Huguenin will Stadtzentrum von Renens wieder beleben
Die Kommunistin Marianne Huguenin steht seit Mai 2006 der Exekutive von Renens (Kanton Waadt) vor. Sie leitet eine Stadt, die geprägt ist von der Multikulturalität ihrer Einwohnerinnen und Einwohner.
Projekte wie die Metro M2 in Lausanne beleben auch die Agglomeration. Die Stadtpräsidentin aber will Renens vor allem ein heiteres, urbanes Gesicht geben.
swissinfo: Was ist es, das Sie jeden Morgen von Neuem reizt, in dieser Stadt zu leben und zu arbeiten?
Marianne Huguenin: Es ist die Vielfalt. Als Bewohnerin der Stadt liebe ich die Vielfalt der sozialen Milieus, der Altersklassen, der Berufe und der Stadt.
Denn obwohl Renens ein Vorort ist, gibt es auch einen alten Stadtteil, Arbeitermiethäuser und zwei Schlösser.
Und auch die Arbeit ist vielfältig. Im Alltag kann es um die Stromversorgung gehen – mit allem, was die voraussichtliche künftige Liberalisierung mit sich bringen wird, mit der wir uns leider werden abfinden müssen -, aber auch um Integrationsprobleme und um Verstädterung. Das ist faszinierend.
swissinfo: Welches Dossier macht Ihnen als Stadtpräsidentin am meisten zu schaffen?
M.H.: Die Umgestaltung des Zentrums von Renens, also des Marktplatzes. Wir wollen ein Zentrum schaffen, das der viertgrössten Stadt des Kantons würdig ist.
Die kleinen Arbeiterhäuser der Rue Neuve bleiben bestehen. Die Gebäude um den Platz dagegen sind in schlechtem Zustand und müssen weg.
Das gibt viel zu reden. Wir planen ein Gebäude für gemischte Nutzung, mit einem Coop, Verwaltungsbüros und Wohnungen. Ausserdem möchten wir dem Platz mit einem Haus der Kulturen auch einen öffentlichen Aspekt geben.
Im Westen von Lausanne stehen nach wie vor die grossen Einkaufszentren, die praktisch nur mit dem Auto erreichbar sind. Deshalb hat das Stadtzentrum Mühe, zu überleben.
Weiter sollen die Übergänge verbessert werden und die sanfte Mobilität mehr Bedeutung erhalten, sowohl um den Bahnhof herum wie im Zentrum, wo eine halbstädtische Autobahn die Stadt entzweischneidet.
swissinfo: Wie soll sich die Stadt weiter entwickeln? Was macht Ihnen für die Zukunft am meisten Sorgen?
M.H.: Ich denke, die grösste Herausforderung ist es, diesen Übergang zur Urbanität erfolgreich zu gestalten. Es wäre mühsam, wenn alles blockiert würde, zum Beispiel durch Widerstand von Seiten der Politik oder der Bevölkerung.
Auch die Frage der Arbeitslosigkeit und der Industrialisierung macht mir Sorgen, auch wenn ich jetzt etwas weniger Angst habe. Eine Reihe von Unternehmen, die Arbeitskräfte des zweiten Sektors beschäftigten, haben geschlossen und es folgte kein Ersatz.
Sorgen macht mir ausserdem die Arbeitslosenrate. Und die Ausbildung, vor allem der Jugendlichen liegt mir am Herzen, damit sie ihren Platz in der Arbeitswelt finden.
Aber das ist nicht nur in Renens ein Problem, sondern in der ganzen Region, dem ganzen Land und wohl in der ganzen westlichen Welt.
swissinfo: Renens hat eine der höchsten Arbeitslosenraten des Kantons. Was bedeutet das für die Verwaltung und die sozialen Kosten?
M.H.: Dank dem Lastenausgleich, für den die PdA (Partei der Arbeit) gekämpft hat, ist die Verteilung der Lasten innerhalb des Kantons jetzt viel besser als damals, als ich hierher zog.
