Güterverkehr: Verlagerungsziel gefährdet?
Der Personenverkehr soll mit dem Fahrplanwechsel im Dezember um bis zu 20 Prozent zunehmen. Dies bringt die Bahn-Infrastruktur an ihre Grenzen.
Darunter könnte der Güterverkehr leiden: Laut einer ETH-Studie gefährden die Engpässe bei den Hauptknoten das Verlagerungsziel.
Wegen der Angebotserweiterung im Personenverkehr seien Engpässe bereits mit der Umstellung auf den Fahrplan Bahn 2000 am 12. Dezember zu erwarten, heisst es in der Studie, die das Institut für Verkehrsplanung und Transporttechnik (IVT) im Auftrag des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) verfasste.
Verlagerungsziel in Frage gestellt
Damit sei der Verlagerungsauftrag «zunehmend in Frage gestellt», heisst es in der Studie weiter. Besonders betroffen seien der Grossraum Zürich, das Dreieck Bern-Basel-Zürich sowie die Linie am Jura-Südfuss: Weil der Personen- vor dem Güterverkehr Vorrang hat, stauten sich hier zunehmend die Güterzüge.
«Wenn sie dauernd mit Verspätungen rechnen müssen, wird die Bahn für die Transportunternehmen zum unzuverlässigen Partner», sagte Frank Furrer, Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Anschlussgeleise- und Privatgüterwagenbesitzer (VAP).
Schon in der vergangenen Woche gab es für den Gütertransport eine Hiobsbotschaft: Die SBB Cargo AG kündigte gegenüber ihren Kunden eine mögliche Preiserhöhung um durchschnittlich 4 Prozent an. Grund war die Absicht des Bundes, die Trassenpreis-Subventionen schneller abzubauen als erwartet.
Zurück auf die Strasse
Bei weniger Kapazität zu höheren Preisen sei der Schritt zurück auf die Strasse naheliegend, sagte Furrer. Dies bestätigen auch Branchenvertreter: Unter den Engpässen leide nicht nur die Zuverlässigkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit, sagte Marcel Ott von der Schweizerischen Erdöl-Vereinigung.
Die Erdölbranche wickle inzwischen fast 80 Prozent des Verkehrs auf der Schiene ab. «Ich befürchte, dass das nun wieder einbricht», sagte er. Wie in der ganzen Transportbranche sei der Wettbewerbsdruck derart hoch, dass bei der Entscheidung Strasse oder Schiene jeder Franken zähle.
Für Ott ist diese Entwicklung das Resultat der zweischneidigen Verkehrspolitik des Bundes. Das offizielle Ziel sei eine Verkehrsverlagerung. Diese werde mit dem aktuellen System aber verhindert: Weil sich Trassenpreise nach Gewicht berechneten, bezahle der Güterverkehr am meisten, fahre dabei aber langsamer und habe auf dem Netz zudem die letzte Priorität.
Ott wie auch Furrer verlangen deshalb einen Ausgleich für den Güterverkehr. Entweder müssten die Preise weiter gestützt oder die Prioritätenordnung geändert werden.
Betriebliche Lösung möglich
Wenigstens dem Problem der Engpässe könnte laut der ETH-Studie auch mit betrieblichen Massnahmen beigekommen werden: Die Kapazität des Netzes liesse sich mit einer besseren Abstimmung des Personen- und des Güterverkehrs steigern.
Dies soll unter anderem durch die Erhöhung der Geschwindigkeit im Güterverkehr erreicht werden, wie Hans-Peter Hadorn, Leiter der Strategischen Planung SBB Cargo, auf Anfrage sagte. Diese liege heute bei 80 km/h und soll bis 2006 auf 100 bis 120 km/h gesteigert werden.
Weil damit der Güterverkehr schneller als der Regionalverkehr ist, können die Trassen laut Hadorn nach Geschwindigkeit gestaffelt von Schnellzügen, Güterzügen und schliesslich Regionalzügen benutzt werden.
Die ETH-Studie geht von einer stetigen Erhöhung der Nachfrage im Güterverkehr aus. Das Problem der Engpässe auf dem Schweizer Bahnnetz könnte sich deshalb auch selber lösen: Wenn die Transportunternehmen vermehrt auf Lastwagen umsatteln, gibt es auch wieder genügend Platz auf der Schiene.
swissinfo und Agenturen
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