Gentechfrei-Initiative pro und kontra
Der Abstimmungskampf zur Gentechfrei-Initiative geht in eine neue Runde: Am Montag warben Greenpeace für ein Ja und liberale Parlamentarier für ein Nein.
Die Gegner bezeichneten die Initiative als überflüssig. Greenpeace dagegen warnte vor dem Trugschluss, dass biologischer und Gentech-Anbau nebeneinander existieren könnten.
«In Kanada haben Bauern bereits keine Kontrolle mehr über ihr Saatgut. Die Sorte wird zwar deklariert, aber nicht die gentechnische Veränderung», sagte Bäuerin Anne-Virginie Schmidt aus Québec gegenüber swissinfo.
In Kanada werden seit einigen Jahren grossflächig gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Greenpeace Schweiz hatte Schmidt und den kanadischen Imker Anicet Desrochers eingeladen, um im Vorfeld der Abstimmung vom 27. November vor den Medien über ihre Erfahrungen mit dem Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu sprechen.
Der grossflächige Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen schade massiv der ökologischen Landwirtschaft, sagte Schmidt weiter. Früher oder später komme es zu einer Verunreinigung durch gentechnisch veränderte Organismen.
Pollen würden nicht nur von Wind und Insekten über weite Strecken verbreitet, sondern auch durch Wildtiere und Regenwasser sowie Maschinen und Menschen.
Bio-Betrieben droht Schliessung
Auch für Imker Desrochers stellt GVO ein grosses Problem dar: «Ernährt man ein Bienenvolk ausschliesslich mit gentechnisch veränderten Pollen, verlieren die Tiere nach der ersten Generation bereits den Orientierungssinn und finden den Weg zurück nach Hause nicht mehr», sagte er gegenüber swissinfo.
Verseuchtes Saatgut und verunreinigte Ernten schmälern den wirtschaftlichen Erfolg von Bauern und Imkern. «Immer mehr Bio-Betriebe in Kanada verlieren ihre besten Absatzmärkte in Europa und Asien», führte Desrochers weiter aus. Für viele Bauern bedeute dies die Schliessung ihres Betriebs.
Ökologisch bearbeitete Felder bräuchten riesige Distanzen zu den Kulturen von Gentech-Pflanzen. Eine Koexistenz sei jedoch selbst in einem grossen Land wie Kanada nicht möglich, so Desrochers weiter. Die kleine Schweiz warnte er davor, «solche Fehler zu machen».
Plädoyer für Gentechfrei-Initiative
Die Erfahrungsberichte aus Kanada wertet Greenpeace als Plädoyer für ein Ja zur Gentechfrei-Initiative. Angesichts dieser Erfahrungen sei auch die Koexistenz-Verordnung, die derzeit in Vernehmlassung ist, untauglich, sagte Bruno Heinzer von der Genschutz-Kampagne Greenpeace.
«Die vom Bundesrat vorgeschlagene Sicherheitsdistanz von 50 Metern ist illusorisch, wenn die Bienenvölker Berge und Flüsse überfliegen, wie sich in Kanada zeigt», sagte Heinzer.
Es gehe nicht nur um die Existenz der Bauern, sondern um die langfristige Erhaltung unserer Lebensgrundlage. Deshalb ist Greenpeace gegen den Anbau von Gentech-Pflanzen.
Strenges Gesetz reicht
100 bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben am Montag die Gentechfrei-Initiative als überflüssig und unehrlich zurückgewiesen.
Sie gaukle den Konsumentinnen und Konsumenten eine gentechnikfreie Schweiz vor und schränke die unternehmerische Freiheit der Bauern zusätzlich ein, kritisierten sie in Bern.
Die Gentechfrei-Initiative sei ganz und gar überflüssig, sagte die freisinnige Ständerätin Helen Leumann vor den Medien. Die Schweiz besitze schon jetzt eines der strengsten Gentechnikgesetze weltweit.
Die Initiative täusche denn auch Bauern und Konsumenten, denn das Gentechnikgesetz bringe ihnen bereits, was sie wollten: Schutz vor GVO einerseits und die Wahlfreiheit andererseits.
Entscheidungsfreiheit für Bauern
Der christlichdemokratische Luzerner Nationalrat Josef Leu sagte, die Initiative würde die Bauern bevormunden. In Zeiten des immer stärker werdenden Wettbewerbsdrucks bräuchten diese aber unternehmerische Freiheiten.
Sie müssten selbst entscheiden dürfen, welche Produkte sich am besten verkaufen liessen und welche Anbautechnik sich am besten eigne.
Nationalrat Hermann Weyeneth von der rechts orientierten Schweizerischen Volkspartei (SVP) unterstellte den Initianten unlautere Absichten. Die Initiative sei unehrlich, denn sie gebe vor, ein nur fünfjähriges Moratorium zu wollen.
In Tat und Wahrheit gehe es den Initianten aber darum, die Gentechnik für immer aus der Landwirtschaft zu verbannen. Zudem werde es die versprochene gentechnikfreie Schweiz auch mit dem Moratorium nicht geben, da der Import von GVO weiterhin zugelassen wäre.
Ebenso unehrlich sei es, den Bauern bessere Marktchancen zu versprechen, sagte Weyeneth. Moratorien seien ein schlechtes Marketinginstrument.
Nachteile für Forschungsstandort
Die liberale Martine Brunschwig Graf sorgte sich schliesslich um den Forschungsplatz Schweiz. Ein Moratorium würde das unmissverständliche Signal aussenden, dass die Forschung mit und an gentechnisch veränderten Organismen in der Schweiz keine Zukunft habe.
Die strategischen Investitionen in diesen Bereich würden nicht mehr in der Schweiz getätigt. «Lassen wir uns nicht von grundlosen Befürchtungen in die Defensive drängen», warnte die Nationalrätin.
swissinfo und Agenturen
Die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» verlangt, dass während fünf Jahren in der Schweizer Landwirtschaft keine Pflanzen angebaut und keine Tiere gehalten werden dürfen, die gentechnisch verändert sind.
Der Bundesrat und das Parlament lehnen die Initiative ab, weil das Gentechnik-Gesetz genügend Schutz für Mensch, Tier und Umwelt biete.
Das Gesetz trat 2004 in Kraft.
Es verbietet zum einen das Halten von gentechnisch veränderten Tieren und schreibt für die Zulassung von GVO-Pflanzen ein umfassendes Prüfverfahren vor.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch