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Im Inland ist das Bankgeheimnis noch sicher

Die Schweizer Steuerbehörden erhalten Kundendaten von den Banken nur bei begründetem Verdacht auf Steuerbetrug. Keystone

Würde die Schweiz ihr Bankgeheimnis nicht nur schrittweise, sondern gänzlich aufheben, wäre sie den Steuerstreit mit dem Ausland von heute auf morgen los. Im Inland denkt lediglich die Sozialdemokratische Partei daran – aber nur halbherzig.

«Hört denn das nie mehr auf?», fragen sich manche Eidgenossen angesichts der ständigen Angriffe des Auslands auf das Schweizer Bankgeheimnis.

Der wichtigste Handelspartner Deutschland, aber auch die USA und viele andere Länder dulden nicht mehr, dass Schweizer Banken damit die Steuerflucht ihrer Landsleute erleichtern.

Anders als die Bankgeheimnisse der andern Länder schützt das helvetische zwar auch nicht bei Steuerbetrug, aber bei Steuerhinterziehung. Wo liegt der Unterschied?

Ein Steuerbetrüger unternimmt gemäss schweizerischer Rechtsprechung aktiv etwas, um Geld vor dem Fiskus zu verstecken, indem er zum Beispiel eine Urkunde fälscht. Ein Steuerhinterzieher «vergisst», steuerpflichtiges Einkommen oder Vermögen zu deklarieren.

Steuerhinterziehung ist zwar auch in der Schweiz verboten und kann sogar happige Bussen zur Folge haben, aber das Bankgeheimnis verhindert, dass die Banken bei Verdacht auf Steuerhinterziehung dem Fiskus Kundendaten herausgeben müssen. Und dieses Geheimnis wurde mit dem Bankengesetz von 1934 in der Schweiz sogar strafrechtlich abgesichert. Wer es verletzt, kann mit Gefängnis bestraft werden.

Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und -hinterziehung war bisher auch anlässlich der Gewährung von zwischenstaatlicher Amtshilfe wesentlich. Diese Unterscheidung zu rechtfertigen, scheint allerdings immer weniger möglich zu sein.

Im Fall der Grossbank UBS hat die Schweiz den USA Kundendaten geliefert, ohne von den USA eine Dokumentation des Verdachts auf Steuerbetrug in jedem Fall zu verlangen. Damit wurde das Bankgeheimnis unterlaufen.

Und um zu verhindern, dass sie auf einer schwarzen oder grauen Liste der Steueroasen erscheint, hat die Schweiz mit mehr als 30 Ländern Abkommen ausgehandelt, in denen sie den Standard der OECD akzeptiert, wonach gegenüber ausländischen Steuerbehörden nicht nur bei Verdacht auf Steuerbetrug, sondern auch auf Steuerhinterziehung Amtshilfe geleistet werden muss.

«Begründung ist Folklore»

Aber im Inland wird am Bankgeheimnis helvetischer Prägung weiterhin festgehalten. Der Unterschied werde ideell begründet, sagt der emeritierte Professor Niklaus Blattner, nämlich mit dem Argument, in der Schweiz gäbe es Steuerehrlichkeit, die Schweizer bezahlten ihre Steuern freiwillig. Deshalb sei es nicht nötig, die Banken zu verpflichten, bei Steuerhinterziehung die Kundendaten herauszugeben.

«Diese Begründung reflektiert mehr die Heimatliebe als die Realität, sie ist Folklore», sagt der ehemalige Direktor der Bankiervereinigung und Ex-Direktoriumsmitglied der Nationalbank gegenüber swissinfo.ch.

«Aber in der Schweiz war die Idee, dass man Steuerhinterziehung als Tatbestand deklariert, der die Aufhebung des Bankkundengeheimnisses rechtfertigen würde, noch nie mehrheitsfähig», sagt Blattner.

In der Tat. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei SVP hätte das Geheimnis sogar in der Bundesverfassung verankern wollen. Aber auch die andern bürgerlichen Regierungsparteien, die Christlichdemokratische Volkspartei CVP und die Freisinnigen, die FDP.Die Liberalen, wollen die Festung weiterhin verteidigen. Und die Sozialdemokratische Partei SP wagt seit der klaren Niederlage mit ihrer «Volksinitiative gegen den Missbrauch des Bankgeheimnisses» von 1984 auch (noch) keinen neuen Anlauf.

