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Halbierter Zollfreibetrag bringt Familien zusammen

Ein Zöllner blickt in einen Kofferraum voller Einkäufe
Nicht gemeldete Waren über 150 Franken Wert führen zu hohen Geldstrafen. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Die Senkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf 150 Franken führe nur zu einer "leichten Zunahme der Zollabfertigungen" und nicht zu Warteschlangen. Aber man bemerkt beim Zoll, dass in jenen Autos, die von den Supermärkten über die Grenze kommen, mehr Menschen sitzen.

Ohne Ironie ist dies vielleicht der positivste Aspekt der Halbierung der Mehrwertsteuerbefreiung, der so genannten Wertfreigrenze: Seit vor zwei Wochen die Grenze für den zollfreien Einkauf im Ausland auf 150 Franken gesenkt wurde, gehen viele Tessiner Familien wieder gemeinsam einkaufen.

Und sie sind geduldig, wenn es darum geht, in Italien einzukaufen – eine Shopping-Destination, die ein enges Budget manchmal vorgibt.

Das gemeinsame Einkaufen, das man auch als «Trick» bezeichnen könnte, um möglichst viel zollfrei einkaufen zu können, zeigt sich in den ersten Eindrücken, welche die Zöllnerinnen und Zöllner an den Grenzübergängen erlebt haben.

«Oft sind mehrere Personen an Bord eines Fahrzeugs, um als Familieneinheit die Befreiung von der Mehrwertsteuer in Anspruch nehmen zu können», sagt Nadia Passalacqua, Pressesprecherin für die italienische Schweiz beim Bundesamt für Zoll und Grenzschutz (BAZG). Die Befreiung gilt jedoch nicht, wenn ein einzelner Artikel einen Wert von mehr als 150 Franken hat.

«Leichte Zunahme der Zollabfertigungen»

Die Sprecherin des BAZG, die das italienischsprachige Radio und Fernsehen RSI für eine erste vorläufige Einschätzung befragte, berichtet von einer insgesamt ruhigen Lage.

«Wir verzeichnen eine leichte Zunahme der Zollabfertigungen, aber es gab keine Warteschlangen oder Menschenansammlungen. Was wir jedoch festgestellt haben, ist die Ehrlichkeit der Reisenden, die freiwillig anhalten, um ihre Waren zu deklarieren und zu verzollen.»

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Die Deklarationspflicht an der Grenze für Waren über 150 Franken gilt seit dem 1. Januar, während die Freigrenzen für Lebensmittel, Alkohol und Tabak unverändert geblieben sind.

«Insgesamt lässt sich feststellen, dass die neue Freigrenze zwar bekannt ist, aber nicht bei allen. Manchmal ist den Reisenden nicht klar, ob die Grenze pro Person, pro Ladung oder kumulativ gilt. Dabei handelt es sich jedoch um allgemeine Unklarheiten und nicht so sehr um die Herabsetzung der Freigrenze selbst.»

Die häufigsten Fehler beim Grenzübertritt

Die konkreten Beispiele, die Passalacqua anführt, verdeutlichen die Schwierigkeiten, die manche Leute haben: Da gibt es jene, die sich beim italienischen Zoll für die steuerfreie Verzollung anmelden und irrtümlich glauben, dass damit auch die schweizerische Mehrwertsteuer entrichtet ist.

Oder jene, die – ein weiterer Irrtum – glauben, dass der schweizerische Zoll das steuerfreie Geld zurückerstattet (und nicht die privaten Dienste, die sich um diese Rückerstattung kümmern).

Oder es gibt diejenigen, die in Italien kein Mehrwertsteuer-Formular ausfüllen und deshalb fälschlicherweise glauben, dass sie die Waren in der Schweiz nicht verzollen müssen.

Zu den konkreten Beispielen, die bei den Kontrollen hängenblieben, zählt die Sprecherin «den Trick eines Reisenden, der in Italien einen Mantel gekauft hatte und diesen für den Grenzübertritt anzog, ohne ihn zu verzollen».

