Glänzende Show in Genf
Der 72. Internationale Automobilsalon in Genf setzt auf Luxus und Pomp. Bundespräsident Kaspar Villiger rief indessen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Freiheit auf, dessen Symbol das Auto ist.
Das Spannungsfeld zwischen Freiheit des einen und Unfreiheit des anderen sei kaum irgendwo anders direkter spürbar als beim Auto. «Das Freiheitsgefühl des Rasers am Gaspedal kann unermessliches Leid bei Mitmenschen verursachen», sagte Bundespräsident Kaspar Villiger am Donnerstag zur Eröffnung des Autosalons in Genf.
Der unbeschränkten Mobilität setzten aber auch Infrastrukturen, die Technik und die Umwelt Grenzen. Gefordert sei deshalb die Automobilindustrie: Sie müsse vermehrt die Verantwortung dafür übernehmen, dass der technische Forschritt gesellschaftlich und sicherheitstechnisch sinnvoll sei.
Villiger bekräftigte zudem die ablehnende Haltung des Bundesrates zu einer zweiten Tunnel-Röhre am Gotthard. Das Ziel, den Güterverkehr mit marktwirtschaftlichen Anreizen auf die Schiene zu verlagern, solle nicht durch einen Ausbau der Strassen-Infrastruktur neutralisiert werden.
Luxus, wohin man schaut
Über 50 Welt- und Europa-Neuheiten sind in Genf zu bewundern. Swiss Rindspeed beispielsweise stellt einen Wagen aus, der sich per Knopfdruck um 75cm vergrössern lässt. Dadurch haben statt zwei auf einmal vier Personen Platz.
Vor allem jedoch mit Luxus und Pomp glänzt Genf dieses Jahr. DaimlerChrysler präsentiert die neue Luxus-Limousine Maybach. Sie werde «Mythos und Modernität in einem verbinden», charakterisierte DaimlerChrysler-Vorstandsmitglied Jürgen Hubbert auf dem Genfer Autosalon den Anspruch der neuen «Highend-Luxusmarke» des Konzerns. Die Preisliste für den Maybach beginnt bei etwa 430 000 Franken.
Der weltweite Markt für Autos dieser Kategorie, zu der vor allem auch Fahrzeuge von Rolls Royce und Bentley zählen, wird auf etwa 2500 Stück geschätzt. Als wichtigste Märkte bezeichnete DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp den Mittleren Osten, Asien und Teile Nordamerikas.
Mittelklasse-Marken steigen auf
Doch nicht nur die traditionellen Sportwagen wie Ferrari, Maserati, Porsche oder Lamborghini buhlen um die ganz Reichen der Welt. Auch andere wie Volkswagen, Peugeot und Skoda – traditionelle Mittelklasse-Hersteller – steigen in die Oberklasse ein.
Für den begeisterten Auto-Fahrer gibt die Frühlings-Schau am Genfer See jedenfalls genügend Aufschlüsse, wohin die Fahrt geht. Ein bisschen höher, ein bisschen breiter sind die kleinen Raumwunder, die unter anderem bei Peugeot, Ford oder Opel zu bestaunen sind.
Der in den USA beliebte Minivan wird auf europäische Verhältnisse zurechtgestutzt. In Aufbruch-Stimmung zeigen sich die beiden Massen-Hersteller Ford und Opel: mit Fusion und Fiesta (Ford) sowie Vectra und Corsa-Varianten.
Auch die Japaner zeigen in Genf neue «europäische» Modelle mit modernen Formen, die neue Kraft und Angriffs-Bereitschaft signalisieren. Mitsubishi-Vizechef Rolf Eckrodt sagte: «Wir bringen jetzt 18 neue Modelle in drei Jahren, vorher war nichts in der Pipeline – die Wende ist geschafft.»
Ungewisser Auto-Frühling
Dennoch war die Stimmung – zumindest hinter der glänzenden Kulisse – eher verhalten. Bernd Gotschalk, Präsident des Verbandes der deutschen Automobil-Industrie, brachte die Lage auf den Punkt: «Eine Schwalbe aus den USA macht noch keinen Auto-Frühling.»
Nach einem verhaltenen Start im Januar zeigt die internationale Auto-Branche im Februar wieder eine Stagnation. Es herrscht ein Verdrängungs-Kampf: So hat sich die Zahl der Strassen-Fahrzeuge in der Schweiz stabilisiert. Der Anstieg beträgt noch rund ein halbes Prozent.
700’000 Zuschauer erwartet
Der 72. Internationale Automobilsalon dauert bis zum 17. März 2002. Auf einer Fläche von 63 000 Quadtratmetern präsentieren sich in den Palexpo-Hallen 250 Aussteller, die 900 Automarken aus 30 Ländern vertreten.
Am Rande der Eröffnungs-Show protestierten etwa 20 Aktivisten der Umweltschutz-Organisation Greenpeace. Sie kennzeichneten auf dem Messegelände dort ausgestellte Dieselfahrzeuge mit Warnhinweisen «Achtung: Dieselkrebs». Nach eigenen Angaben wirft die Organisation den Autoherstellern vor, dagegen nichts zu unternehmen.
swissinfo und Agenturen
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