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Globalisierung auch auf Schweizer Chefetagen

John Mack (links) und Oswald Grübel: Zwei Ausländer an der Spitze von CS. swissinfo.ch

In den Chefsesseln von Schweizer Unternehmen sitzen immer mehr ausländische Manager. Heute ist schätzungsweise jedes sechste Konzernleitungs-Mitglied nicht Schweizer, Tendenz zunehmend.

Aus Sicht der Arbeitnehmer ist dies nicht unproblematisch.

In den vergangenen Monaten sind gleich einige Manager ohne Schweizer Pass an die Konzernspitzen hiesiger Unternehmen vorgerückt. So bei der Schweizer Rückversicherungs-Gesellschaft Swiss Re, wo der Brite John Coomber auf Walter B. Kielholz folgte.

Für den zurückgetretenen Rolf Hüppi hat der US-Amerikaner James Schiro die Leitung des Finanzdienstleistungs-Konzerns Zurich Financial Services übernommen. An der Spitze der zweitgrössten Schweizer Bank Credit Suisse steht nach dem Rückzug von Lukas Mühlemann neben dem Deutschen Oswald Grübel der US-amerikanische Wall-Street-Banker John Mack.

Bei weiteren Schweizer Unternehmen wirken seit längerer Zeit Top-Kader aus dem Ausland: So ist Roche-Konzernchef Franz Humer gebürtiger Österreicher. Nestlé wird vom Österreicher Peter Brabeck geführt. An der Spitze des Warenprüf- und Inspektions-Unternehmens SGS steht der Italo-Kanadier Sergio Marchionne, ehemals Konzernchef des Chemiekonzerns Lonza.

Wichtig für Export-Industrie

Die Zahl der ausländischen Führungskräfte in der Schweiz hat mit der fortschreitenden Globalisierung der Unternehmen in den letzten Jahren stets zugenommen. Die Tendenz sei weiter steigend, sagt Toni Nadig, Geschäftsführer der in der Outplacement-Beratung tätigen DBM (Drake Beam Morin) Zürich.

Die Manager kommen vor allem aus dem angelsächsischen Raum, also aus den USA und Grossbritannien, aber auch aus Asien oder Deutschland. Das hat seinen guten Grund: Für die Unternehmen ist es sinnvoll, Manager aus wichtigen Exportmärkten in ihren eigenen Reihen zu haben. Hier gehe es um Mentalitätsfragen und Know-how, sagt Nadig.

So habe ein Amerikaner ein Gespür für den US-Markt und wisse, wie Verhandlungen erfolgversprechend zu führen seien, welche Produkte auf dem Markt eine Chance hätten, erklärt Nadig. Für die exportorientierte Schweiz sind solche Erkenntnisse von grosser Bedeutung. Denn nicht nur die Unternehmen agieren global, auch die Konkurrenz ist global.

Zu wenig Schweizer Nachwuchs

Dazu kommt, dass es in der Schweiz schlicht zu wenig einheimische Manager gibt. Der Mangel an Schweizer Arbeitskräften gilt laut Nadig aber nicht nur für das Kader grosser Unternehmen oder für Universitäten, sondern auch im Bereich der Hilfskräfte. Ohne Ausländer würde die Schweizer Wirtschaft nicht funktionieren, ist der Fachmann überzeugt.

Ein Blick in die Vergangenheit zeige, dass auch alteingesessene Schweizer Unternehmen schon bei ihrer Gründungsphase ausländische Kräfte beigezogen hätten. Auch die Pioniere der Schweizer Wirtschaft hätten über die Grenze geschaut, sagt Nadig.

Für ausländische Manager ist die Schweiz ein attraktiver Arbeitsplatz. Die Lebensqualität sei gross, sagt Nadig. Dazu kommen ein gutes Bildungssystem, politische Stabilität und Sicherheit.

Druck aufs Personal wächst

In den Betrieben ist der Einzug ausländischer Führungskräfte spürbar, und dies nicht allein deshalb, weil immer mehr Unternehmen als Konzernsprache Englisch wählen.

Das Klima sei in den vergangenen drei bis vier Jahren vor allem in Banken mit stark internationalem Management deutlich härter geworden, sagt Mary-France Goy, Zentralsekretärin des Schweizerischen Bankpersonalverbands (SBPV). Das beziehe sich sowohl auf die Leistungsanforderungen an die Beschäftigten als auch auf die Lohnsysteme.

«Die Leute sind heute stärker gefordert», sagt Goy. Vor allem bei angelsächsisch geprägten Führungsspitzen würden Veränderungen schneller realisiert. Ziele würden rascher neu definiert, Strategien ausgewechselt.

Das führe bei den Angestellten nicht nur zu einer grossen Unsicherheit, sondern auch zu Unzufriedenheit. Unternehmen mit einem starken Schweizer Führungsteam dagegen wirken laut Goy kontinuierlicher.

Insgesamt sei aber die ganze Branche in Bewegung, sagt Goy. Es gebe in Grossbanken die Situation, dass ein Angestellter zirka alle acht Monate einen neuen Chef habe. Und Entspannung ist nicht in Sicht: Die Unruhe in den Führungsetagen werde in den kommenden Monaten weiterhin bestehen bleiben, sagt Goy.

Kulturwandel festgestellt

Ewald Ackermann, Sprecher des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), hat ebenfalls festgestellt, dass das Klima in den Betrieben im Zuge der Globalisierung in den vergangenen Jahren zunehmend härter geworden ist. Es habe einen deutlichen Kulturwandel gegeben.

Ob dies jedoch einen direkten Zusammenhang mit den ausländischen Top-Managern hat, ist für ihn nicht klar. Jedenfalls hätten auch die Schweizer Manager mit der härteren Gangart mitgehalten.

swissinfo und Iris Kronenberg (sda)

Einige ausländische Manager in Schweizer Unternehmen:

John Coomber (Swiss Re), James Schiro (Zurich FS), Oswald Grübel, John Mack (CS), Franz Humer (Roche), Peter Brabeck (Nestlé), Sergio Marchionne (SGS), Jürgen Dormann (ABB)

Durch die Schweizer Führungsetagen weht derzeit ein eisiger Wind. Unerfreuliche Geschäftsergebnisse, aber auch Pleiten, Pech und Pannen haben in diesem Jahr zu etlichen Rücktritten geführt.

Viele «Absteiger-Manager» sind Schweizer. Dagegen sind in den letzten Monaten einige ausländische Manager in die Führungsetagen hiesiger Unternehmen vorgerückt. Ungefähr jedes sechste Konzernleitungs-Mitglied hat keinen Schweizer Pass.

Laut Fachleuten gibt es in der Schweiz zu wenig Schweizer Manager. Ohne Ausländer, auch im Bereich der Hilfskräfte, würde die Schweizer Wirtschaft nicht funktionieren.

Mit der Zunahme ausländischer Manager an der Spitze von Schweizer Unternehmen wird auch ein Kulturwandel festgestellt, der aus der Sicht der Arbeitnehmer nicht unproblematisch ist.

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