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Genf: Teure Hauptstadt der Internationalen

Die vielen Organisationen in Genf haben nicht für alle Angestellten einen bequemen Stuhl vorbereitet. picswiss.ch

Genf ist die internationalste Stadt der Schweiz. Unzählige Organisationen haben dort ihren Sitz - was auch Probleme schafft.

Das Preisniveau ist hoch und vor allem das Wohnen ist sehr teuer. Und nicht alle Internationalen verdienen gut.

«Die zwei grössten Probleme sind Wohnungen und die hohen Lebenskosten», sagt Martin Dresser. Der Anwalt aus den Vereinigten Staaten arbeitete in den vergangenen Jahren mehrere Monate bei einer der grössten internationalen Organisationen mit Sitz in Genf. Wegen seiner kritischen Äusserungen wollte er nicht mit seinem richtigen Namen zitiert werden. «Praktikanten wohnen teils gar in rattenverseuchten Löchern.»

Genf hat weltweit die wohl höchste Dichte von internationalen Regierungs- und Nichtregierungs-Organisationen (NGO): ).»Es gibt zwischen 400 und 500 NGO in Genf», sagt François Schmidt, Direktor des «Centre d’Accueil – Genève International» (CAGI). Das CAGI berät seit 1996 die Organisationen und deren Angestellte in praktischen Fragen des Zuzugs.

UNO, WTO, ISO, WIPO…

Einen grossen Teil davon machen die Vereinten Nationen (UNO) und ihre Unterorganisationen aus. Zu diesen zählen die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR). Auch die Genfer Abrüstungskonferenz hat ihren Sitz dort ebenso wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

Weitere gewichtige Vertreter sind die Welthandelsorganisation (WTO) mit Sitz an der Rue de Lausanne, die Internationale Standardisierungs-Organisation (ISO), die Internationale Fernmeldeunion (UIT) und die Weltorganisation für intellektuelles Eigentum (WIPO). Hinzu kommen noch rund 150 Ständige Missionen von Ländern in der Stadt.

Knappes Budget und teure Schweiz

Die rund 40’000 Angestellten all dieser Organisationen kämpfen um den knappen Wohnraum. Der Anteil leer stehender Wohnungen liegt im Kanton Genf mit 0,17% deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt von 0,91%.

«Die Wohnsituation ist generell sehr angespannt. Jedes Jahr ziehen 4000 bis 5000 Personen neu zu», erklärt Philippe Despine, Informations-Beauftragter der Stadt Genf. Entspannung erhofft er sich von den neuen bilateralen Verträgen, welche es erleichtern, im benachbarten Frankreich zu wohnen und in Genf zu arbeiten.

«Ich habe 500 Franken für ein Zimmer in einer Wohnung bezahlt, die eine alte Frau mit mir teilte», erinnert sich Dresser. «Alle meine Kollegen haben mich beneidet, weil ich eine Küche mit Kühlschrank, ein sauberes Badezimmer und nur eine Mitbewohnerin hatte.»

Denn nicht alle Internationalen haben hohe Löhne und grosszügige Zusatzleistungen. «Es gibt enorme Unterschiede bei den Löhnen», erklärt Schmidt. «Praktikanten arbeiten zudem meist ohne Lohn.» Dass sie oft knapp bei Kasse sind, weiss auch Dresser: «Nur schon der Bus ist sehr teuer und viele fahren schwarz – was erst recht ins Geld geht, wenn man erwischt wird.»

Hilfe für Neuzuzüger

Bei den Behörden kennt man die Probleme und versucht zu helfen. Auf der Homepage Genfs gibt es viele Informationen auf Französisch, Deutsch, Italienisch und Englisch.

Auch bei den Wohnungen beginnt sich etwas zu regen: «Die Behörden von Stadt und Kanton sowie der Immobiliensektor sind sich dem ernsten Problem bewusst», sagt Schmidt, «sie haben angefangen, Lösungen zu diskutieren.»

Die Seite des CAGI verzeichnet jährlich 400’000 Besucher. «Am meisten Anfragen erhalten wir wegen Wohnungen, Arbeitsplätzen für die Partner der Angestellten, Sprachkursen und Schulen für die Kinder», sagt Schmidt. Auf der Website gibt es auch Budget-Vorschläge für eine vierköpfige Familie, die das hohe Preisniveau der Schweiz widerspiegeln.

«Zum Kochen hat man nur selten Zeit und auswärts essen ist sehr teuer», sagt Dresser. Und: «Man kann nur eine bestimmte Anzahl Kebabs am Stand essen, bevor es einem übel wird.»

swissinfo, Philippe Kropf

Stadt Genf (2000):

Bevölkerung: 177’964
Ausländer: 78’029
Rund 190 internationale Organisationen mit rund 40’000 Angestellten
Haushalte: 86’231
Einpersonen-Haushalte: 44’373

Genf zieht wegen dem Sitz von Organisationen wie der UNO oder dem IKRK viele weitere Regierungs- und Nichtregierungs-Organisationen an.

Rund 40’000 Personen arbeiten für diese Organisationen und wohnen deshalb – auch temporär – in der Stadt. Der Wohnungsmangel und das hohe Preisniveau stellen viele vor Probleme.

Das «Centre d’Accueil – Genève International» (CAGI) gibt den Neuzuzügern Tipps fürs Wohnen, Arbeit für Lebenspartner oder Schulen für die Kinder.

Neben der Eidgenossenschaft, der Genfer Regierung und Kantonen sind am CAGI auch Private wie die Privatbankiers, die Post, der Biotech-Konzern Serono oder der Tourismus-Verband beteiligt.

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