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Holdingboom: Steuer-Paradies oder -Schlupfloch?

Der steuergünstige Kanton Zug ist auch bei ausländischen Firmen äusserst beliebt. Keystone

Die über 20'000 Holding-Gesellschaften in der Schweiz verwalten ein Vermögen von rund 500 Mrd. Franken. Und das Wachstum setzt sich fort: 2007 wurden 25% mehr Holdings gegründet als im Vorjahr.

Der Holding-Boom sei kein Beweis für die Behauptung, die Schweiz sei ein Steuer-Schlupfloch, sagt Bernhard Grisiger von der Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet, welche die Zahlen erhoben hat.

Holding-, also Beteiligungs-Gesellschaften, werden in der Schweiz weiterhin zu drei Vierteln von Schweizern gegründet. Auf Ausländer entfielen 577 von den insgesamt 2113 im Jahr 2007 neu gegründeten Holdings.

Das Wachstum ist beachtlich: Seit 2000 ergaben sich 75% mehr Gründungen. Auch der Anteil der ausländisch beherrschten Holding-Gründungen nimmt zu. Er erreicht inzwischen über 27%.

Im Jahr 2000 waren es bei insgesamt 1207 Gründungen erst 207 ausländische gewesen.

Das Spezielle an der Schweizer Holding

«Das Spezielle an schweizerischen gegenüber ausländischen Holdingprivilegien ist grundsätzlich nur die Befreiung der gesamten Erträge», sagt Bernhard Grisiger gegenüber swissinfo. «Das heisst, eine Holding ist in der Schweiz nicht nur dazu da, Beteiligungen zu halten.» Sondern sie übe auch Aktivitäten für Tochterfirmen aus, bei tief zu versteuernden Erträgen.

Die EU hat die Holding-Gesellschaft in den vergangenen Jahren deshalb kritisiert: Als geografisch sehr mobile Beteiligungsfirma liege ihre Priorität allein im Steuervorteil.

Die EU sieht im Umstand, dass über Holdingfirmen Unternehmensgewinne geografisch verschoben und steueroptimal statt produktionsstandortbezogen ausgewiesen werden, eine Art unternehmerische Steuerflucht. Die Schweiz, besonders gewisse Kantone, wird dabei als «Steuerschlupfloch» kritisiert.

Jede zehnte Holding von Deutschen gegründet

Besonders der Anteil der deutschen Holding-Gründer wächst: Jede zehnte 2007 gegründete Holding ist von Deutschen gegründet worden. Niederländer, Franzosen oder Italiener folgen erst mit deutlichem Abstand.

Ein Grund dafür könnte der Umstand sein, dass die Wirtschaftsstrukturen Deutschlands jenen in der Schweiz sehr ähnlich sind (hoher KMU-Anteil), vermutet Gisiger. Ein weiterer Grund liege im Hochsteuerland Deutschland: «Unternehmen in Hochsteuerländern haben allgemein das Bedürfnis zur Steueroptimierung, um es ganz diplomatisch auszudrücken», so der Dun & Bradstreet-Spezialist.

In Italien zum Beispiel können KMUs ihre hohen Standortkosten viel eher mit Schwarzarbeit senken, was in Deutschland ausser bei Handwerkern weniger möglich sei. Deshalb die vermehrte Ausschau nach Holdinglösungen.

Wenn dann noch Nachfolgeregelungen oder Betriebsübergaben anstünden, so Grisiger, verstärke sich diese Tendenz.

Kanalinseln ferner als Alpen

«Steueroptimierende» Holding-Konstruktionen gebe es zuhauf auch in anderen Ländern, man denke nur an die Trusts, die Grossbritannien zulasse. Trust seien für natürliche und juristische Personen machbar, also für Privatpersonen und für Unternehmen, so Grisiger.

«Grossbritannien wird aber von den deutschen Politikern fast nicht angefasst, obwohl es viele Holding-Möglichkeiten liefert, weil der Finanzplatz in England eine enorm grosse, weltweite Bedeutung hat.» Den Deutschen lägen die Kanalinseln ferner, der Gang in ein anderes deutschsprachiges Land aus sprachlichen, geografischen und kulturellen Gründen jedoch näher.

