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Gäbe es das WEF nicht, müsste man es erfinden

swissinfo.ch

Der in Davos dieses Jahr vorherrschende Pessimismus konnte niemandem entgehen. Dennoch habe sich das WEF 2008 als wertvoll erwiesen, finden zwei Schweizer Teilnehmer.

Patrick Aebischer, Präsident der Lausanner Eidgenössischen Technischen Hochschule, und Christophe Beck, Senior Vice-President des US-Multis Ecolab, im Gespräch mit swissinfo.

Wirtschaftskrise, Finanzschock, besserer Umgang mit den Wasservorräten der Erde, Aufruf zum Erreichen der UNO-Millenniumsziele, Regeln für den Umgang mit kapitalistischen Praktiken und mit Staatsfonds, Pakistan, Afghanistan…: Die Liste der in den letzten fünf Tagen in Davos gestellten Grundsatzfragen ist lang. Mit welchen Resultaten?

Bevor die zwei Schweizer WEF-Teilnehmer den Kurort wieder verlassen, äussern sie ihre Meinung. Aebischer ist Präsident der bekannten und geschätzten Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL, Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne), Zentrum der Forschung und des Wissens. Christophe Beck gehört zu den seltenen Schweizern, die an der Spitze einer Tochtergesellschaft eines amerikanischen Multis stehen.

swissinfo: Was halten Sie von der diesjährigen Ausgabe des World Economic Forum?

Patrick Aebischer: Zweierlei. Erstens geht es um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, und zweitens um die Frage, wie diese Zusammenarbeit nutzbar gemacht werden kann.

Als Präsident einer Technischen Hochschule habe ich am Samstag an einem Meeting teilgenommen, das 25 Vorsteher der weltgrössten Universitäten zusammen brachte. Da haben wir über verschiedene Themen gesprochen, wie dem Aufbau einer akademischen Bildung in Afrika und wie wir diesem Kontinent helfen können, einen eigenen Weg in der Tertiärbildung zu finden.

Christophe Beck: Lange Zeit hatte ich das Gefühl, die Teilnehmenden schwächten die Probleme der Welt ab. Denn ich bin zum ersten Mal in Davos dabei. Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die Fähigkeit, die Probleme zu erkennen und anzugehen.

Die Teilnehmenden sprechen offen von Klimaerwärmung, Armut, Ungleichgewichten, Finanzproblemen.

Noch interessanter: Die Mehrheit sagt, dass die Probleme nicht gelöst werden können, ohne dass man sie anders angeht. Ein gemeinsames Element schält sich dabei heraus: Die Notwendigkeit, dass Unternehmen, Regierungen und Nichtregierungs-Organisationen zusammen arbeiten, um die Probleme zu lösen und daraus auch Geschäftspotenzial für die Unternehmen zu kreieren. Wir kommen also über den bloss entwicklungshelferischen Ansatz hinaus.

Die Jungen von heute denken oft sehr vernetzt, mit Internet, Wikipedia oder Youtube. Doch für die Generation, die in Davos vertreten ist, ist dies noch etwas neu.

swissinfo: Wird das WEF 2008 konkrete Resultate zeigen?

P.A.: WELCOM, die neue Internet-Plattform vom WEF ist aufgeschaltet. Dies ermöglicht uns, häufiger zu interagieren. Im speziellen Fall der Universitäten engagieren wir uns, dauerhafte Campus-Anlässe im Energiebereich aufzubauen. Hier sind konkrete Verpflichtungen eingegangen worden, jedenfalls empfinde ich das so.

Ch.B.: Die meisten der Personen, mit denen ich in Davos diskutierte, haben Grossartiges geleistet – im positiven wie im negativen Sinn, darüber lässt sich streiten. Aber ich nehme für mein Leben und meinen Beruf das Beste mit.

