kommission inhaltlich auf ihren Forderungen beharren wird.

Höchst wahrscheinlich ist aber auch, dass Brüssel vor der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit, die am 8. Februar stattfindet, scharfe Töne im Steuerstreit meiden wird.

swissinfo, Simon Thönen, Brüssel

Die Schweiz wird wegen ihres Bankgeheimnisses und Steuersystems immer wieder kritisiert und als Steuerparadies bezeichnet.

Dies, obwohl mit der EU Abkommen zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Geldwäscherei und zur Besteuerung europäischer Guthaben existieren.

Namentlich Deutschland wirft der Schweiz vor, wegen mangelnder Transparenz sei es unmöglich, Fälle von Steuerhinterziehung aufzudecken.

Steuerhinterziehung wird in der Schweiz strafrechtlich nicht verfolgt, Steuerbetrug hingegen schon.

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