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Gesalzene Rechnung für Altlasten

Heute verdeckt durch Wald: Die Deponie La Pila liegt in einer Flussschlaufe der Saane. M. Roggo/admin.fr.ch

Von 1952 bis 1973 wurden Tonnen von Abfällen in der Freiburger Deponie La Pila entsorgt. Heute entweichen aus der einstigen Deponie toxische Substanzen, welche die Fauna des Flusses Saane bedrohen.

Dieser Fall ist exemplarisch für begangene Umweltsünden aus dem letzten Jahrhundert. Damals gab es noch keine eidgenössische Gesetzgebung zum Schutz der Umwelt.

Deponien wie La Pila waren damals durchaus die Regel. Die Schweiz befand sich in einer Wachstumsphase. «Niemand war sich bewusst, dass die Ressourcen der Umwelt begrenzt waren, um Schadstoffe zu absorbieren», meint Marc Chardonnens, Chef des Umweltamtes im Kanton Freiburg. «Abfälle wurden damals einfach deponiert, ohne besondere Vorkehrungen zu treffen.»

In der Deponie La Pila in der Freiburger Gemeinde Hauterive sind seit 1952 ganze 240’000 Kubikmeter an Abfällen eingelagert worden. Sie stammten aus Handwerksbetrieben, Industrie und Haushalten. Als die Deponie 1973 geschlossen wurde, deckte man sie einfach mit etwas Erde ab. So war das damals üblich.

Ein «idealer» Ort

«Wir wissen nicht einmal, was sich genau in dieser Deponie befindet. Damals gab es keine Pflicht, die eingelagerten Abfälle statistisch zu erfassen», sagt Chardonnens gegenüber swissinfo.

Aber man weiss, dass die Deponie einen explosiven Cocktail toxischer oder hochgradig verschmutzender Substanzen verbirgt. Die Behörden haben jedenfalls im Flusslauf der Saane Dioxine, Furane und dioxinähnliche PCB festgestellt.

Tatsächlich ist der Standort der ehemaligen Deponie geradezu «ideal» für das Durchsickern dieser Stoffe. Denn die Deponie – sie weist eine Grösse von zwei Hektaren auf – liegt in einer Flussschlaufe. Die Saane macht hier eine Kehrtwende von 180 Grad.

«Bis vor 50 Jahren war es sogar üblich, Abfälle direkt über die Flüsse zu entsorgen. Nicht zufällig beschränkte sich das erste Wasserschutzgesetz aus dem Jahr 1955 nur darauf, die Abfallentsorgung in Flussläufen zu untersagen», hält Chardonnens fest.

Ein langwieriger Prozess

Das revidierte Gewässerschutzgesetz von 1972 ging nur einen kleinen Schritt weiter. Es hielt fest, dass die Deponien die Wasserqualität nicht beeinträchtigen dürfen. Ein geradezu irrealistisches Unterfangen, weil das Durchsickern von Altlasten in den Grundwasserspiel langfristig eigentlich nicht verhindert werden kann.

Ernsthafte Fragen zur Abfallbewirtschaftung hat man sich in der Schweiz erst ab Mitte der 1980er-Jahre gestellt. Ein Deponieverbot wurde schliesslich im Jahr 1996 erlassen.

«Man hat viel Zeit gebraucht, um sich ernsthaft mit den Faktoren auseinanderzusetzen, welche die Wasserqualität schädigen – neben Deponien auch Phosphate oder Merkur aus Industriebabfällen», hält Chardonnens fest.

Tickende Zeitbomben

Als Folge der starken Verschmutzung der Saane hat der Kanton Freiburg die Fischerei im ganzen Flusslauf verboten. Die Fischereiverbände reagierten mit Empörung darauf.

«Wir verstehen diese Reaktionen. Aber das Gesetz verpflichtet uns dazu, die öffentliche Gesundheit zu schützen. Der Konsum von Dioxin, Furanen oder PCB kann selbst in sehr geringen Dosen ernsthafte gesundheitliche Schäden zur Folge haben», sagt der Leiter des Freiburger Umweltamtes.

Auf Vorschlag des Kantons Freiburg haben die Bundesräte Pascal Couchepin und Moritz Leuenberger im Januar 2008 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche die Belastung der Fliessgewässer und Fische durch dioxinähnliche PCB auf Bundesebene untersuchen soll.

Obwohl die Schweiz heute über eines der modernsten Gewässerschutzgesetze verfügt, ist bis anhin keine systematische Analyse der Flussläufe vorgesehen, um allfällige Emissionen aus Deponien wie im Kanton Freiburg feststellen zu können.

«Dabei muss man bedenken, dass Freiburg nicht einmal zu den industrialisiertesten Kantonen der Schweiz gehört. Man kann also davon ausgehen, dass auch andere Kantone in Zukunft mit diesen Zeitbomben zu tun haben», glaubt Chardonnens.

Gigantische Kosten

Bisher verfügt die Schweiz noch nicht über ein Inventar der Altlasten. Man geht davon aus, dass es landesweit mindestens 50’000 belastete Standorte gibt. Die kantonalen Kataster waren für 2003 vorgesehen. Doch sie werden kaum vor 2011 fertig gestellt sein.

Noch komplizierter wird es sein, die genaue Beschaffenheit dieser Deponien zu kennen und diese zu sanieren. Allein die Sanierung von La Pila wird etliche Jahre dauern und Dutzende von Millionen Franken verschlingen.

«Um sämtliche Ex-Deponien in der Schweiz zu sanieren, werden Jahrzehnte vergehen und Kosten von mindestens 5 Milliarden Franken entstehen», prophezeit Bernhard Hammer vom Bundesamt für Umwelt.

swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Gemäss dem Bundesamt für Umwelt gibt es in der Schweiz rund 40’000 bis 50’000 Standorte mit Altlasten. Die Verschmutzung ist auf öffentliche oder private Deponien, Rückstände von Unfällen oder militärische Übungsmanöver zurückzuführen.

Rund 10 Prozent der Standorte werden als kontaminiert bezeichnet. Sie bedrohen Mensch und Umwelt. Sie müssen schnellstmöglich saniert werden.

Erst mit Inkrafttreten der Altlasten-Verordnung im Jahr 1998 wurden die gesetzlichen Grundlagen zur Beseitigung dieses belastenden Erbes geschaffen.

Bisher sind erst 200 bis 300 Altlasten-Standorte saniert worden. Es werden 20 bis 30 Jahren nötig sein, bis alle Standorte saniert sind. Die Kosten werden auf 5 Milliarden Franken geschätzt.

Von 1952 bis 1973 haben diverse Gemeinden im Kanton Freiburg ihre Abfälle in der Deponie La Pila gelagert. Diese befindet sich in einer Schlaufe des Flusses Saane.

Die Deponie ist zwischen 10 und 20 Metern tief und zwei Hektaren gross. Nach ihrer Schliessung geriet sie praktisch in Vergessenheit.
Erst im Rahmen eines Altlasten-Katasters beschäftigen sich die Freiburger Behörden wieder mit der Deponie.

Am 29. August 2007 sprach der Staatsrat ein Fischereiverbot für die Saane aus, weil eine Kontamination der Fische festgestellt worden war: Die Resultate der Analysen zeigten einen zu hohen Wert für dioxinähnliche PCB im Fleisch der somit ungeniessbaren Fische.

Diese Substanzen können schwere Krankheiten wie Krebs verursachen.

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