GVO: Zwei Bauern, zwei Visionen
Elvira Bader und Josef Leu sind Landwirte und sitzen beide für die CVP im Nationalrat. In Bezug auf GVO vertreten sie jedoch gegenteilige Positionen.
Die Landwirtin aus dem Solothurnischen ist für ein fünf-jähriges Gentech-Moratorium, der Luzerner Bauer würde am liebsten schon morgen gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen.
«Heute sind wir in der Lage, gentechnisch veränderte Organismen in der Landwirtschaft einzusetzen. Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wie wir sie wieder entfernen können, sollten sie sich als schädlich erweisen.»
Elvira Bader, Bäuerin in Mümliswil in den Jura-Hügeln im Kanton Solothurn, setzt sich bei Politikern und Landwirten für ein Gentech-Moratorium ein.
Die Nationalrätin der Christlichdemokratischen Volkspartei CVP hat sechs Kinder und drei Enkelkinder. Der Bauernbetrieb gehört seit drei Generationen ihrer Familie.
«40 ha Land, 30 Kühe, 20 Rinder, sechs Pferde, drei Katzen, ein Hund und viele Mäuse», fasst die Bäuerin die wichtigen Daten ihres Gutes zusammen.
Langfristiger Aufwand bedroht
Der landwirtschaftliche Betrieb liegt zuoberst auf einem Hügel einige Kilometer ausserhalb des Dorfes. An diesem abgelegenen Ort, inmitten von Weiden und Wäldern, scheint eine gentechnisch-bedingte Verunreinigung unwahrscheinlich.
«Im Jura weht ein starker Wind. In einem Sturm können die Pollen kilometerweit fliegen und die Kulturen verunreinigen. Zudem könnten Kreuzungen mit wilden Pflanzen entstehen, von denen sich unsere Kühe ernähren», betont Elvira Bader besorgt.
«Die Gentechnologie an und für sich macht mir keine Angst. Sollte es aber so weit kommen, können wir unsere Milch nicht mehr als biologische oder integrierte Produkte (IP) verkaufen. Die jahrelange Arbeit wäre umsonst gewesen.»
Respekt vor den Naturgesetzen
Die Bäuerin zählt Dutzende von zusätzlichen Arbeiten auf, die sie zusammen mit ihrem Mann erledigen müsste, um eine Produktion zu garantieren, die Tiere und Umwelt respektiert.
«Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus integrierter oder biologischer Landwirtschaft dürfen nicht mehr als 0,5% GVO enthalten. Um diese Grenze nicht zu überschreiten, müssten wir auch Kosten übernehmen, um Produktionsflüsse zu trennen, Maschinen und Behälter zu reinigen und den Boden zu sanieren.»
Elvira Bader engagiert sich nicht nur so stark, um die Bauern vor GVO zu schützen, es geht ihr auch um ihre Familie.
«Den jungen Bauern ist die Bedeutung der Erde und der Respekt vor den Naturgesetzen heute viel bewusster. Zudem will ich meinen Kindern und Enkelkindern ein Naturerbe hinterlassen, wie ich es auf dieser Welt angetroffen habe.»
Fantastische Möglichkeiten
Rund 50 km entfernt von Elvira Bader wartet Josef Leu im luzernischen ungeduldig auf den Tag, an dem er auf seinem Gut gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen kann.
Er bewirtschaftet in Hohenrain 30 ha Land mit rund 50 Stück Vieh, Obstgärten und Feldern. Von dort bietet sich eine herrliche Sicht auf die Alpen.
«Ich würde schon morgen beginnen, wenn es möglich wäre. Die Gentechnik eröffnet wunderbare Möglichkeiten zugunsten der Umwelt. Sie erlaubt uns, die Selektion und Kultivierung von Pflanzen fortzusetzen, jedoch mit präziseren, effizienteren und schnelleren Methoden», ereifert sich der gelernte Agronom Josef Leu.
«Mit der Gentechnologie befindet sich die Landwirtschaft kurz vor dem Durchbruch, so dass sie den Einsatz von Pestiziden und Düngermitteln reduzieren kann.»
Immune Pflanzen
Der Luzerner Bauer, der sein Gut zusammen mit einem seiner vier Söhne bewirtschaftet, verfolgt die GVO-Versuche mit grossem Interesse.
Leidenschaftlich zieht er mit den Händen fiktive Furchen, aus denen er schon den neuen Mais spriessen sieht, der sich seinem schlimmsten Parasiten, dem Maiszünsler, widersetzen kann.
Oder die neue Kartoffel, die fähig ist, der Kartoffelfäule die Stirn zu bieten, einem Pilz, der in vergangenen Jahrhunderten für schwere Hungersnöte verantwortlich war.
«Was gibt es für einen Bio-Bauern besseres, als die Möglichkeit, eine Kartoffel anzupflanzen, die es erlaubt, chemische Substanzen zu reduzieren?», fragt Josef Leu.
Keine Angst
Für Ängste sieht der Luzerner Landwirt keinen Grund: Die Selektion resistenterer Pflanzen sei ein Natur-Phänomen.
«Dieses Bauerngut ist jetzt in der fünften Generation. Von meinen Vorfahren habe ich gelernt, die Natur mit Respekt zu behandeln, aber auch, gegenüber Veränderungen offen zu sein.»
«Ich habe eine starke emotionale Bindung zu dieser Scholle und habe mich verpflichtet, sie meinen Nachkommen in gutem Zustand zu hinterlassen. Deshalb der Wunsch, auf chemische Produkte zu verzichten und neue Erkenntnisse, auch solche über Gentechnologie, zu nutzen.»
swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Gaby Ochsenbein)
Elvira Bader aus Mümliswil im Kanton Solothurn ist verheiratet und Mutter von sechs Kindern, drei davon sind Adoptivkinder.
Seit 1999 sitzt sie für die CVP im Nationalrat.
Sie ist in verschiedenen Bauern- und Familien-Organisationen aktiv.
Josef Leu aus Hohenrain im Kanton Luzern ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
Er ist seit 1991 für die CVP im Nationalrat.
Leu vertritt unter anderem die Interessen verschiedener Betriebe aus dem Agrar- und Lebensmittelsektor.
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