Gotthard-Autobahn für mindestens drei Wochen gesperrt
Die Gotthard-Achse bleibt für den Autoverkehr mindestens drei Wochen gesperrt. Die Urner Behörden planen die Sprengung der gefährlichen Felsmassen.
Auf der Ausweichroute über den San-Bernardino, die schlecht für Mehrverkehr geeignet ist, kam es am Pfingstwochenende zu langen Staus.
Am Samstagmittag ist am Gotthard bei Gurtnellen erneut ein grosser Block aus der Abbruchstelle abgerutscht und vor der Autobahn liegen geblieben. Die Geologen untersuchen nun die damit verbundenen neuen Spannungsverlagerungen und Abplatzungen am Felsen.
Am letzten Mittwochvormittag waren bei Gurtnellen mehrere zimmergrosse Felsblöcke und viele Steinbrocken auf die Autobahn A2 und die Kantonsstrasse gestürzt. Ein Ehepaar aus Deutschland in einem Personenwagen wurde dabei getötet.
50 weitere potenzielle Ablösestellen
Zwischen Amsteg und Göschenen könnten an 50 weiteren Stellen jederzeit Felsbrocken auf die Autobahn A2 stürzen. Dies sagte der Geologe Franz Keller in einem Interview mit der «SonntagsZeitung».
Die meisten der Blöcke, die sich ablösen könnten, seien ein bis zwei Kubiklmeter gross und rund drei Tonnen schwer. Laut Keller könnten auch bis zu 15 Tonnen schwere Blöcke Richtung Tal donnern. Sprengungen machten aber nur bei einzelnen, absturzbereiten Blöcken Sinn.
Irgendwann komme dieses Material selber herunter. Im Bereich der Strasse müsse alle 10 bis 100 Jahre mit einem Ereignis gerechnet werden. Im Vergleich zum durchschnittlichen Niveau entlang der A2 im Kanton Uri bestehe zwischen Amsteg und Göschenen ein Schutzdefizit.
Frühestens in drei Wochen wieder befahrbar
Wie die Urner Kantonspolizei schreibt, sind die Fachleute zum Schluss gekommen, dass nur eine Sprengung der gefährlichen Felsmassen in Frage kommt.
Die Sprengung soll möglichst rasch durchgeführt werden, dass zu Beginn des Sommerreiseverkehrs die wichtigste Nord-Südachse mindestens mit Einschränkungen befahrbar ist. Gemäss Kantonspolizei dürfte dies «optimistisch betrachtet» frühestens in drei Wochen der Fall sein.
So lange bleiben die A2 und die Kantonsstrasse gesperrt, dringlicher Regionalverkehr wird tagsüber einzeln durch das Gefahrengebiet gelenkt. Im Nachgang zur Sprengung soll der geplante Schutzwall angepasst und binnen rund fünf Monaten realisiert werden.
Vereinzelt habe die Verkehrspolizei am Samstag in Amsteg Richtung Süden fahrende Fahrzeuglenker, praktisch ausschliesslich ausländische Touristen, anhalten und wenden lassen müssen, schreibt die Kantonspolizei weiter. Die wenigen auf der A2 Richtung Norden fahrenden Fahrzeuglenker wurden in Göschenen angehalten und umgeleitet.
San-Bernardino-Route als Ersatz
Nach der Sperrung der Gotthard-Autobahn wurde die San-Bernardino-Route zur wichtigsten Nord-Süd-Achse für den Strassenverkehr in der Schweiz. Bereits am Freitag wurden Richtung Süden eineinhalb und Richtung Norden gar drei Mal soviele Fahrzeuge gezählt wie vor einem Jahr.
Am Samstag stauten sich die Autos bereits am frühen Morgen. Am Pfingstmontag dagegen hat sich die Verkehrssituation auf der San Bernardino-Strecke deutlich entschärft.
Erschwerung durch Unfall
Zusätzlich erschwert wurde die Lage am Samstag durch einen Verkehrsunfall bei Zillis. Der Lenker eines Richtung Süden fahrenden Personenwagens war kurz eingenickt, sein Wagen geriet auf die Gegenfahrbahn und prallte in ein entgegenkommendes Auto.
Fünf Menschen wurden verletzt, zwei davon schwer.
Grösseres Bahnangebot
Bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) verlief der Betrieb laut Mitteilung planmässig und pünktlich. Zusätzlich zum ordentlichen Fahrplan und den geplanten 13 Extrazügen wurden kurzfristig 4000 weitere Sitzplätze Richtung Tessin offeriert. Mehrere Dutzend SBB-Mitarbeitende standen im Sondereinsatz.
Die SBB rüsten sich nun für die erwartete Rückreisewelle am Pfingstmontag. Die Autozüge der BLS Lötschbergbahn verkehren am Lötschberg-Tunnel bis auf weiteres nach einem verdichteten Fahrplan.
swissinfo und Agenturen
Während der Woche durchfahren täglich 10’000 Fahrzeuge den Gotthard-Tunnel.
Über ein normales Wochenende zählt man täglich 12’000 bis 13’000 Autos.
Während den letzten Ostertagen wurden täglich 20’000 bis 25’000 Fahrzeuge registriert.
Die Autobahn A2 mit dem 17 Kilometer langen Gotthard-Tunnel ist die wichtigste Nord-Süd-Verbindung durch die Alpen in der Schweiz.
Steinschlag und wiederholte Felsabbrüche an der Autobahn A2 gab es vor allem beim Dorf Gurtnellen, Kanton Uri. Die A2 bei Gurtnellen führt direkt in den Gotthard-Strassentunnel. Auch die Abzweigung für die Passstrasse über den Gotthard kommt erst nach den Felssturz-Stellen.
Die Schliessung der A2 führt zu Verkehrsschwierigkeiten auf der Nord-Süd-Achse. Alternativen zum Gotthard sind die A13 über die San-Bernardino-Route, wo aber einige Baustellen den Verkehr behindern, die Pässe Lukmanier, Julier, Maloja, Simplon und Grosser St. Bernhard sowie der Mont-Blanc-Tunnel.
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