Grossbritannien wünscht besseres Steuerabkommen
Bezüglich Abgeltungsbesteuerung möchte Grossbritannien von der Schweiz dieselben Zugeständnisse wie sie Deutschland erhalten hat. Im Land wächst die Kritik am Steuerabkommen, das im Herbst 2011 mit der Schweiz abgeschlossen wurde.
Grossbritannien verlangt eine Neuversion des im letzten Oktober mit der Schweiz ausgehandelten Doppelbesteuerungs-Abkommens. «Die Verhandlungen zwischen dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und dem entsprechenden britischen Ministerium sind im Gang, und sollten in den kommenden Tagen unterschrieben werden», sagt Anne Césard, Sprecherin im Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (FIS) beim EFD.
Die Briten sind überzeugt, mit ihren Anträgen durchzukommen. Eine Meistbegünstigungsklausel im Abkommen sieht nämlich vor, dass Grossbritannien dieselben Bedingungen wie Deutschland erhalten soll. Deutschland hatte mit Bern im September 2011 einen Vertrag unterzeichnet.
Nun vermochte Berlin diesen April einen höheren Steuersatz für Vermögen von Deutschen auszuhandeln, die sich vor dem Inkrafttreten des Abkommens auf Konten in der Schweiz befanden. Dessen Termin ist auf Januar 2013 vorgesehen.
Dabei ist der vorgesehene Steuersatzbereich von bisher 19-34% auf neu 21-41% gestiegen. Deutschland wurde auch zugestanden, dass der «gegenseitige Zugang zum Markt» fallen gelassen wird. Auch dürfen neu 1300 Auskünfte über Steuerpflichtige mit Konten in der Schweiz eingeholt werden statt 999, wie anfangs vorgesehen.
Der Quellensteuersatz für die künftige Besteuerung von Kapitaleinkünften ab 2013 soll hingegen unverändert bleiben. Also 26,4% für Deutschland und 27-48% für Grossbritannien.
Unterhaus muss Abkommen noch gut heissen
Dass die Briten an bestmöglichen Bedingungen interessiert sind, hat auch damit zu tun, dass der Widerstand gegen die Quellenbesteuerung (also gegen die Abgeltungssteuer-Formel) analog zu Deutschland auch in Grossbritannien zu wachsen beginnt. Das Abkommen muss vom Unterhaus (britisches Parlament) in London noch gutheissen werden.
«Dieser Vertrag kommt einem Verrat gleich, den die britische Regierung an ihrem eigenen Volk begeht», erregt sich der in Sachen Steuerflucht engagierte Aktivist Richard Murphy. «Er kommt einer Blankovollmacht für die kriminellen Handlungen gleich, die von den Schweizer Banken organisiert werden.»
Als grosser Verfechter des automatischen Informationsaustauschs über die Vermögen der britischen Steuerzahler in den Offshore-Finanzplätzen ist er überzeugt, dass Grossbritannien Druck auf die Schweiz ausüben sollte, indem es den Schweizer Banken die UK-Lizenz entzieht. «Diese Banken, die bewusst gestohlenes Geld manipulieren, dürften auf britischem Boden nicht geschäften», so seine Überzeugung.
Trusts als Steuerversteck
Auch John Christensen, Direktor des NGO Tax Justice Network, schätzt, dass der Vertrag «voller Schwachstellen» ist. Ausserdem seien die von der Regierung in Aussicht gestellten, geschätzten Einkünfte aus dem Steuerabkommen von 5 bis 7 Milliarden Pfund «völlig überrissen».
Jene Briten, die ihr Geld im Ausland angelegt hätten, könnten «weiterhin vor ihren Steuerbeamten fliehen und sich hinter einer beliebigen Trust-, Versicherungs- oder Stiftungs-Konstruktion verstecken». Denn solche Anlageformen würden eine Identifikation des wirklichen Nutzniessers dieser Gelder verunmöglichen.
Und ausserdem gebe das späte, eineinhalb Jahre nach der Unterzeichnung anfallende Inkrafttreten des Abkommens diesen Leuten «genügend Zeit, ihr Geld in ein Land mit einer anderen Gesetzgebung oder in eine Auslandfiliale einer Schweizer Bank zu überweisen».
