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Harte neue Regeln für junge Fahrzeuglenker

Der Weg zum Schweizer Führerausweis wird härter. Keystone

Ab dem 1. Dezember müssen sich Neulenker in der Schweiz während drei Jahren bewähren, bevor sie den unbefristeten Führerausweis erhalten.

Während dieser Zeit müssen zwei ganztägige Weiterbildungskurse besucht werden. Damit will die Regierung die hohe Zahl von Unfällen durch Neulenker senken.

Die neuen Regeln betreffen alle, die in der Schweiz nach dem 1. Dezember 2005 einen Lernfahr-Ausweis für Autos oder Motorfahrräder beantragen.

Die Änderung im Verfahren soll die Sicherheit auf den Strassen verbessern. Laut Statistiken waren Neulenker mit weniger als einem Jahr Fahrpraxis im Jahr 2004 an 3883 Unfällen beteiligt, mehr als doppelt so viele, wie über 65-Jährige verursacht hatten.

Unter 18- bis 24-jährigen Personen sind Autounfälle sogar die häufigste Todesursache.

Unfälle verhindern

«Ungenügende Erfahrung am Steuer, die Tendenz zur Selbstüberschätzung, Gruppendruck und Alkohol können eine hochexplosive Mischung sein», sagt Jolanda van de Graaf vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) gegenüber swissinfo.

«Es ist daher sehr wichtig, dass junge Leute während der ersten drei Jahre begleitet werden», mit Massnahmen wie den obligatorischen Weiterbildungskursen.

Im ASTRA sei man überzeugt, dass dadurch weniger Menschen ihr Leben auf der Strasse verlieren und die Gesundheitskosten nach Unfällen reduziert werden können. Erfahrungen in anderen Ländern hätten dies bereits bewiesen.

Zweiphasen-Ausbildung

Der erste Tag der Weiterbildung muss innerhalb von sechs Monaten nach der erfolgreichen Fahrprüfung besucht werden. In Theorie und Praxis sollen die Neulenkerinnen und Neulenker ihr Bewusstsein schärfen, um gefährliche Verkehrssituationen erkennen zu können.

Am zweiten Kurstag, der innerhalb von drei Jahren besucht werden muss, verbessern die Kandidaten Selbstbeurteilung und Fahrkönnen sowie ihr Verhalten gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern.

Ein speziell ausgebildeter Instruktor sitzt dabei im Wagen, während andere Neulenker nach der Fahrt ihre Rückmeldungen geben.

Falls ein Neulenker die Kurse nicht besteht oder innerhalb dieser drei Jahre einen Führerausweis-Entzug provoziert hat, wird die Probephase um ein Jahr verlängert.

Bei Wiederholungstaten wird der Führerausweis entzogen. Ein neuer Lernfahr-Ausweis kann erst wieder nach einem Jahr beantragt werden, begleitet von einem Bericht eines Verkehrspsychologen.

Unterschiedliche Ansichten

Bei den Fahrlehrern stösst die neue Regelung auf unterschiedliche Reaktionen. Für Ravaldo Guerrini vom Ostschweizer Fahrlehrerverband sind die Massnahmen ein Schritt in die richtige Richtung, um Unfälle zu vermeiden.

«Es ist eine positive Botschaft für junge Fahrerinnen und Fahrer», sagte er gegenüber swissinfo. «Nicht alle jungen Neulenker sind erfreut darüber, aber wer anständig fährt, hat keine Mühe mit der dreijährigen Probezeit.»

Jürg Schneider, Fahrlehrer in Bern, ist froh über die härteren Regeln für Verkehrssünden, die seiner Meinung nach ein Abschreckungsmittel sein könnten.

Doch gegenüber dem Training ist er skeptischer. Schneider befürchtet, der erste Kurstag könnte Fahrer dazu führen, näher am Limit zu fahren, weil sie dort den Umgang mit gefährlichen Situationen geübt hätten. Der zweite Teil könnte mehr zu einer «Vergnügungsfahrt» werden statt zu einer nützlichen Übung.

«Für mich würde es mehr Sinn machen, die Fahrprüfung zu erschweren und einigen Leuten den Führerausweis zu verweigern, bei denen es klar scheint, dass sie nicht auf der Strasse sein sollten», erklärte Schneider.

Kostenfaktor

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Kosten: Die beiden Kurstage werden rund 600 bis 800 Franken kosten. Dies zusätzlich zu den vor der Fahrprüfung zu belegenden vier Kursen, die mit durchschnittlich 2500 Franken zu Buche schlagen – Theorie-Test, ca. 20 Fahrstunden, Erste Hilfe und Verkehrskunde.

In den letzten Monaten haben die Strassenverkehrsämter der Kantone daher einen regelrechten Ansturm verzeichnet: Viele Junge über 18 wollten ihren Lernfahr-Ausweis noch vor dem 1. Dezember beantragen, um von der bisherigen Regelung zu profitieren.

«Es gibt Kantone, die bis zu 50 Prozent mehr Anfragen erhalten haben», bestätigte Sven Britschgi, Geschäftsführer der Vereinigung der Strassenverkehrs-Ämter (ASA) gegenüber swissinfo.

swissinfo, Isobel Leybold-Johnson
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Am 15. Dezember ist im Ständerat eine Motion auf dem Programm, die Fahrprüfungen nur noch in einer Landessprache erlauben will.

Heute kann diese in den meisten Kantonen in bis zu neun Sprachen absolviert werden, u.a. Englisch, Albanisch und Türkisch.

Die Regierung lehnt die Motion ab mit der Begründung, eine solche Regelung könnte dazu führen, dass Personen von der Ausübung eines qualifizierten Berufes ausgeschlossen würden. Es sei an den Kantonen, darüber zu entscheiden.

2004 waren Neulenker in 3883 Unfälle verwickelt (Zahlen des Touring Club Schweiz TCS).
Diese Zahl sinkt erfahrungsgemäss im dritten Jahr nach Erwerb des Führerausweises bereits auf unter 1500 Unfälle.
Verkehrsunfälle sind bei 18- bis 24-Jährigen die häufigste Todesursache.

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