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«Ich bin einfach nicht mehr das richtige Gesicht»

Mit dem Rücktritt von Jens Alder verliert die Swisscom eine Lichtgestalt. Der ETH-Ingenieur machte den früheren Schweizer Monopolisten zum wohl solidesten und profitabelsten Telekommunikationskonzern Europas.

Die erträumte Grossübernahme im Ausland blieb ihm aber verwehrt.

Nach dem Rückenschuss des Bundesrates im November war Alders Abgang nur noch eine Frage der Zeit. Der in der Branche geschätzte Manager musste sich von der Landesregierung ökonomisches Abenteuertum vorwerfen lassen und wurde in eine Reihe mit den Verantwortlichen des Swissair-Debakels gestellt. Wollte er seine Glaubwürdigkeit behalten, blieb dem 48-Jährigen gar keine andere Wahl, als seinen Posten zu räumen.

Sein Abschied erfolge ohne Groll, betonte Alder bei seinem letzten Auftritt am Freitag in der Schweizer Börse. Dass ihm der Entscheid schwer fiel, verhehlte er aber nicht: «Ich habe mich mit dieser Firma identifiziert», sagte er. Mit dem Weggang verliere er ein Stück seiner Identität. «Das tut weh.»

Blitzkarriere bei Swisscom

Der gebürtige Appenzeller legte bei Swisscom eine Blitzkarriere hin: Der diplomierte ETH-Elektroingenieur trat 1998 als Chef der Division Netzwerke und Grosshandel ins Top-Management ein und avancierte innert eineinhalb Jahren zum Konzernchef.

Dort erlebte der frühere Alacatel-Manager turbulente Zeiten. Der Internet-Hype trieb seinem Höhepunkt entgegen, der Börsenwert von Telekom-Firmen erreichte wahnwitzige Höhen.

Alder schlug daraus doppelt Kredit. Als die Preise am höchsten waren, verkaufte er der britischen Vodafone für 5,8 Mrd. Franken eine 25%-Beteiligung an Swisscom Mobile und bescherte der Swisscom einen Rekordgewinn.

Umgekehrt ging er haushälterisch mit den eigenen Mitteln um. Bei der Auktion der UMTS-Lizenzen in Deutschland stieg die Swisscom frühzeitig aus und bewahrte sich damit vor Milliardenschulden.

Jahr für Jahr Milliardengewinne

Als die Internet-Blase kurz darauf platzte, konnte die Swisscom ihre defensiven Qualitäten voll ausspielen. Die Bilanz war grundsolide, und die komfortable Position auf dem Heimmarkt ermöglichte trotz Börsenflaute Jahr für Jahr Milliardengewinne.

Der Löwenanteil davon floss an den Bund: Seit dem Börsengang 1999 brachte die Swisscom nicht weniger als neun Mrd. Franken in die Bundeskasse. Einziger Fleck im Reinheft war die Debitel-Beteiligung, die die Swisscom letztes Jahr mit einem Verlust von 3,3 Mrd. Franken abstiess. Alder trifft daran allerdings nicht die Hauptschuld, denn an Land gezogen hatte debitel sein Vorgänger Tony Reis.

Trotz des Debitel-Debakels hielt Alder an der Vision einer Grossübernahme im Ausland fest. Die Swisscom müsse wachsen, um zu überleben, und dies könne sie nur im Ausland, lautete sein Credo. Um bei günstiger Gelegenheit freie Hand zu haben, polierte er den eigenen Laden auf Hochglanz. Alder drückte auf die Kostenbremse und baute über 5000 Stellen ab. Damit verschaffte er sich Respekt bei den Finanzmärkten, zog aber den Zorn der Gewerkschaften auf sich.

Bundesrat machte Alders Ambitionen zunichte

Aus dem Ausland-Coup wurde trotzdem nichts. Bei Telekom Austria scheiterte die Swisscom aus politischen Gründen, bei Cesky Telekom wurde sie von der spanischen Telefonica ausgestochen. Mit Eircom in Irland und Tele Danmark hatte Alder zuletzt zwei weitere Kandidaten im Visier.

Mit seinem generellen Auslandverbot machte der Bundesrat Alders Ambitionen zunichte. Dies wollte sich dieser nicht bieten lassen. «Ich bin einfach nicht mehr das richtige Gesicht, um dieses Unternehmen zu repräsentieren», sagte er am Freitag. Als blosser Verwalter des Besitzstandes wollte er nicht in die Annalen eingehen.

swissinfo und Guido Schätti (ap)

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