Das Abkommen sieht jedoch vor, den Engländern die zehn hauptsächlichen Länder mitzuteilen, in welche das meiste britische Geld vor dem 1. Januar 2013 abgeflossen ist, inklusive der Höhe der Geldsummen und der Anzahl der Fälle.
Kritische Parteien-Stimmen
Opposition gegen das britisch-schweizerische Steuerabkommen gibt es aber nicht nur in Kreisen der Zivilgesellschaft. Sie kommt auch von Seiten der politischen Parteien.
Ein im März publizierter Steuerfluchts-Bericht einer Subkommission des Unterhauses mit Autoren aus mehreren Parteien (Konservative, Labour, Liberaldemokraten, schottische Nationalisten) kritisiert vor allem die Höhe des Steuersatzes auf dem jährlichen Einkommen (27-48%).
«Es bereitet uns Sorge, dass jene Leute, deren Vermögen bisher Offshore versteckt blieb, steuermässig besser behandelt werden als jene, die das Gesetz befolgten», heisst es im Bericht. Das Steuerabkommen scheine demnach jene zu bevorzugen, die ihr Steueramt bewusst hintergangen hätten.
Hohe Einkommen unterliegen in Grossbritannien einem Steuersatz von 50%. Doch 2013 soll dieser Satz auf 45% gesenkt werden.
Einige Abgeordnete wie Caroline Lukas von den Grünen sowie John Mann und Tom Blenkinsop von Labour haben im Unterhaus selbst interveniert und Einsprache gegen das Abkommen erhoben. Christensen sagt, er hätte auch mit liberal-demokratischen Abgeordneten Kontakte gehabt, «die mir ihre Zweifel bezüglich des Quellensteuer-Abkommens mitteilten».
Sogar in der Branchenvereinigung der britischen Bankiers finden sich kritische Stimmen. Dieses Abkommen sei ein Kompromiss, auf den die Regierung einschwenken musste, um ihre wichtigsten Sponsoren und Geldgeber nicht vor den Kopf zu stossen, heisst es aus einer anonymen Informationsquelle. Es wäre deshalb sinnvoll, das Loch im britischen Steuerdispositiv zu stopfen.
Im Vergleich zu Deutschland jedoch bleibt der Ton in Grossbritannien gemässigter. «Dort wird das Abgeltungssteuer-Abkommen als ethische Herausforderung erachtet. Die Briten bleiben da viel pragmatischer», lässt sich eine nahe am Dossier arbeitende Schweizer Quelle vernehmen.
Obschon zurzeit in der Opposition scheut sich Labour davor, dieses Thema zu stark aufs Tapet zu bringen. Denn «der Beginn der Verhandlungen mit der Schweiz zu diesem Abkommen fällt noch in die Zeit, als Labour an der Macht war».
Die «Rubik»-Abkommen (Abgeltungs- oder Quellensteuer) zielen auf eine Regularisierung von bisher nicht-deklarierten, unversteuerten Guthaben ab, die ausländische Staatsangehörige in der Schweiz deponiert haben.
Zur Bereinigung der «Altlasten» wird eine Pauschalsteuer erhoben und das Geld unter Wahrung der Anonymität des Kontohalters an die Steuerbehörden in Deutschland und Grossbritannien überwiesen.
Für künftige Kapitalerträge soll dann eine Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden erhoben werden.
Bisher hat die Schweiz folgende Abkommen unterzeichnet:
Mit Grossbritannien (Oktober 2011, nachgebessert März 2012), Deutschland (Anfang April 2012, muss noch vom Parlament angenommen werden) sowie Österreich (April 2012).
Verhandlungen mit Griechenland sind im Gange, Interesse hat ebenfalls Italien.
Die Europäische Union stellt sich eigentlich gegen die «Rubik»-Abkommen und die Abgeltungssteuer und fordert stattdessen den automatischen Informationsaustausch mit den Schweizer Behörden.
Trotzdem hat Brüssel am Dienstag den beiden Abkommen mit Deutschland und Grossbritannien grünes Licht erteilt. Diese seien «vollumfänglich im Einklang mit dem europäischen Recht», sagte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta. Das Abkommen mit Österreich wird von der EU noch überprüft.
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)
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