Gewerkschaften fordern Reallohnerhöhungen
Die grossen Schweizer Gewerkschaften fordern für das kommende Jahr Reallohnerhöhungen von bis zu 3% plus den vollen Ausgleich der Teuerung.
Die Arbeitgeberseite reagiert zurückhaltend auf die Forderungen und verweist auf den hohen Kostendruck der Unternehmen.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) verlangt für das kommende Jahr 1,5 bis 3% mehr Lohn sowie den vollen Ausgleich der Teuerung. Die Wirtschaft müsse vor der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit zeigen, dass auch Arbeiter mit tieferen Löhnen am Wachstum beteiligt würden, argumentierte der SBG am Montag vor den Medien.
Die Lohnforderungen des SGB stimmen ungefähr mit jenen von Travail.Suisse, der Dachorganisation der Arbetnehmenden, überein. Diese hatte bereits letzte Woche Reallohnerhöhungen von einem bis zu 3% verlangt.
Höhere Löhne für mehr Wachstum
Gemäss SGB-Präsident Paul Rechsteiner kommt der diesjährigen Lohnrunde aus politischen wie aus wirtschaftlichen Gründen eine besondere Rolle zu. Wolle die Schweiz mehr Wirtschaftswachstum, so müsse sie vor allem die Nachfrage im Inland stärken. Die Basis dafür seien Reallohnerhöhungen, mit denen die Kaufkraft der Arbeitnehmenden erhöht werde.
Im Vorfeld der Abstimmung über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit sei die Lohnrunde darüber hinaus ein Glaubwürdigkeitstest für die Schweizer Wirtschaft. Diese müsse allen Arbeitnehmenden mit bescheidenen oder mittleren Löhnen zeigen, dass auch sie an den wirtschaftlichen Ergebnissen und an den Produktivitäts-Fortschritten beteiligt würden.
Bevorzugte Führungsetagen
Generell fordern die dem SGB angeschlossenen Gewerkschaften 1,5 bis 3% mehr Lohn plus den vollen Teuerungsausgleich von rund einem Prozent. Andreas Rieger von der Gewerkschaft Unia machte dafür unter anderem die mässigen Resultate der letzten beiden Jahre geltend. In den Belegschaften habe sich in dieser Zeit ein Lohnrückstand akkumuliert, während die Gehälter auf der Führungsetage stark gestiegen seien. Das Motto für die diesjährige Lohnrunde laute deshalb: «Jetzt sind wir dran.»
SGB-Chefökonom Serge Gaillard sagte, das Produktivitätswachstum müsse an die Arbeitnehmenden weitergegeben werden. Die Konjunktur in der Schweiz erhole sich auch deshalb nur so langsam, weil die Kaufkraft der Arbeitnehmer wenig wachse.
Nachholbedarf bei den tiefen Löhnen
Die Maximalforderung von gesamthaft 4% Lohn betrifft die Pharma- und Chemieindustrie. Für die Maschinenindustrie beläuft sich die Forderung der Gewerkschaften auf bis zu 3,5%, in der Nahrungsmittel- und der Textilindustrie werden total bis zu 3% mehr verlangt. Im Baunebengewerbe und sowie in der Baustoffindustrie werden bis zu 2,5% Lohnzuschlag angestrebt.
Für das Personal im öffentlichen Dienst will die Gewerkschaft vpod eine Reallohnerhöhung von 2% plus den Teuerungsausgleich herausholen. Die derzeitige Abbruchstimmung bei Bund und Kantonen müsse gestoppt werden, sagte vpod-Zentralsekretärin Christine Flitner.
Ein besonderes Augenmerk will der SGB auf die untersten Lohnklassen richten. Löhne, mit welchen die Arbeitnehmenden ihre Existenz nicht sichern könnten, seien unzumutbar, sagte Rechsteiner. Generelle Lohnerhöhungen in fixen Frankenbeiträgen seien dagegen das beste Mittel.
Arbeitgeber warnen
Peter Hasler, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, wies die Forderung nach bis zu 3% mehr Lohn bereits zurück. Die Vorstellungen der Gewerkschaften seien «wie immer zu hoch, aber nicht unanständig», sagte Hasler vor kurzem in einem Interview.
Je nach Lage der Firma könne es eine Nullrunde oder erfreuliche Abschlüsse geben. Die Unternehmen stünden unter einem gewaltigen Kostendruck. «Jeder Franken, den man einem Arbeitnehmer mehr bezahlen muss, kann bedeuten, dass der Betrieb den Arbeitsplatz nicht mehr in der Schweiz halten kann», warnte Hasler.
swissinfo und Agenturen
Die meisten Verbände des SGB fordern eine Erhöhung der Reallöhne um 1 bis 3% und den Teuerungsausgleich, der für Herbst auf 1% geschätzt wird.
Der SGB ist mit 382’000 Mitgliedern der grösste Dachverband von Gewerkschaften, gefolgt von Travail.Suisse mit 161’000 Mitgliedern.
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