Nicht deklarierte Waren werden zu Schmuggelware

Die Kontrollen, so die BAZG-Sprecherin weiter, würden weiterhin risikoorientiert durchgeführt: «Eine Verschärfung oder die Einführung systematischer Kontrollen ist nicht vorgesehen», sagt sie.

Aber: «Wenn das BAZG bei Kontrollen Waren entdeckt, die wertmässig über der Zollfreigrenze liegen und nicht korrekt deklariert wurden – und in dem Fall Schmuggelware sind –, kann dies neben der Nacherhebung von Zöllen auch eine Geldstrafe zur Folge haben.»

Es ist noch zu früh, um vorherzusagen, ob und in welchem Ausmass die Reisenden ihr Einkaufsverhalten ändern werden.

«Einige Beobachtungen an der Grenze deuten darauf hin, dass die Leute sagen, dass sie häufiger nach Italien fahren wollen, um ihre Einkäufe zu erledigen», sagt Passalacqua. Aber das sei eine empirische Einschätzung der Situation, also auf der Grundlage von Einzelaussagen.

«Man darf nicht vergessen, dass der Freibetrag nur einmal pro Tag und Person gewährt wird, auch wenn die Person die Grenze mehrmals an einem Tag überschreitet», so Passalacqua.

Zeit sparen mit der Quickzoll-App

Eine schnelle und moderne Möglichkeit, mögliche Wartezeiten an der Grenze zu vermeiden, ist die Selbstdeklaration über die Quickzoll-App, die automatisch berechnet, ob Abgaben anfallen. Falls ja, kann man sie direkt digital bezahlen.

«Sie ist einfach zu bedienen, man muss nur wenige Daten eingeben und spart Zeit, weil man an der Grenze nicht anhalten muss», betont die Sprecherin.

Die Quickzoll-App wurde 2018 für die einfache und autonome Zollabfertigung im Reiseverkehr eingeführt und wird zunehmend genutzt.

Seit ihrer Einführung wurde die App rund eine halbe Million Mal heruntergeladen. Im Jahr 2023 stieg die Zahl der per Smartphone abgegebenen Zollanmeldungen und entrichteten Abgaben um fast 30%.

«Bei der Einführung wurde bewusst auf die Anwendung unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze verzichtet und nur die Abrechnung zum Normalsatz ermöglicht. Eine Weiterentwicklung von Quickzoll mit einem reduzierten Steuersatz ist bereits geplant. Die neue Version soll ab 2026 eingeführt werden», sagt Passalacqua.

Die Umsetzung soll mit den zahlreichen IT-Projekten im Rahmen eines Transformationsprogramms abgestimmt werden. Bis dahin können Waren, für die der reduzierte Steuersatz gilt, am Schalter oder über eine Deklarationsbox angemeldet werden.

Die Zahlen zeigen, dass die Reisenden ihre Waren vermehrt über Quickzoll anmelden: Allein im Jahr 2023 wurden 68’675 Zollanmeldungen und 6’528’393 Franken Einnahmen verzeichnet.

In den letzten drei Jahren hat das BAZG jährlich rund 35 Millionen Franken an Mehrwertsteuer aus dem Reiseverkehr eingenommen. In den Jahren 2020-21 beliefen sich die Einnahmen auf rund 25 Millionen Franken.

Darin enthalten sind nicht nur die Mehrwertsteuereinnahmen von Reisenden, die nur zum Einkaufen ins Ausland gereist sind (Einkaufstourismus). Dazu gehört beispielsweise auch die Mehrwertsteuer, die von Ferien- oder Geschäftsreisenden auf Waren entrichtet wird, die sie während ihrer Reise im Ausland gekauft und mitgebracht haben und deren Gesamtwert über der Freigrenze liegt.

Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub

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