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Höhere Arbeitslosigkeit trifft vor allem Jugendliche

Eine junge Frau trägt sich in einem regionalen Arbeitsvermittlungs-Zentrum ein. Keystone

Nach mehreren Monaten mit rückläufigen Zahlen ist die Arbeitslosigkeit in der Schweiz im August wieder gestiegen. Besonders betroffen sind die Jugendlichen.

Gleichzeitig hat die Kurzarbeit massiv abgenommen.

Laut Experten des Staatssekretariates für Wirtschaft (seco) ist die Konjunktur zwar gut, doch wirke sich dies auf dem Arbeitsmarkt noch nicht aus, sagt seco-Sprecherin Rita Baldegger gegenüber swissinfo.

Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 3,6 Prozent im Juli auf 3,7 Prozent. Dies entspricht knapp 146’000 eingeschriebenen Stellenlosen.

Massiv weniger Kurzarbeit

«Derzeit reduzieren die Unternehmen die Kurzarbeit beträchtlich», so Baldegger weiter. Im Juli 2004 sei die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Personen um 52 Prozent auf rund 1600 Personen gesunken.

Die Zahl der betroffenen Betriebe sank um 35,3 Prozent auf rund 200. Die ausgefallenen Arbeitsstunden nahmen um 55 Prozent auf fast 80’000 Stunden ab. In der entsprechenden Vorjahresperiode waren über 320’000 Ausfallstunden registriert worden, die sich auf mehr als 5500 Personen in rund 600 Betrieben verteilt hatten.

Das seco zeigte sich erfreut über den massiven Rückgang der Kurzarbeit. Dies zeige, dass die Auslastung steige und später die Notwendigkeit für die Schaffung neuer Stellen zunehmen werde.

Schulabgänger besonders betroffen

Die Zunahme der Arbeitslosigkeit im August wurde wegen dem Ende der Ausbildung von vielen jungen Menschen erwartet. «Das ist eine heikle Umsteigesituation», so Baldegger.

Bei den 15- bis 24-Jährigen nahm die Arbeitslosenquote von 4,6 Prozent im Juli auf 5,3 Prozent zu. Dies entspricht fast 30’000 Arbeitslosen in dieser Alterskategorie. Mit einer Quote von 6,0 Prozent lag die Arbeitslosigkeit bei den 20- bis 24-Jährigen am höchsten.

Diese Situation ist für das seco unbefriedigend, auch wenn man feststelle, dass der Schweizer Arbeitsmarkt Jugendliche nach wie vor recht gut absorbiere. Immerhin hätten von 60’000 Lehr- und Schulabgängern 53’000 eine Stelle gefunden.

Massnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit

Für die jungen Menschen ohne Arbeit seien vom seco verschiedene Massnahmen vorgeschlagen worden, die ihnen helfen sollen, diese Umsteigesituation zu meistern.

Laut Baldegger erhofft sich das seco, dank der Lehrstellen-Hotline, Brückenangeboten, Motivations-Semestern für Schulabgänger oder Praktika, die durch die Arbeitslosenversicherung mitfinanziert sind, positive Effekte für stellensuchende Jugendliche.

Gewerkschaften appellieren an Wirtschaft und Behörden

Die neusten Zahlen über die Jugendarbeitslosigkeit sind für Peter Sigerist, Zentralsekretär für Bildung beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), «erschütternd». Besonders schmerzlich sei es, dass der Konjunkturanstieg die Situation der Jugendlichen auf dem Stellenmarkt nicht verbessert habe.

«Jetzt müssen Sofortmassnahmen ergriffen werden», sagt Sigerist gegenüber swissinfo. Betriebe müssten zum Beispiel Jugendliche, die ihre Lehre abgeschlossen haben, mindestens für ein Jahr weiterbeschäftigen oder ihnen Weiterbildungsangebote machen, damit sie später mehr Chancen auf dem Stellenmarkt haben.

Für Schulabgänger, die keine Lehrstelle finden, fordert der SGB Brückenangebote wie das zehnte Schuljahr oder eine Vorlehre. «Die Wirtschaft muss generell das Lehrstellenangebot erweitern», so Sigerist weiter.

Und wenn alles nichts tauge, müssten die Behörden, der Staat eingreifen mit zusätzlichen Massnahmen. «Hier sehen wir zum Beispiel die Schaffung von Lehrwerkstätten.» Diese müssten nicht unbedingt staatlich sein, sondern gemeinsam mit der Wirtschaft geführt werden, sagt der SGB-Bildungssekretär.

Mehr Frauen als Männer

Bei den Frauen lag die Arbeitslosenquote Ende August bei 4,0 Prozent, bei den Männern bei 3,5 Prozent.

Der Blick auf die Entwicklung in den Kantonen zeigt, dass Genf mit 7,1 Prozent mit Abstand die höchste Arbeitslosenquote aufwies. In insgesamt 18 Kantonen stieg die Arbeitslosenquote im August leicht um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte an.

Aufschwung soll 2005 zu wirken beginnen

Für die nächste Zukunft rechnet Jean-Luc Nordmann, Direktor der Direktion für Arbeit des seco, aber mit einer weiteren Zunahme der Arbeitslosigkeit. «Aus saisonalen Gründen hält dieser Trend in den nächsten Monaten noch an», so Nordmann.

Im nächsten Monat sei noch mit neu eingeschriebenen Jugendlichen zu rechnen. Anschliessend werde sich der saisonale Nachfragerückgang auf dem Bau und im Tourismus negativ auswirken.

Dann aber soll der Aufschwung, an den das seco weiterhin glaubt, endlich Entspannung auf dem Arbeitsmarkt bringen. Im Durchschnitt rechnet das seco für das laufende Jahr mit 150’000 Arbeitslosen oder einer Quote von 3,8 Prozent. Im nächsten Jahr soll die Arbeitslosigkeit dann zurückgehen und einen Mittelwert von 2,8 bis 3,1 Prozent erreichen.

swissinfo

Arbeitslosigkeit im August 2004: 3,8%

Arbeitslosigkeit im Januar 2004: 4,3%

Jugendarbeitslosigkeit im August 2004 (15-24-Jährige): 5,3%

79,3% der Arbeitslosen finden innerhalb eines Jahres eine neue Stelle

Im Januar 2004 betrug die Arbeitslosenquote in der Schweiz 4,3%. Nach mehreren Monaten mit rückläufigen Zahlen ist sie im August wieder gestiegen.

Deshalb rechnen die Experten des Staatssekretariates für Wirtschaft (seco) mit einer durchschnittlichen Jahresarbeitslosigkeit für 2004 von 3,8%. 2002 betrug sie noch 2,5%.

Infolge zahlreicher Immigranten mit befristeten Verträgen und der besonderen Struktur des Arbeitsmarktes hat die Schweiz eine wesentlich niedrigere Arbeitslosenquote als die Nachbarländer.

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