goldene gegenwart, unsichere zukunft
Die Schweiz und ihre Uhren gehören zusammen wie Zwillinge. Zu Recht: Die Schweizer Uhrenindustrie ist Weltmarkt-Leader – dank einer Mischung aus Innovation und Tradition.
Nach einer tiefen Krise und den Restrukturierungen der 1970er-Jahre haben die Exporte der Uhrenindustrie wieder kräftig angezogen. Doch die Zukunft ist keineswegs wolkenlos.
Uhren «Swiss made» sind weltweit geschätzt und gefragt. Auf 400 Jahre Tradition und Erfahrung kann die Schweizer Uhrenindustrie zurückblicken. Die Präzision und Qualität der Schweizer Uhren hat viel zum guten Ruf der Schweiz in der Welt beigetragen.
Heute werden 95% der Schweizer Uhrenproduktion exportiert. Weltweit. Im Jahr 2005 sind die Exporte sogar um 10% gestiegen und haben einen Umsatz von über 12 Mrd. Franken erreicht.
Mehr Luxusartikel
Ob klassische Armbanduhren, sportliche Uhren, Uhren mit Gold- oder Metall-Verzierungen oder kunsthandwerkliche Meisterstücke. «Wir decken alle Segmente
des Marktes ab», sagt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie. «Unsere Modellvielfalt ist einzigartig auf der Welt.» Rund 200 Marken fabrizieren ihre Uhren in der Schweiz. Gefertigt werden 25 Mio. Stück. Die Preise reichen von weniger als 200 Franken bis zu einer Mio. Franken für Sonderanfertigungen.
Der Durchschnittspreis einer Uhr beträgt 500 Franken und hat sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Die Preise sind wesentlich höher als bei der ausländischen Konkurrenz. «Vor allem die Nachfrage nach Luxusartikeln steigt», weiss Jean-Daniel Pasche.
Ende der 1970er-Jahre schien die Schweizer Uhrenindustrie den
Anschluss an die Konkurrenz verloren zu haben. Insbesondere die Japaner waren den Eidgenossen um Längen voraus.
Die Branche hat in dieser Phase eine tief greifende Umstrukturierung durchgemacht. Die Zahl der Angestellten ging von 90’000 im Jahr 1970 auf 30’000 im Jahr 1984 zurück.
Dann kam der bahnbrechende Erfolg von Swatch. Die Bieler Firma entwickelte sich in Kürze zum Weltmarktleader mit 18 Marken und 20’000 Angestellten in 50 Ländern. Dieser Erfolg kam «von unten». Denn Swatch bot preiswerte und farbige Uhren an, die sich jeder leisten konnte. Inzwischen hat die Melodie gewechselt. Nun gibt das Hochpreissegment den Ton an.
«Die Schweizer Uhrenindustrie war noch nie so sehr auf Luxus ausgerichtet wie heute», sagt Michel Jeannot, Chefredaktor einer Spezialzeitschrift.
Hochspezialisierten Firmen geht es entsprechend gut. Eher Mühe haben laut Jeannot Unternehmen, die Uhren im unteren und mittleren Preissegment anbieten.
Weniger, aber luxuriöser
Es scheint paradox: Günstige Produkte, welche die Uhrenindustrie vor 20 Jahren aus der Krise holten, haben heute grosse Mühe auf dem Markt. Vor allem wegen der Konkurrenz aus Asien.
Spezialisierung ist gefragt. «Wir verdienen immer mehr, weil
die Uhren immer besser und teurer werden. Die exportierte Stückzahl ist eher rückläufig», betont Jean-Daniel Pasche.
Kurzum: Weniger Uhren, aber luxuriösere. Doch wo soll dieser Trend enden? Wenn es so weiter geht, kommen auf die heimische Industrie konkrete Schwierigkeiten zu.
«Die Billiguhren machen quantitativ den Löwenanteil aus und sind für die Beschäftigungsrate und die Verbreitung von Fachwissen wichtig», sagt Pasche. «Um im Uhrenmarkt an der Weltspitze zu bleiben, müssen wir in allen Segmenten vertreten sein.»
Der gute Ruf der Schweizer Uhrenindustrie hängt historisch
am Know-how einiger grosser Uhrmachermeister sowie an der Qualität und Präzision der Produkte.
Der gute Ruf und die Tradition bleiben exklusiv für die Schweiz. Aber das Know-how? Bereits heute werden in China äusserst komplizierte Stücke wie das Uhrwerk «Tourbillon» gefertigt. In der Vergangenheit unterstanden diese praktisch einem Monopol der Schweizer.
Nicht mehr lange
Noch hat die Qualität der Chinesen nicht den Schweizer Standard erreicht. Aber viel fehlt nicht mehr. Wie kann die Schweiz ihre Vormachtstellung in der Uhrenindustrie in Anbetracht dieser Entwicklung verteidigen?
«Es ist eine Frage des Willens und der Investitionen von Seiten der Schweizer Markenfirmen», antwortet Jean-Daniel Pasche. «Unser Erfolg hat auch einen kulturellen Aspekt: In der Schweiz finden wir gut ausgebildete Mitarbeiter, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. Doch Nichts ist unveränderlich.»
«Die Konkurrenz im Hochpreissegment ist eine reale Gefahr», räumt Jeannot seinerseits ein. «Vor 30 Jahren lachte man auch über die Autos aus Japan. Und heute kaufen etliche Leute japanische Modelle.»
swissinfo, Marzio Pescia (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
In der Schweizer Uhrenindustrie sind zirka 40’000 Personen beschäftigt, vor allem im Jurabogen zwischen Genf und Basel.
Zur Zeit wird die Arbeitskraft knapp. Die Branche sucht bis ins Jahr 2010 rund 2100 Uhrmacherinnen und Uhrmacher.
95% der Schweizer Uhrenproduktion werden exportiert.
Hauptmärkte sind USA, Hongkong, Japan, England, Deutschland, Italien.
Die Schweizer Uhrenindustrie entstand im 16. Jahrhundert in Genf. Ende des Jahrhunderts hatten sich die Uhrmacher bereits einen ausgezeichneten Ruf erworben und eine eigene und weltweit erste Zunft gegründet.
Die Schweizer Uhrenindustrie hat in ihrer 400-jährigen Geschichte auch Krisen durchlebt, zuletzt in den 1970er-Jahren, als viele Betriebe Angestellte entlassen und restrukturieren mussten.
Heute ist die Uhrenindustrie nach der Maschinen- und der chemischen Industrie der drittwichtigste Industriezweig für den Export von Schweizer Produkten.
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