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Goldfabrik auf vollen Touren

Bei der Argor-Heraeus SA läuft das Geschäft auf Hochtouren. swissinfo.ch

Wegen der Unsicherheit auf den Finanzmärkten flüchten viele Anleger ins Gold. Das hat Folgen für die Goldraffinerien in der Schweiz. Sie arbeiten auf vollen Touren. Bei Argor-Heraeus in Mendrisio werden Überstunden geleistet, um die Nachfrage nach Goldbarren zu decken.

«Reden ist Silber, Schweigen ist Gold» steht auf einem Schild im Verwaltungstrakt. Und Erhard Oberle, CEO von Argor-Heraeus in Mendrisio, hat an diesem Morgen die silberne Variante gewählt. Er nimmt sich viel Zeit fürs Gespräch.

Seit 20 Jahren ist er Chef der Edelmetallraffinerie, in der sich alles um Gold, Silber und Platin dreht. «Was zur Zeit abläuft, habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt», sagt Oberle. Die Nachfrage sei so stark, dass sie kaum gestillt werden könne.

Grund: Wegen der Finanzkrise lechzen viele Anleger nach sicheren Werten. Gold- oder Silberbarren sind gefragt wie nie zuvor. Gold ist immer dann attraktiv, wenn alles andere unattraktiv ist. «Dabei spielt die aktuelle Preisentwicklung der Edelmetalle gar keine so entscheidende Rolle», meint der Firmenchef.

Barrengeschäft top

Argor produziert auch Halbfertigprodukte für die Schmuck- und Uhrenindustrie sowie Münzen und Medaillen. Doch das Barrengeschäft ist momentan klar top. Die Aufträge kommen von Geschäftsbanken, von Kantonal- bis zu Grossbanken, aus dem In- und Ausland.

Deren Kunden legen ihre Barren nachher in einen Banksafe oder nehmen sie gar mit nach Hause. So bleibt, wenn denn alles schief gehen sollte, zumindest der Rohstoffwert beim Besitzer.

Um die hohe Nachfrage befriedigen zu können, fährt Argor-Heraeus seit einigen Wochen einen Drei-Schichten-Betrieb rund um die Uhr, und sogar am Samstag werden Überstunden geleistet.

Dafür werden auch Temporärarbeitskräfte eingesetzt. Die Zahl der Mitarbeitenden ist auf 200 gestiegen, darunter viele Grenzgänger. Vor einigen Jahren war es nur die Hälfte. Mit einer Verarbeitung von mehr als 400 Tonnen Gold im Jahr gehört das Unternehmen zu den weltweit führenden Goldraffinerien.

Handys aus Gold

Trotz der erhöhten Nachfrage zu Investitionszwecken treten keine Marktengpässe auf. «Es ist weltweit genug Gold im Umlauf», sagt Oberli.

Konstant ist die Goldzufuhr aus Minen. Dazu kommt ein eher steigender Anteil an altem Schmuck, der wieder eingeschmolzen wird, sowie aus den grossen Banken-Goldbarren «Good Delivery» (12,44 Kilo oder 400 Unzen). Nur die Produktion hat eben ein Limit.

Auf der Nachfrageseite stehen die 1-Kilo-Barren im Moment an erster Stelle. Doch auch 100-Gramm oder 50-Gramm-Stücke sind gefragt. In der Fabrik wird durch Rückgewinnung aus dem angelieferten Edelmetall das zertifizierte Feingold (Reinheitsgrad 999 Promille) hergestellt.

Allerdings ist auch für Sonderwünsche Platz. So entdecken wir bei einem Rundgang goldene und mit Diamanten besetzte Handy-Gehäuse. Bestimmt sind sie für einen Händler aus Genf, der wiederum Kunden im Orient damit beliefert. Reiche Kunden. Denn das günstigste dieser Modelle kostet um die 250’000 Franken.

Herkunft abklären

Wichtig ist eine genaue Kontrolle des Materialeingangs und die einwandfreie Abklärung der Herkunft der Edelmetalle. Bei Argor weiss man warum. Im Jahr 2006 geriet die Firma in Verdacht, bei der Goldverarbeitung das UN-Embargo gegen die Republik Kongo gebrochen zu haben. Die Vorwürfe stellten sich nachher als falsch heraus.

Für die Arbeiter in der Fabrik ist der Umgang mit den Edelmetallen Alltag. «Am Anfang macht es dir Eindruck, solche Werte herumzufahren, doch inzwischen ist es ein Produkt wie jedes andere», sagt ein Arbeiter.

Gleichwohl muss die Firma hohe Sicherheitsvorkehrungen treffen. Von aussen wirkt die Fabrik wegen der hohen Mauern wie ein Gefängnis. Videokameras sind allgegenwärtig.

Im Inneren herrschen hohe Sicherheitsbestimmungen. Beim Verlassen der Haupthalle fischt ein Zufallsgenerator Personen heraus, die auf mögliche Edelmetallteile in ihren Kleidern untersucht werden.

swissinfo, Gerhard Lob, Mendrisio

Argor-Heraeus ist nicht die einzige Goldraffinerie, die im Moment auf vollen Touren arbeitet.

Zwei weitere stehen im Tessin: Valcambi SA in Balerna (Chiasso) sowie die Pamp SA in Castel San Pietro (ebenfalls bei Chiasso). Dazu kommt noch die Firma Metalor in Neuenburg.

Dass sich drei von vier Schweizer Raffinerien im Tessin befinden, ist kein Zufall. Zum einen war Italien wegen seiner Schmuckindustrie lange Zeit der grösste Abnehmer für Gold und Silber, zum anderen konnten durch die Grenzgänger leicht Arbeitskräfte für die teils schweren und monotonen Arbeiten gefunden werden.

Die Schweiz bürgt zudem wegen ihrer besonders rigiden Edelmetallkontrolle für Qualität in diesem Geschäft.

Gegründet wurde das Unternehmen 1951 als Argor SA in Chiasso. Der Name ist eine Zusammensetzung aus den französischen Worten «Argent» (Silber) und «Or» (Gold).

1973 gehörte die Firma zu 100 Prozent der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG; inzwischen UBS).

1988 zog das Unternehmen in eine neue Fabrik nach Mendrisio um. 1999 übernahm Heraeus (Hanau, Deutschland) alle SBG-Aktien.

Inzwischen teilen sich Heraeus, Commerzbank (Luxemburg), die Österreichische Münze und das firmeneigene Management das Aktienkapital zu zirka je einem Viertel. Die einstige Grossbank-Eigentümerin ist nur noch Kunde.

Argor-Heraeus Deutschland wurde 2004 gegründet. Der Sitz befindet sich in Pforzheim, dem Zentrum der deutschen Schmuckindustrie. Das Unternehmen hat Vertretungen in Lateinamerika und Italien.

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