Grauzone zwischen Kunden und Potentaten
Lob gibt es aus dem In- und Ausland: Aber Konten herrschender oder ehemaliger Diktatoren trüben das Bild der sauberen Schweizer Banken. Funktioniert das Prinzip der Selbstregulierung oder braucht es schärfere Gesetze? – Die Meinungen sind geteilt.
Die Schweiz sei daran, «eines der herausragendsten Länder bei der Rückgabe gestohlener Gelder an Entwicklungsländer» zu werden, lobte kürzlich die New York Times.
«Mit dem neuen Gesetz ergänzt die Schweiz ihr einschlägiges Massnahmenpaket und bestätigt ihre Vorreiterrolle im Bereich der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte», schreibt das Aussendepartement zur Einführung der so genannten Lex Duvalier, einem Rechtshilfegesetz, das seit dem 1. Februar 2012 in Kraft ist.
Dabei klammert die offizielle Schweiz die Tatsache aus, dass die Lex Duvalier nur für ganz wenige Länder und insbesondere weder für Tunesien, noch für Ägypten gilt.
Die Einschätzung der New York Times hat sich in der Zwischenzeit durch die Ereignisse überholt. Am 19. Januar hat der Bundesrat per Notrecht die in der Schweiz liegenden Vermögen des tunesischen Ben Ali Clans gesperrt.
Im Amt nicht rufschädigend
Dass die Sperrung erst erfolgte, nachdem der tunesische Herrscher von seinem Amt zurücktreten musste, und dass die in der Schweiz vermuteten Gelder des ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak noch nicht gesperrt worden sind, ist der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern (EvB) ein Dorn im Auge.
«Es gibt ein grosses Problem mit Potentaten, die im Amt sind. Diese Gelder tauchen erst auf, wenn die Potentaten aus dem Amt gekippt sind. Vom Prinzip her und wie die Schweiz das auch gegen aussen darstellt, müssten die Gelder schon vorher gesperrt werden», sagt EvB-Geschäftsleitungsmitglied Andreas Missbach gegenüber swissinfo.ch.
Es gebe zwei Gründe, weshalb dies nicht geschehen sei, sagt Missbach: «Die Schweiz will sich nicht mit Potentaten im Amt anlegen und die Banken haben kein Interesse, eine Geschäftsbeziehung zu beenden, solange diese nicht rufschädigend ist. Ein Potentat im Amt ist ja noch nicht rufschädigend.»
Bundesrat musste einschreiten
Genau hier liegt der springende Punkt. Laut dem Geldwäschereigesetz sind die Banken verpflichtet, Gelder von politische exponierten Personen (PEP) unter die Lupe zu nehmen und die Transaktionen zu kontrollieren. Das heisst: Die Banken müssen nachweisen, dass es sich um legale Gelder handelt. Das ist nicht immer einfach, es gibt Grauzonen zwischen legalen und illegalen Geldern.
Die bei Schweizer Banken vermuteten Mubarak-Gelder seien wahrscheinlich dieser «weiten Grauzone» zuzuordnen, sagt der Geldwäschereiexperte Daniel Thelesklaf gegenüber swissinfo.ch: Zudem gehe es in vielen Fällen auch «um jene Gelder, die Geschäftspartnern des Regimes zuzuordnen sind.
Hier ist es nicht einfach, zwischen legalen und illegalen Geldern zu unterscheiden, umso mehr als ja gerade westliche Regierungen mit diesen Firmen gute Geschäfte gemacht und selber keine Skrupel gehabt haben».
Fest stehe jedoch, dass «im Zusammenhang mit den Ben Ali-Geldern verdächtige Bewegungen oder Konten erst gemeldet wurden, nachdem der Bundesrat die Banken und alle andern Finanzinstitute dazu aufgefordert hatte», so Thelesklaf.
Finma muss abklären
Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich noch nicht sagen, ob die Banken im Fall Ben Ali die Sorgfaltspflicht verletzt hätten. Nun sei es an der Finanzmarktaufsicht, das abzuklären.