Volksinitiative auf der langen Bank

«Ob wir eine Volksinitiative starten, werden wir in den nächsten Jahren entscheiden», sagt Parteipräsident Christian Levrat gegenüber swissinfo.ch.

Die Sozialdemokraten predigen zwar immer wieder, das Bankgeheimnis schütze nur jene Steuerzahler, die nicht alles deklarierten, während der Fiskus die finanziellen Verhältnisse der Lohnempfänger – trotz Bankgeheimnis – bestens kenne.

Aber ob diese Botschaft bei ihrer Wählerschaft endlich angekommen ist, daran scheinen die Genossen selbst zu zweifeln. «Ich bin nicht sicher, ob eine Volksinitiative der beste Weg wäre, um zum Ziel zu kommen», sagt Levrat.

Das Ziel, den Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und -betrug nicht nur gegenüber ausländischen Steuerzahlern, sondern auch im Inland aufzuheben, will die SP auf parlamentarischer Ebene und in Zusammenarbeit mit den Kantonen erreichen.

«Die kantonalen Steuerämter werden immer lauter, weil sie nicht mehr verstehen, warum ausländische Behörden im Fall von Steuerhinterziehung von der Schweiz Unterlagen bekommen, die ihnen selbst vorenthalten bleiben.»

«Überflüssiger Umweg»

Wenn die Schweiz ihr Bankgeheimnis aufgäbe, würde sich der Streit mit dem Ausland von heute auf morgen entspannen. Davon ist auch Professor Niklaus Blattner überzeugt: «Aber dies innenpolitisch durchzusetzen, wäre ein überflüssiger Umweg mit massiven direktdemokratischen Auseinandersetzungen.»

Man könne die Interessen des Auslands erfüllen und in der Schweiz dennoch am Bankgeheimnis festhalten: Zum Beispiel mittels Doppelbesteuerungs-Abkommen, die dem OECD-Standard genügen. «Diese müssen durchs Parlament, dafür braucht es nicht zwingend eine ‹Landsgemeinde› in der ganzen Schweiz», sagt Blattner.

Dass das Ausland bereits jetzt Nachbesserungen verlangt, bevor die Abkommen überhaupt in Kraft treten, lasse sich nie ganz vermeiden. «Wir haben Probleme mit einzelnen Ländern, und wenn wir mit diesen eine Abgeltungssteuer aushandeln können, haben wir für ein paar Jahre eine taugliche Lösung, die auch für viele andere Länder attraktiv würde.»

Das Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, das von den Finanzministern unterschrieben wurde, muss noch vom Deutschen Bundesrat, der Länderkammer, genehmigt werden.

Das Bankgeheimnis oder Bankkundengeheimnis ist ein Berufsgeheimnis. Der Bankkunde hat ein Recht auf Schutz seiner ökonomischen Privatsphäre. Die Bank hat somit die Pflicht, über alle Tatsachen, die ihre Kunden betreffen, Verschwiegenheit zu wahren.

Es ist nicht illegal, wissentlich unversteuertes Geld zu verwalten.

Die Finanzmarktaufsicht (Finma) kann eingreifen, wenn die Banken Schweizer Recht verletzen. Wenn sie ausländische Gesetze brechen, ist die Finma machtlos.

Steuerhinterziehung begeht, wer vorsätzlich oder fahrlässig falsch beziehungsweise unvollständig deklariert. Steuerhinterziehung wird mit Busse bestraft. Diese beträgt in der Regel das Einfache der hinterzogenen Steuer. Sie kann bei leichtem Verschulden bis auf einen Drittel ermässigt, bei schwerem Verschulden bis auf das Dreifache erhöht werden.

Anders als in den meisten anderen Ländern ist Steuerhinterziehung in der Schweiz nur eine Übertretung.

Steuerbetrug begeht, wer absichtlich bzw. vorsätzlich zum Zweck der Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden (wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen oder Lohnausweise und andere Bescheinigungen Dritter) zur Täuschung der Steuerbehörde braucht. Steuerbetrug wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.

Selbstanzeige:

Steuerpflichtige Personen können die Steuerbehörden auf eigenes Einkommen oder Ver­mögen hinweisen, das sie in den vergangenen Jahren nicht oder nur teilweise deklariert haben. Wenn die Hinterziehung der Steuerverwaltung nicht bereits an­derweitig bekannt ist und die steuerpflichtige Person die Steuerverwaltung bei der Feststellung der massge­blichen Verhältnisse vorbehaltslos unterstützt, bleibt die Hinterziehung bei der erstmaligen Selbstanzeige straflos.

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