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Goldau: Den Berg im Nacken, die Bahn im Dorf

Der Bahnhof Arth-Goldau ist einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Schweiz. Keystone

Beim Bergsturz von Goldau kamen vor zweihundert Jahren 457 Menschen ums Leben. Heute ist Goldau der wichtigste Verkehrsknotenpunkt der Zentralschweiz.

Jetzt will das Eisenbahnerdorf den Anschluss an die Alpen querende Bahn am Gotthard (NEAT) sicherstellen.

Der Bergsturz von Goldau brachte 1806 Tod und Verwüstung, schuf aber gleichzeitig eine spektakuläre neue Landschaft, in der das neue Dorf Goldau ab 1810 wieder aufgebaut wurde.

Die Tragödie schuf damals dringend benötigte Verdienstmöglichkeiten in dieser armen Region der Zentralschweiz. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts geriet Goldau in den Fokus des Eisenbahnbaus und des Rigi-Tourismus. In den Jahren 1873 bis 1875 entstand die Zahnradbahn von Goldau nach Rigi-Kulm (1800 M.ü.M).

Die Geschichte von Goldau ist untrennbar mit der Gotthardbahn verbunden. Ab 1875 wurde der Bau dieser Line auf der Nord-Südachse vorangetrieben. Fast hundert Jahre nach dem verheerenden Bergsturz war Goldau bereits der bedeutendste Eisenbahnknotenpunkt der Zentralschweiz.

Bergsturz bewegte mehr als nur Steine

Hat die Naturkatastrophe im Bewusstsein der Menschen etwas bewegt? «Die Gesellschaft nimmt die Gefahren der Natur erst dann zur Kenntnis, wenn sich diese durch spektakuläre Ereignisse bemerkbar machen», meint Christian Pfister, Professor für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte (WSU) am Historischen Institut der Universität Bern, gegenüber swissinfo.

Die Welt trifft sich in Goldau, an diesem Verkehrsknotenpunkt kommen die Eisenbahnlinien auf den Achsen Zürich-Gotthard-Italien, Deutschland-Basel-Luzern und von der Ostschweiz zusammen. Das Dorf am Fuss der Rigi und des Rossbergs ist Ausgangspunkt für wichtige touristische Ziele der Region.

Bergsturz deckte zu und legte frei

Der 1925 erbaute Natur- und Tierpark von Goldau gilt zusammen mit dem Bergsturzmuseum als Mahnmal der Naturkatastrophe vor 200 Jahren. Der Park zieht pro Jahr fast 400’000 Besucher an.

«Der abgebrochene Berg ist wie ein Krimi», meint der Hobby-Bergsturzforscher Thomas Reichlin. «Der Bergsturz hat 25 Millionen Jahre alte Ammoniten, pflanzliche Fossilien, Muscheln und sogar Spuren eines Nilpferdes freigelegt.»

Goldau lebt. Der Bahn- und Verkehrsknotenpunkt ist heute im Fokus der Neuen Eisenbahn Alpentransversale (NEAT), der Flachbahn durch die Alpen, die am Gotthard im Bau ist.

Der Basistunnel wird eine Länge von 57 km haben. Die neue Verbindung durch das Gotthardmassiv wird den Personen und Güterverkehr auf der Nord-Südachse markant verbessern.

Goldau will an die NEAT

Verkehrsexperten, politische Parteien und lokale Behörden setzten sich dafür ein, dass der Bahnhof Goldau im Rahmen des NEAT-Projekts am Gotthard voll an den nationalen und internationalen Schienenverkehr eingebunden bleibt.

Aufgrund der hervorragenden Verkehrsverbindungen ist aus dem Eisenbahnerdorf ein Schulzentrum geworden. In Goldau gibt es eine kantonale Berufsschule, und neu hat auch die Pädagogische Berufsschule Zentralschweiz ihren Sitz in Goldau.

Verschiedene Gewerbe- und Industriebetriebe für Eisenbahntechnik und Metallbau und die Garaventa AG (Seilbahnbau) sind als Teil eines Weltkonzerns in Goldau angesiedelt.

Vom Bergsturz nachhaltig lernen?

Der Bergsturz von Goldau liegt 200 Jahre zurück; doch manchmal rumpelt der Rossberg noch immer. Was lehren uns Naturkatastrophen? «Von einem nachhaltigen Lernprozess kann dann die Rede sein, wenn neue Strategien eingesetzt werden, um drohendes Unheil der Naturgewalten abzuwenden», meint Professor Christian Pfister.

«Neue Strategien erfordern jedoch ein fundamentales Umdenken; ein Prozess, der den gesamtgesellschaftlichen Wandel erfasst und zuweilen Weltbilder und Normen hinterfragt.»

Die Goldauer scheinen sich vor dem Rossberg nicht zu fürchten. Mit einfachen seismischen und Handmessungen glauben sie, das Gefahrenpotential am Rossberg im Griff zu haben.

Jubelfeiern zum 200. Gedenkjahr wird es in Goldau nicht geben. «Der Bergsturz ist nichts, was wir vermarkten wollen, das wäre pietätlos», meint die Gemeinderätin Margrit Betschart und Präsidentin des «OK Gedenkjahr Goldauer Bergsturz».

swissinfo, Erwin Dettling, Goldau

Der Bergsturz von Goldau am 2. September 1806 war eine der grössten Naturkatastrophen in der Schweiz.

Rund 40 Mio. Kubikmeter Felsmassen fegten vom Rossberg hinunter über das Dorf und seine Einwohner. 457 fanden den Tod, nur 14 konnten lebend gerettet werden.

Nach der Katastrophe setzte eine bisher einmalige Welle der Solidarität ein. Spenden kamen aus ganz Europa.

Das heutige Goldau wurde auf dem Schuttkegel wieder aufgebaut.

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