Es sei denkbar, dass «die Banken einfach Pech gehabt haben», sagt dazu Andreas Missbach. «Es kann sein, dass Mittelsmänner dazwischen geschaltet waren. Grundsätzlich gilt auch für die Banken die Unschuldsvermutung, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass hier nicht sauber gearbeitet wurde», so Missbach.
Grundsätzlich liegt der Entscheid bei der Geschäftsleitung der Banken, ob eine politisch exponierte Person ein Konto eröffnen kann oder nicht. Die Banken sind gesetzlich verpflichtet, Unregelmässigkeiten bei der Meldestelle für Geldwäscherei des Bundes anzuzeigen.
Schwachpunkt Selbstregulierung
Das System der Selbstregulierung funktioniere «recht gut», sagt Thelesklaf: «Es ist nicht möglich, die Geldwäscherei ganz zu verhindern mit welcher Regelung auch immer. Staaten, die eine rein behördliche Aufsicht haben, fahren nicht unbedingt besser.
Es ist allerdings nötig, dass unsere Behörden wieder einmal ein Signal setzen, dass man es mit diesen PEPs sehr ernst meint und dass man die Banken auffordert, hier besonders vorsichtig zu sein.»
Missbach sieht in der Selbstregulierung den «grundsätzlichen Schwachpunkt. Es hat natürlich seine Grenzen. Wenn das System nicht funktioniert, dann braucht es Verschärfungen».
So hätte der Bundesrat die Gelder von Ben Ali und seinem Umfeld bereits vor dem Umbruch in Tunesien sperren können, sagt Missbach: «Man könnte zudem offiziell vorgeben, welche PEP man in der Schweiz als Bankkunden haben möchte und welche nicht.»
Gelder gehören an die Oberfläche
Die beiden Experten sind sich einig: In den vergangenen Jahren hat sich punkto Geldwäscherei in der Schweiz einiges verbessert. Dennoch bestehe Handlungsbedarf. «Eine lückenlose Aufklärung und Transparenz» sei jetzt nötig, sagt Missbach.
Für Thelesklaf zeigt das «Beispiel Ben Ali – und weiss der Teufel, was da noch an die Oberfläche kommt -, dass das Problem noch nicht erledigt ist.» Die Schweiz werde als «einer der grössten Finanzplätze der Welt selbstverständlich immer wieder mit solchen Geldern in Berührung kommen.
«Ich glaube, es war ein Fehler zu sagen, sowas gibt es in der Schweiz nicht mehr. Richtigerweise müsste man sagen, ’selbstverständlich kommen wir damit in Berührung, aber wir brauchen ein System, das es erlaubt, solche Gelder an die Oberfläche kommen zu lassen, zu sperren und den betroffenen Ländern zurück zu geben›.»
Beim Kundensegment der PEPs (politically exposed persons) müssen die Banken erhöhte Vorsicht walten lassen.
Das gelte nicht nur für Potentaten, sondern auch für gewählte Politiker, sagt Thomas Sutter von der Schweizerischen Bankiervereinigung.
Es gibt heute PEP-Datenbanken, an die sich die Banken anschliessen können.
Einige Banken haben eigene PEP-Lösungen. Auch die Entourage sei wichtig, heisst es. Im Fall des tunesischen Ex-Präsidenten Ben-Ali habe die Liste der Entourage rund 40 Personen umfasst, sagte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey.
Sutter sieht die Problematik dieser Daten darin, dass jemand, der gestern noch als politisch geduldeter Potentat galt, morgen plötzlich eine Persona non grata ist.
Dies mache es den Banken auch nicht leichter beim Entscheid, sich an die Geldwäscherei-Behörden zu wenden oder nicht.
Die PEP-Kontrolle sei Bestandteil der jährlichen Prüfung der Banken, und zwar der Schweizerischen wie der Auslandsbanken. Dabei machen Revisionsgesellschaften Stichproben.
Was den guten Ruf der Schweiz anbelangt, gehe oft der Umstand vergessen, dass Potentaten ihre Gelder oft über Transaktionen im Ausland erhalten, etwa als Kick-Back bei Waffenexport-Geschäften.
Damit wird das illegale Geld unkontrolliert im Ausland erworben. Später werde es dann in der Schweiz deponiert, wo es zum Vorschein kommt und das Image des Finanzplatzes schädigt.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch