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Heimlicher Deal mit Sulzer-Aktien hat Folgen

Auch Investment-Chef Hans Fischer muss die ZKB verlassen. Keystone

Der stille Aufkauf von 32% der Sulzer-Aktien durch ein russisch-österreichisches Finanzkonsortium hat dem Ruf nach strengeren Übernahme-Gesetzen neuen Auftrieb gegeben.

Die Eidgenössische Banken-Kommission untersucht den Fall, der bei der Zürcher Kantonalbank zum Rücktritt von Konzernchef Vögeli und weiterer Kaderleute geführt hat.

Der Winterthurer Konzern Sulzer zeigte sich – trotz früherer Spekulationen – überrascht, als gegen Ende April bekannt wurde, dass das ausländische Finanzkonsortium fast einen Drittel der Sulzer-Aktien hält.

Der heimlich erfolgte Ausbau des Aktienpakets war über das Unternehmen Everest erfolgt. Dieses gehört der Beteiligungs-Gesellschaft Renova des russischen Milliardärs Viktor Vekselberg und der von den Österreichern Ronny Pecik und Georg Stump kontrollierten Victory-Gruppe.

Sulzer-Präsident Ulf Berg kritisierte Lücken in der Schweizer Gesetzgebung. Dies ermögliche feindlichen Investoren, die Meldepflichten zu umgehen, indem sie statt Aktien so genannte Barauszahlungs-Optionen erwerben und damit ihre Stimmrechts-Anteile heimlich erhöhen könnten.

Professor Hans Geiger vom Schweizer Banken-Institut der Universität Zürich erklärte gegenüber swissinfo, die Massnahmen, die zur Zeit erarbeitet und im Verlauf des Sommers umgesetzt werden sollten, um Schlupflöcher zu stoppen, könnten für Schweizer Firmen nicht schnell genug kommen.

Schlupfloch ausgenutzt

«Offenbar gibt es Fehler in den Regelungen, indem der Erwerb von Barauszahlungs-Optionen von der Meldepflicht nicht erfasst wird. Diese Regeln sollten revidiert werden, da sie zu vage sind», sagt Geiger.

«Aus einer kapitalistischen Perspektive betrachtet, sind Firmenübernahmen eine gute Sache. Sie führen zu diszipliniertem Management und helfen dem Aktionär «, so Geiger. Auch sorgten sie dafür, dass Kapital auf effizienteste Weise investiert werde.

«Die Firmen, die ins Visier geraten, sollten aber eine Chance haben, sich verteidigen zu können. Und die Aktionäre sollten informiert werden, so dass sie fundiert entscheiden können, ob sie verkaufen wollen oder nicht.»

Nach geltendem Übernahme-Recht muss ein Käufer melden, wenn er 5% der Aktien oder Optionen darauf erworben hat; und alle weiteren Schritte von jeweils 5%. Wenn ein Aktionär einen Drittel der Stimmrechts-Aktien hält, muss ein Übernahmeangebot erfolgen.

So erfuhren die Sulzer-Aktionäre denn auch plötzlich eines Tages im April, dass ein potentiell feindlicher Investor überraschend 32% des Aktienpakets hielt.

Im Fall Sulzer geriet nicht nur die Meldepflicht-Regelung unter Beschuss, sondern auch die Rolle der Banken, vor allem jene der ZKB und der Deutschen Bank, die dem russisch-österreichischen Konsortium geholfen haben sollen.

Köpferollen bei der ZKB

Am 7. Mai zog Hans Vögeli, der Konzernchef der Zürcher Kantonalbank, die Konsequenzen aus der «Sulzer-Affäre». Er tritt per Ende Mai zurück. Per sofort den Hut nehmen muss Markus Hofmann, Leiter Handel und Kapitalmarkt.

Bereits zuvor war der Rücktritt von Hans Fischer, Chef des Investment und Private Banking bei der ZKB, angekündigt worden, nachdem sein Team offenbar Sulzer-Pakete aufkaufte, ohne das Wissen der Bankspitze.

«Wenn es möglich ist, einem guten Kunden in den Rücken zu fallen, indem man interne Regeln umgeht, ist das ein Zeichen, dass die internen Massstäbe nicht hoch genug angesetzt sind», erklärte ein ZKB-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Der Sulzer-Deal geriet auch ins Visier der Eidgenössischen Banken-Kommission, die ermittelt, wie das Finanzkonsortium heimlich ein so grosses Aktienpaket ansammeln konnte.

Eine Sprecherin der Kommission bestätigte gegenüber swissinfo, dass die EBK verschiedene Transaktionen mit Aktien und Optionen von Sulzer im Zusammenhang mit der geltenden Meldepflicht unter die Lupe nehme. Die EBK werde aber keine Details zu den Transaktionen oder anderen daran Beteiligten bekannt machen.

Nach Schweizer Recht müsste auch mit offenen Karten gespielt und gemeldet werden, wenn eine Gruppe von Investoren Aktien und Optionen zusammenkauft. Die Aktien oder Optionen im Besitz einer solchen Gruppe müssten dann insgesamt als ein Anteil gemeldet werden.

In der Zwischenzeit ist Sulzer mit einem eigenen Übernahmeangebot in Höhe von 2,7 Mrd. Franken für die britische Bodycote und für Teile des Pumpen-Herstellers Weir Group selber abgeblitzt.

swissinfo, Matthew Allen und Agenturen
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Nach Schweizer Börsenrecht muss der Kauf von 5% oder mehr der Aktien einer kotierten Firma gemeldet werden. Eine Limite von 5% gilt auch für Optionen sowie für alle weiteren Zukäufe, in Schritten von jeweils 5%.

Umgehen kann man diese Meldepflicht bisher mit den Barauszahlungs-Optionen, die nicht meldepflichtig sind. (Solche Optionen sind Verträge, die gegen Bargeld oder Aktien umgetauscht werden können.)

Um solche Schlupflöcher zu stopfen und für mehr Transparenz zu sorgen, soll das Börsengesetz revidiert werden. Die Vorlage soll in der kommenden Sommersession vom Parlament verabschiedet werden.

Die EBK plant zudem eine dringliche Revision der Börsenverordnung, um auch Optionen der Meldepflicht zu unterstellen.

Sulzer ist nur das jüngste Beispiel für eine Reihe von Schweizer Konzernen, die in letzter Zeit Angriffen von feindlichen Investoren ausgesetzt waren.

Vor zwei Jahren übernahm die Beteiligungs-Gesellschaft Victory den Unaxis-Konzern (seither in OC Oerlikon umbenannt), nachdem sie zuvor heimlich ihren Aktienanteil erhöht hatte. Mittlerweilen hält auch die Renova einen Teil der Aktien.

Die österreichische Beteiligungs-Gruppe wiederholte dann ihren Trick mit dem Maschinenbau-Konzern Saurer. Zudem kaufte Victory progressiv Aktien des Telekommunikations-Unternehmens Ascom auf.

Die Schweizer Baugruppe Implenia forderte die Behörden letzten Monat auf, zu untersuchen, wie der britische Hedge-Fonds Laxey Partners heimlich mehr als einen Fünftel der Implenia-Aktien erwerben konnte.

Untersuchungen gibt es auch wegen des Übernahmeangebots des französischen Rückversicherers Scor für seinen Schweizer Konkurrenten Converium. Scor hatte zuvor von Converium-Grossaktionär Martin Ebner dessen 20%-Beteiligung übernommen und hält nun mehr als 32% der Aktien.

Am 21. April gab die Everst, eine Firma, die der Renova und der Victory gehört, bekannt, sie halte 18% der Sulzer-Aktien und weitere 14% in Optionen (Finanzinstrumente, die den Besitzer zu einem späteren Kauf von Aktien berechtigen).

Vergangene Woche wurde klar, dass die ZKB, Sulzers Hausbank, dem Finanzkonsortium geholfen hatte, seinen Anteil auszubauen, ohne dass die Spitzenkräfte der Bank davon Kenntnis hatten.

Auch sickerte durch, dass die Bank selber 8,49% des Stimmrecht-Anteils von Sulzer erworben hatte; ob dies in Zusammenhang stand mit dem Konsortium, ist offen.

Am 4. Mai gab die ZKB bekannt, dass ihr Investment- und Private-Banking-Chef Hans Fischer die Bank auf Ende Mai verlassen wird. Zudem überarbeitet die ZKB ihre internen Vorgaben, weist aber Vorwürfe zurück, im Fall Sulzer illegal gehandelt zu haben.

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