Paradies oder Schlupfloch?

Der von der EU angefachte Streit um die Holding-Gesellschaften zeige auch ein unterschiedliches Rechtsempfinden auf: «Schweizer empfinden ihre Holding-Regelung nicht als Schlupfloch, die EU hingegen empfindet dies sehr wohl, weil bei ihnen produzierte Erträge in ein anderes Land abgeführt werden.»

Betrachte man die Bedeutung der Sachlage – die Holdings verwalten in der Schweiz mindestens 500 Mrd. Franken – werde der Ärger verständlich. In allen Kantonen gibt es Holdings, aber längst nicht alle gelten als Steuerparadiese.

Nur noch Irland ist besser

Von den 2113 im vergangenen Jahr neu gegründeten Holding-Gesellschaften entfallen fast 650 auf die Kantone Zug, Schwyz und Obwalden als attraktive Firmendomizile. Und in diesen drei Kantonen habe in den letzten sieben Jahren auch ein Grossteil des Holding-Wachstums stattgefunden, sagt Grisiger.

Die Unternehmenssteuerreform, die in Obwalden Ende 2005 per Volksabstimmung eingeführt wurde, hat den Kanton ebenfalls in die Reihe der Steuerparadiese für Holdings gehievt. «In Obwalden erreicht man punkto Besteuerung der Firmen eine absolute Spitzenposition.» Inklusive Kantons-, Gemeinde- und Bundessteuern komme man auf 13,1% Steuersatz. «Da ist nur noch Irland besser dran.»

Schweiz zwischen Deutschland und Singapur

Die Steuer-Sonderregelungen würden wohl noch einige Zeit erhalten bleiben, schätzt Grisiger. Das Rechtssystem dürfte aber grundsätzlich für Schweizer und Ausländer nicht unterschiedlich ausgelegt werden.

Das Grundproblem seien weniger die Fiskalparadiese in der Schweiz, als die ungünstigen Rahmenbedingungen in Deutschland. Wenn die Schweiz günstige Holding-Besteuerungen abschaffe, würden andere in die Lücke springen. Das habe sich in den letzten Monaten auf asiatischen Finanzplätzen gezeigt, wo vermehrt Geld von privater Seite hingeflossen sei.

swissinfo, Alexander Künzle

Dun & Bradstreet ist eine schweiz- und weltweite Informationsquelle für Wirtschafts-Informationen, Bonitätsauskünfte und Firmenbewertungen.

Unternehmen aus allen Branchen nutzen diese Daten zur Bonitäts-Prüfung, Kundengewinnung und im strategischen Einkauf.

Die D&B Datenbank speichert Informationen von über 500’000 Schweizer Unternehmen und mehr als 126 Mio. Unternehmen weltweit.

Steuerberater, Treuhänder und Advokaten: In den kleinen Kantonen seien sie bereits zu einer Art Industrie an sich geworden, sagt Bernhard Grisiger.

Viele halten Holding-Unternehmenssitze auch pro forma. «Einer erzwungene Regelung durch Brüssel, was die Ausländer in der Schweiz betrifft, würde noch vermehrt in Richtung Strohmännertum führen.»

Denn jede Ungleichbehandlung von Aus- und Inländer innerhalb der Schweiz würde ausgenutzt. «Das sollte grundsätzlich nicht sein. Entweder man ändert die Gesetze für alle, oder man belässt es beim Status quo», so Grisiger.

Und die Schweizer möchten sich die Steuern für sich selber kaum von Brüssel vorschreiben lassen.

«Damit sind wir beim Thema Straftatbestand Steuerhinterziehung – ja oder nein.» Persönlich geht Grisiger davon aus, dass die Diskussion darüber zwischen Brüssel und der Schweiz etwas abflauen werde, der Druck aber zunehmen wird.

Langfristig könnte sich auch das Verständnis des Bankgeheimnisses an jenes unserer europäischen Nachbarn angleichen.

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