Ausserdem trifft man hier oben in wenigen Tagen mehr Leute als während dem Rest des Jahres zusammen genommen. Dieser Networking-Aspekt ist mir persönlich wichtig. Das stärkt andererseits auch diese Organisationen. Man weiss, an wen man sich wendet, man kennt die betreffenden Ansichten.

swissinfo: Hat Sie der diesmal spürbare Pessimismus beunruhigt?

P.A.: Ich sehe da zwei Aspekte. Die aktuelle Krise der Finanzmärkte wirkt sicher beunruhigend. Aber die wirklichen Probleme, mit Verlaub, die liegen anderswo, bei der Klimaerwärmung, der nachhaltigen Entwicklung oder bei Ländern, die noch arm sind.

Jedes Jahr am WEF gibt es Aktuelles. Das lässt sich nicht übersehen. Aber es wird auch die Möglichkeit gegeben, über die kommenden Jahrzehnte nachzudenken. Bei der Klimafrage zum Beispiel wird man kaum heute schon eine Gesamtlösung finden. Wichtig ist hingegen, darüber sprechen zu können.

P.B.: Ich denke, die Probleme der Finanzkrise liegen tiefer als man zugeben will. Allgemein gesehen, wird das Problem als solches anerkannt. Aber die Leute haben die Tendenz zu sagen, dass das Schlimmste schon hinter uns sei. Davon bin ich nicht überzeugt. Wir stecken in der ersten Welle der Liquiditätsprobleme.

Im Bereich der Unternehmenskredite hat mancher die Tendenz gehabt, in schlecht rentierende Projekte zu investieren, denn das Geld war ja günstig zu haben. Mit einem höheren Zinssatz und weniger vorhandenen Mitteln werden sich nun viele in der Klemme befinden.

Diese Schwierigkeiten liegen noch vor uns, besonders in den Vereinigten Staaten. Wir müssen uns auf relativ schwierige 12 oder 18 kommende Monate einstellen.

swissinfo: Wie erklären Sie sich, dass immer mehr Meinungsführer am WEF teilnehmen möchten?

P.A.: Es ist eben schon ein einzigartiger Anlass und sehr inspirierend, während drei oder vier Tagen mit einem grossen Teil der gesellschaftlichen Entscheidungsträger zusammenzutreffen.

Ch.B.: Immer mehr Leute möchten in Davos die Dinge vorwärts bringen, die Meinung von anderen dazu hören und zu verstehen. Das ist etwas Positives. Dieser Erfolg spricht für das WEF.

Interview swissinfo: Pierre-François Besson in Davos
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

Prof. Dr. Patrick Aebischer, 53, ist Präsident der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL).

1995 wurde er Titularprofessor am Department für Werkstoffe. Er ist ausgebildeter Mediziner und Neurowissenschaftler.

2000 wurde er vom Bundesrat zum EPFL-Präsident ernannt.

Er war Forscher in den USA und hat zwei biotechnologische Start-Ups auf die Beine gebracht.

Christophe Beck, 40, hat die EPFL abgeschlossen.

Er ist Senior Vice-President von Ecolab, einem US-Multi, und Verantwortlicher für Strategien und Marketing.

Vor Ecolab durchlief Beck verschiedene Stationen bei Nestlé.

Ecolab ist führend im Bereich der Hygiene und Desinfektion im Gesundheits- und Nahrungsmittelsektor.

Das Unternehmen mit Basis in Minnesota, USA, hat 23’000 Mitarbeitende in 160 Ländern.

Das World Economic Forum ist von Klaus Schwab 1971 als «Management Symposium» in Davos gegründet worden.

Seither findet es jährlich in Bündner Kurort statt, ausser 2002, als es in New York stattfand, vier Monate nach dem Attentat auf das World Trade Center.

Das WEF 2008 konnte 2500 Teilnehmende aus 88 Ländern vereinigen. Das übergreifende Thema lautete: «The Power of collaborative innovation» (Innovation durch Zusammenarbeit).

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