Gewerkschaften fordern mehr Lohn für alle
Nach den Topmanagern sollen nun auch die Arbeitnehmer vom Aufschwung profitieren. Der Gewerkschaftsbund verlangt 3 bis 4% mehr Lohn für alle und zusätzlich 1% für die Frauen.
Die Arbeitgeber sind gegen generelle Lohnerhöhungen, wollen aber Arbeitnehmer in florierenden Branchen individuell fördern.
Die im Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) organisierten Arbeitnehmerverbände sind sich einig: Die Wirtschaft läuft und Lohnforderungen erachten sie deshalb für angebracht. Wichtig dabei sei, dass die Lohnerhöhungen vor allem generell gewährt würden, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner am Freitag in Bern.
Die Individualisierung der Lohnanpassungen, die sich seit den 90er- Jahren ausgebreitet habe, führe dazu, dass die höheren Chargen ihre Bezüge übermässig steigerten, sagte Rechsteiner. Die grosse Mehrheit der Beschäftigen wurde und werde geprellt, wenn die Chefs die Löhne und Lohnanpassungen nach Gutdünken festlegen.
Trotz Reallohnerhöhung Lohnrückstand
SGB-Chefökonom Daniel Lampart betonte, vom Aufschwung hätten bisher vor allem Topmanagement und Aktionäre profitiert.
Für die Lohnabhängigen machte Lampart trotz Reallohnerhöhung im laufenden Jahr einen Lohnrückstand von rund 2 Prozent aus, gemessen am Medianlohn. Eine substanzielle Lohnerhöhung von 3 bis 4 Prozent sei angebracht.
Mindestlöhne anheben
Auch die Mindestlöhne für den Gesamtarbeitsvertrag sollen laut der Gewerkschaft Unia angehoben werden. In den exportorientierten Branchen verlange Unia rund 4 Prozent mehr Salär, wie ihr Co-Präsident Renzo Ambrosetti sagte. Im Binnengewerbe liegen die Forderungen im Bereich 3 bis 4 Prozent je nach Nachholbedarf.
Noch keine Lohneingabe habe die Unia im Bauhauptgewerbe beschlossen, wo der Baumeisterverband den Vertrag per Ende September gekündigt hat. Ambrosetti sprach von grossem Nachholbedarf.
Extrazuschlag für Frauen
Für den Detailhandel verlangt die Gewerkschaft 150 Franken mehr Lohn für alle, was einem Plus von 3,5 Prozent entspricht. Ausserdem soll rund 1 Prozent der Lohnsumme für die Lohngleichheit der Frauen eingesetzt werden. Die Löhne der Frauen sind zwar in den letzten Jahren stärker gestiegen als jene der Männer, liegen aber immer noch auf tieferem Niveau.
Entsprechend wollen die SGB-Gewerkschaften in den Verhandlungen Akzente für die Frauen setzen. Betriebe mit über 1000 Beschäftigten sollen ihre Lohnstruktur auf Geschlechter-Diskriminierung überprüfen. Ein solches Lohncontrolling mit dem Analyseinstrument des Bundes «logib» soll laut Natalie Imboden von der Unia Voraussetzungen für Fortschritte in der Lohngleichheit schaffen.
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Lohngleichheits-Abkommen
Wie die Unia-Branchenverantwortliche weiter ausführte, soll dies im Rahmen eines sozialpartnerschaftlichen Lohngleichheits-Agreements geschehen. In dieser Angelegenheit hätten sich die Gewerkschaften am Freitag an McDonald’s, Manor, Swisscom und an das Eidgenössische Personalamt gewandt.
Bund, Kantone und Gemeinden müssten eine federführende Rolle beim Abbau der Lohndifferenzen zwischen Mann und Frau übernehmen, sagte auch Doris Schlüep, die Generalsekretärin des Verbands des Personals öffentlicher Dienste vpod. Sie befürchtete eine Abwanderung des Personals vom öffentlichen Dienst in die Privatwirtschaft ohne spürbare Lohnerhöhung. Der vpod fordert eine Reallohnerhöhung von 3 Prozent und den vollen Teuerungsausgleich.
Kritik für Swisscom
Die Swisscom erntete harsche Kritik von der Gewerkschaft Kommunikation wegen der Diskriminierung der – meist weiblichen – Teilzeitangestellten, die bei Überstunden keinen Lohnzuschlag erhielten wie die Vollzeitbeschäftigten.
Vier Prozent mehr Lohn fordert die Gewerkschaft bei Post und Swisscom.
Arbeitgeber gegen generelle Lohnerhöhungen
Für die Arbeitgeber kommen allgemeine Lohnerhöhungen nicht in Frage. Sie plädieren wie bisher für individuelle Anpassungen.
Nach Aussage von Hans Reis, Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, wird es aufgrund der guten Wirtschaftslage in einzelnen Branchen zu individuellen Lohnerhöhungen kommen.
Insbesondere in den Branchen Chemie, Pharma und Banken sei mit Lohnzuwächsen zu rechnen, präzisierte Reis.
swissinfo und Agenturen
Die Löhne der Frauen sind zwar in den letzten Jahren stärker gestiegen als diejenigen der Männer, liegen aber immer noch auf tieferem Niveau.
Arbeitnehmerinnen verdienen in der Schweiz auch heute noch rund einen Fünftel weniger als ihre männlichen Berufskollegen.
Gemäss Lohnstrukturerhebung beträgt die Lohndifferenz im Monat 1172 Franken (Median Männerlöhne: Fr. 5953.-; Median Frauenlöhne: Fr. 4781.-).
Der Medianlohn wird so bestimmt, dass die eine Hälfte der Erwerbstätigen mit dem Lohn über und die andere Hälfte unter dem berechneten Wert liegt. Der gesetzliche Mindestlohn sollte mindestens zwei Drittel des Medianlohnes betragen.
Auch wenn Unterschiede in der Ausbildung, Erfahrung, Alter und Stellung im Betrieb berücksichtigt werden, bleiben in allen Branchen grosse Unterschiede.
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