Wir können uns seit gut eineinhalb Jahren über Wasser halten. Jedenfalls ist sich Renens gewohnt, den Gürtel eng zu schnallen.
swissinfo: Finden Sie, dass die Frage der Städte und Agglomerationen bei den Parlamentswahlen von 2007 thematisiert werden muss?
M.H.: Das ist auch ein Thema bei den Kantons- und Gemeindewahlen. Die Suche nach Zusammenarbeit rückt vor allem auf Gemeindeebene immer stärker in den Mittelpunkt.
Auf Bundesebene sind Massnahmen wie der Fonds für den Agglomerationsverkehr ein enormer Anreiz, das ist sehr gut. Wenn es keinen finanziellen Anreiz für die Fusion der Städte und Dörfer gibt, besteht die Gefahr, dass jeder sein Gärtchen weiter allein bestellen will.
Die Metro M2, der Bahnhof von Malley, die künftigen öffentlichen Verkehrsmittel der Lausanner Region zeigen, dass es eine Agglomerations-Struktur braucht.
swissinfo: Die politischen Entscheidungen werden unverhältnismässig stark von den Landgebieten beeinflusst. Sie stehen einer städtischen Behörde vor: Was muss Ihrer Meinung nach ändern?
M.H.: Am deutlichsten wird dieses Ungleichgewicht im Ständerat (kleine Kammer). Appenzell Ausserrhoden zum Beispiel hat nicht viel mehr Einwohner als Renens, hat aber Anrecht auf einen Sitz im Ständerat!
Die Idee einer Schweiz der Regionen, wo die Sitze im Ständerat aufgrund der Bevölkerungszahl vergeben werden, finde ich sehr interessant.
Der Kanton Waadt macht vorwärts: Statt 19 werden wir nur noch 10 Amtsbezirke haben. Damit verlieren die Landgebiete an Bedeutung.
Das könnte auch mit einem einzigen Wahlkreis wie im Kanton Tessin erreicht werden. Aber so weit sind wir noch nicht.
swissinfo-Interview: Carole Wälti
(Übertragen aus dem Französischen: Charlotte Egger)
Gründungsjahr der Stadt: 896
Bevölkerungszahl von Renens: 19’228
55% davon sind ausländische Staatsangehörige aus 116 Nationen und sprechen 50 Sprachen
Arbeitslosenquote: 6,23% (Oktober 2006)
Budget 2007: Ausgaben und Einnahmen belaufen sich auf über 70 Mio. Fr. jährlich.
Renens hat eine positive Eigenfinanzierung von 3,6 Mio. Fr., das Defizit liegt bei 1,5 Mio. (inklusive Amortisation).
Renens wird erstmals im 10. Jahrhundert urkundlich erwähnt, unter den Namen Runens, Rugnens oder Regnens. Bis Ende des 19. Jahrhunderts ist es ein kleines Bauern- und Winzerdorf.
Die neuere Geschichte der Stadt Renens hängt eng mit der Eisenbahn zusammen: 1875 wurde ein grosser Rangierbahnhof gebaut. Ab 1903, als der Bund das Eisenbahnnetz kaufte, nahm der Verkehr stetig zu.
Marianne Huguenin kam 1950 auf die Welt. Sie wuchs in Le Locle im Kanton Neuenburg auf.
Sie besuchte das Gymnasium in La Chaux-de-Fonds und studierte danach in Lausanne Medizin.
Mit gut zwanzig Jahren trat sie der Parti ouvrier et populaire (PoP) bei. Zwischen 1988 und 1995 präsidierte sie die Waadtländer Kantonalpartei.
Huguenin ist seit den 1980er-Jahren in Renens politisch aktiv, zunächst in der Legislative der Gemeinde und seit Juni 1996 in der Exekutive. Zwischen 1990 und 1999 war sie ausserdem im Waadtländer Kantonsparlament.
Seit 2003 ist sie für die Partei der Arbeit Schweiz (PdA) im Nationalrat.
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