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Gesundheitswesen: Wie die Kosten eindämmen?

Die Kosten steigen im Gesundheitswesen. Eine Einheitskasse soll es richten. Bild: Kunststoff-Gips am Unterarm. Keystone

Im Hinblick auf die gesundheitspolitische Debatte der kommenden Woche im Eidgenössischen Parlament wird die Frage einer Einheits-Krankenkasse für heisse Köpfe sorgen.

Die Linke stört sich am Wettbewerb der vielen Kassen und will dafür eine einzige, wirklich soziale Versicherung. Die Krankenversicherer sagen für diesen Fall einen Qualitäts-Verlust voraus.

Während sich die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) für eine landesweite Krankenkasse ausspricht und sich für die «Initiative für eine Einheits-Krankenkasse» einsetzt, lassen sich laut den Krankenversicherern die Probleme im Gesundheitswesen dadurch nicht lösen.

Sie würden sogar noch verstärkt, sagt ihr Dachverband santésuisse. Nicht bei der Organisations-Struktur der Krankenkassen brauche es die Veränderungen, sondern im Angebot des Gesundheitswesens.

Mit dem Anbietern sind Spitäler, Behörden, Ärzte, Apotheken und ihre jeweiligen Zulieferer und Regulatoren gemeint. Laut dem Gesundheits-Ökonomen Willy Oggier besteche die Einheitskasse zwar auf den ersten Blick, doch entpuppten sich die damit verbundenen Erwartungen bei näherem Hinsehen als Illusion.

Verstaatlichung und Rationierung

santésuisse lehnt deshalb eine Einheitskasse ab, da sie zur Verstaatlichung und Rationierung führe. Laut Verbands-Direktor Marc-André Giger mache eine einheitliche Krankenkasse alles nur noch komplizierter.

Als Beispiel nennt er die Zusatz-Versicherungen: Da 80% der Versicherten mehr als nur eine Grundversicherung hätten, müssten alle diese Zusatz-Versicherungen auf andere Kassen aufgeteilt werden.

Auch der Bundesrat (Landesregierung) und die vorbereitende Gesundheits-Kommission des Nationalrats (grosse Parlamentskammer) sind gegen eine Einheitskasse.

Prämien auf Grund der Leistungsfähigkeit

Die Initiative für eine Einheits-Krankenkasse ist vom Westschweizer «Mouvement Populaire des Familles» eingereicht worden und verlangt eine einheitliche Versicherungskasse für den obligatorischen Teil der Krankenversicherung.

Auch sollen die Prämien auf Grund der Leistungsfähigkeit der Versicherten (und nicht auf Grund ihres Risikos, ihres Alters etc.) festgelegt werden.

«Jagd auf gute Risiken»

Laut der SP «läuft das heutige System bald einmal gegen die Wand». Nur die soziale Einheits-Krankenkasse könne die absurde Jagd der rund 90 Kassen auf die guten Risiken beenden, die Kosten dauerhaft senken und mit der Abschaffung der Kopfprämien mehr Gerechtigkeit schaffen.

SP-Präsident Hans-Jürg Fehr sagte am Dienstag vor der Medien, dass «das Rad nicht neu erfunden» werden müsse. Denn mit der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), der Arbeitslosen-Versicherung (ALV) und der Schweizerischen Unfallversicherungs-Anstalt (SUVA) gebe es bewährte Modelle.

Der SP schwebe «eine Art AHV für das Gesundheitswesen» vor. Danach würde der Bund für das ganze Land eine einzige Versicherung mit kantonalen Betriebseinheiten einrichten.

Die Dossiers der Grundversicherten gingen einfach von den bisherigen Kassen an die kantonale Betriebseinheit der Einheitskasse. Dabei könnte mit dem gleichen Personal weitergearbeitet werden.

Auch neu keine einheitliche Prämie

Das Argument der Gegner, allein schon der enorm hohe Umstellungsaufwand spreche klar gegen die Einheitskasse, lässt die SP nicht gelten. Die einmaligen Kosten der Umstellung würden wahrscheinlich schon durch die Einsparungen im ersten Betriebsjahr wettgemacht, sagte Fehr.

Laut Fehr wird es keine schweizerische Einheitsprämie, sondern weiterhin nach Kantonen unterschiedliche Prämien geben. Selbstbehalt und Franchise könnten als Elemente der Eigenverantwortung ins neue System integriert werden.

swissinfo und Agenturen

Die Initiative für eine Einheitskasse erreichte 111’000 Unterschriften und wurde im Dezember 2004 eingereicht.
Der Nationalrat wird nächste Woche darüber debattieren; er dürfte sie verwerfen.
Das Volk wird voraussichtlich nächstes Jahr darüber abstimmen.
2005 wuchsen die Kosten im Gesundheitswesen gesamtschweizerisch um 5,4%.
Ein Versicherter zahlt durchschnittlich 228 Franken pro Monat an Prämien.

In der Schweiz gibt es zahlreiche Krankenkassen, die neben der obligatorischen Versicherung unterschiedliche Leistungen offerieren.

Die von der SP unterstützte Initiative will die Einführung einer Einheits-Krankenkasse für den obligatorischen Teil der Kranken-Versicherung.

Diese Kasse würde zu je einem Drittel beaufsichtigt von Vertretern der Versicherten, vom Versicherern und von Behörden.

Die Prämien würden auf Grund der Leistungsfähigkeit der Versicherten erhoben.

Die Versicherer sind gegen diese Einheitskasse. Die Probleme des Gesundheitswesens seien bei den Anbietern wie Spitälern, Ärzten und Apotheken zu suchen.

Es wäre wichtiger, so die Versicherer, den Vertragszwang aufzuheben, damit nicht jeder Arzt unabhängig von seiner Qualität bezahlt werden müsse.

Wahrscheinlich kommt die Initiative nächstes Jahr vors Volk.

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