Gewerkschaftsbund fordert soziale Sicherheit
Am 53. Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) in Bern haben sich die Delegierten für neue, starke soziale Rechte und einen starken Service public ausgesprochen.
Zum Abschluss des dreitägigen Kongresses wurde SGB-Präsident Paul Rechsteiner für die nächsten 4 Jahre wiedergewählt. Er setzte sich zum Ziel, vor allem unter Frauen neue Mitglieder zu gewinnen.
Im Papier mit dem Titel «Recht auf soziale Sicherheit für alle», das die Delegierten verabschiedeten, steht, es müssten vor allem zu Gunsten von Menschen mit kleinen und nicht ständig fliessenden Einkommen Lücken im System geschlossen werden.
Grundrecht auf Bildung
Im Papier aufgeführt sind etwa ein Grundrecht auf lebenslange Bildung in der Verfassung, eine Entschuldung der Invalidenversicherung (IV) und eine neue nationale Erbschaftssteuer für hohe Einkommen.
Weiter fordert der SGB ein Recht auf mindestens 16 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub und mindestens 8 Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub nach der Geburt eines Kindes. Eltern sollen das Recht erhalten, Teilzeit zu arbeiten und ihre Kinder kostenlos ausser Haus betreuen zu lassen.
Engagement für Einheitskrankenkasse
Der SGB verpflichtete sich ferner in einer verabschiedeten Resolution, sich vor der Abstimmung vom 11. März 2007 aktiv für ein Ja zur Schaffung einer Einheitskrankenkasse einzusetzen.
Hinter der Volksinitiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse» steht ein vor allem in der Romandie aktives Bündnis von Linken und Rentnern.
Buh-Rufe für die Wirtschaftsministerin
Bundesrätin Doris Leuthard kritisierte bei ihrem Auftritt am SGB-Kongress die Gewerkschaften wegen jüngsten Streikandrohungen. Damit erntete sie Buhrufe.
Das Mittel des Streiks müsse ihm Rahmen des Arbeitsfriedens in der Schweiz die Ultima Ratio bleiben, sagte die Wirtschaftsministerin. «Es ist kein Zeichen von Stärke, wenn bereits im Vorfeld von Diskussionen mit Kampfmassnahmen gedroht wird, im Gegenteil.» Das untergrabe das Vertrauen zwischen den Sozialpartnern und trage unnötig zur Verhärtung der Fronten bei.
SGB-Präsident Paul Rechsteiner erwiderte, dass der Streik ein durch die Verfassung geschütztes Grundrecht sei. Für die Gewerkschaften sei Streik kein Ziel, sondern ein Mittel, und schon gar nie ein leichtfertig ergriffenes.
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Für einen starken Service public
Die SGB-Delegierten verabschiedeten auch ein Positionspapier zum Service public. Damit beschlossen sie, Privatisierungsversuchen auch künftig die Stirn zu bieten. Eine gut funktionierende Wirtschaft sei auf einen starken Service public angewiesen, hiess es. Private würden auf die Dauer die verlangte Qualität nicht erbringen.
Einstimmig angenommen wurden zudem drei Resolutionen, die sich gegen den geplanten Umbau der Post, gegen Leistungsabbau bei der Pensionskasse Publica und gegen einen Abbau beim öffentlichen Verkehr richten. Bei letzterem geht es insbesondere um die geplanten Arbeitszeiterhöhungen bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB).
Weiter stimmten die Delegierten einem wirtschaftspolitischen Grundsatzpapier unter dem Titel «Arbeit und gute Arbeitsbedingungen für alle» zu. Dabei stehen Forderungen nach einem Mindeststundenlohn von 20 Franken, der Kampf für mehr Chancengleichheit sowie gegen Temporärarbeit im Vordergrund.
Abgelehnt wurde ein Antrag, das Referendum gegen die 5. Revision der Invalidenversicherung (IV) zu unterstützen.
Rechsteiner will mehr Frauen im SGB
Der sozialdemokratische Nationalrat Paul Rechsteiner bleibt Präsident des SGB. Die Delegierten bestätigten ihn am Samstag zum Abschluss des SGB-Kongresses in Bern für weitere vier Jahre.
In seiner Schlussrede setzte Rechsteiner das Ziel, in nächster Zeit vor allem unter den Frauen neue Mitglieder zu gewinnen. In den nächsten vier Jahren solle ihre Zahl von heute 79’000 auf 100’000 steigen, sagte er.
«Je mehr Frauen in den Gewerkschaften sind, desto mehr werden wir die Bedingungen für die Frauen in der Erwerbsarbeit verbessern können», sagte Rechsteiner. Insgesamt zählt der Gewerkschaftsbund momentan 385’000 Mitglieder.
swissinfo und Agenturen
Die Bahn fährt, der Strom fliesst, die Post kommt an. Die solide und sichere Versorgung mit Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsdiensten ist die Voraussetzung für eine hohe Lebensqualität und für das Gedeihen der Wirtschaft.
Gewisse Güter und Dienstleistungen gehören zur Grundversorgung. Ist die Qualität ungenügend, wird der Alltag mühsam. Weil diese Dienstleistungen so wichtig sind, sollte der Staat dafür sorgen, dass sie für alle verfügbar sind.
Auf Bundesebene ist das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zuständig für den Service public in der Infrastruktur.
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